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Lesung mit Friedrich Schorlemmer im Haldensleber Gemeindehaus / Den Erlös von 500 Euro erhält der Orgelbauverein Sankt Marien Wenn die Gier das Glück zerstört

Von Margarethe Bayer 09.04.2015, 03:18

Haldensleben l Friedrich Schorlemmer hat im Sankt Marien Gemeindehaus sein Buch "Die Gier und das Glück" dem Haldensleber Publikum vorgestellt.

Mit lauter Stimme begann er seine Lesung mit einem Zitat aus dem dritten Akt der bekannten "Dreigroschenoper" von Bertolt Brecht namens "Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens". An einer Stelle heißt es darin: "Ja, renn nur nach dem Glück! Doch renne nicht zu sehr, denn alle rennen nach dem Glück, das Glück rennt hinterher", wie der emeritierte Pfarrer unter anderem aus dem Gedächtnis zitierte.

Schorlemmer nahm sein zahlreich erschienenes Publikum mit auf eine gesellschaftskritische Reise. Zahlreiche Schachtelsätze verwendete er beim Sprechen, so dass der Zuschauer kurz davor war, den Überblick zu verlieren. Dennoch schaffte er es am Ende, seine Botschaften zu formulieren - auch wenn sie erst drei Sätze später folgten.

Der Friedenspreis-Träger des Deutschen Buchhandels ist nicht nur ein geübter Redner, Schreiber, Gesellschaftskritiker und emeritierter Pfarrer, sondern auch ein Mann mit Witz und Verstand. Er regte an zum Nachdenken - ohne dabei seine persönliche Meinung dem Zuhörer aufzudrücken. Er setzte auf Beispiele und Gleichnisse.

"Sind wir nicht alle auch `gierfähig`?", stellte der aus der ehemaligen DDR stammende Autor seine These in den Raum. Als ein Beispiel nannte er auch die Gier nach Aufmerksamkeit. Wie etwa jene `Wessis`, die früher aus ihren Autos im Osten ausstiegen. "Mit so großen Augen wurden die nie zu Hause angesehen", sagte der Autor und deutete damit nur an, was er eigentlich meinte.

Dennoch betonte er, dass die Gier nicht zu sehr verurteilt werden dürfe. Als positives Beispiel nannte er die Neugier. "Verachtet nicht die Gier, aber lasst sie nicht zur Sucht verkommen", erklärte er seinen gesellschaftskritischen Ansatz. Seiner Meinung nach sollte alles so viel Kosten, wie es auch wert ist. Nur so könne auch eine gesellschaftliche Gerechtigkeit für alle gleichermaßen geschaffen werden.

Für den Werbeslogan `Geiz ist geil` hatte der Buchautor keinerlei Verständnis. "Wer das erfunden hat, sollte fünf Jahre gemeinnützige Arbeit auf dem Friedhof machen", so Schorlemmer. Auch hinterfragte er, was in den letzten 20 Jahren mit der Gesellschaft passiert ist. "Wir kaufen ständig alles neu und da wird nichts mehr gestopft oder repariert. Das ist ein Ressourcenverbrauch und vor allem ein Missbrauch an unserer Welt", gab er sich kämpferisch. Laut dem politisch stets engagierten Autor, kann auch weniger glücklich machen. "Unter den Ostgermanen von Ihnen: Haben früher die Bananen nicht viel besser geschmeckt?", stellte er die rhetorisch gemeinte Frage in den Gemeindesaal.

"Dinge, die einen erfüllen, sind nicht die Dinge, die wir haben können."

Friedrich Schorlemmer

Auch ein Hörspiel von Wilfried Schmickler namens "Die Gier" stellte er seinem Publikum vor. Kabarettisten seien laut ihm die besseren Prediger. Gier, Neid und Hass sind dabei die zentralen Punkte des Gedichtes, die der Sprecher Schmickler eindrucksvoll auch über die Sprache transportiert.

Laut Schorlemmer ist die Gier ein Anhäufen von Dingen, die nicht gebraucht werden. Glück hingegen ist das Wissen, was alles nicht gebraucht wird. "Denn Dinge, die einen erfüllen, sind nicht die Dinge, die wie haben können", sagte Schorlemmer. Er betonte dabei stets die Sinne, die es uns ermöglichen, Glück zu empfinden. Und wenn das einfach nur bedeutet, genussvoll in ein frisches Mischbrot zu beißen.

Zum Dank für sein Kommen erhielt der Autor Friedrich Schorlemmer von der Veranstalterin Ursula Fricke eine Rose und einen Bildband von der Stadt als Andenken. Auch Pfarrer Matthias Simon brachte als Gastgebergeschenk eine fair gehandelte Schokolade mit. "Es war wirklich schön, dass so viele gekommen sind. Der Erlös von 500 Euro wird dem Orgelbauverein von Sankt Marien gespendet", erklärte Ursula Fricke vom Haldensleber Bücherkabinett.