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Naturparkranger Wolfgang Sender beschreibt die Landung der Rastvögel und berichtet über Probleme der Landwirte Tausende Gänse veranstalten ein lautes Spektakel

Von Anett Roisch 27.10.2012, 03:19

Jährlich nutzen Tausende Gänse und Enten den Drömling als Rastplatz. An einem Schlafplatz der Vögel in der Flachwasserzone gibt es ein Holzhäuschen, aus dem die Besucher mit Fernglas und Spektiv die Vögel beobachten können.

Piplockenburg/Mannhausen l Ein ohrenbetäubendes Spektakel erleben Naturfreunde bei Einbruch der Dunkelheit an der Flachwasserzone in Piplockenburg, als etwa achttausend Saat- und Blässgänse und andere seltene Arten, wie die Weißwangengänse, Zwerggänse und Kurzschnabelgänse landen. Doch warum machen die Vögel, die zeitgleich aus allen Himmelsrichtungen einfliegen, so ein Spektakel? Die Antwort darauf hat Wolfgang Sender, Mitarbeiter der Parkverwaltung: "In Familien kommen die Gänse aus ihren Brutgebieten hierher. Sie verlieren sich in dem Durcheinander. Durch Stimmäußerungen können die alten Vögel ihre Jungen erkennen. Die Familien trennen sich erst im nächsten Frühjahr, wenn sie wieder in ihrer Brutheimat ankommen." Das Spektakel geht nach den Erfahrungen des Rangers bis weit nach Mitternacht. "Dem Großteil der Kraniche ist es in diesen Wochen hier zu laut. Kraniche haben sich jetzt einen anderen Platz zum Schlafen gesucht", weiß er.

Ab dem 1. November dürfen Gänse laut Gesetz gejagt werden. Die Flachwasserzone ist ein Schutzgebiet. Hier darf nicht gejagt werden. "Nachdem aber der erste Schuss gefallen ist, wissen die Vögel, dass die Jäger an der Grenze zum Schutzgebiet stehen. Die Gänse kommen dann erst, wenn es fast dunkel ist, in die Flachwasserzone", beschreibt Sender, während die Gäste durch ihre Ferngläser schauen.

Nach Angaben des Naturparkmitarbeiters sagt das Jagdgesetz auch, dass ein Jäger nur auf Tiere schießen darf, deren Art er identifizieren kann. "Eigentlich dürfte der Jäger in der Dämmerung gar nicht auf eine Gans schießen, weil er die Art nicht eindeutig erkennen kann." Der Verlust von Graugänsen wäre zu verkraften, doch der Weltbestand der Zwerg- und Kurzschnabelgänse bestehe nur noch aus wenigen Tausend Exemplaren. Da käme es auf jedes Tier an, das wieder ins Brutgebiet zurückkommt.

Sender macht auf ein anderes Problem aufmerksam. "Wenn hier mehrere Monate Zehntausende Gänse rasten, dann brauchen sie auch Nahrung. Das Fressen holen sie sich auf den landwirtschaftlichen Nutzflächen. Wenn die Vögel mehrmals eine Fläche besuchen, dann kann es für den Bauern zum Totalausfall kommen, wie zum Beispiel vor zwei Jahren als die Vögel ein Rapsfeld abgefressen hatten. Die Bauer bekommen keinen Cent Entschädigung. Bei jagdbarem Wild, wenn es Schaden anrichtet, muss sonst der Jäger per Gesetz an den Landwirt eine Entschädigung zahlen. Aber das trifft bei Federwild eben nicht zu. "Damit sind die Gänse außen vor. Der Gesetzgeber sagt, die Gänse gehören der Allgemeinheit. Der Staat hält sich raus und zieht sich zum Leidwesen der Bauern zurück."

Laut Sender ist das zum Beispiel am Niederrhein anders. Dort werden die Bauern vom Land entschädigt. Sender ist der Meinung, dass dies auch für bestimmte Gebiete in unserer Region gelten sollte. "Dort wo man Naturschutz will, wie im Drömling, müssten Landwirte auch eine Entschädigung bekommen", sagt Sender.

Das Beobachtungsholzhäuschen steht immer für Naturfreunde offen. Wer eine fachkundliche Führung möchte, kann Kontakt aufnehmen bei der Naturparkverwaltung unter Telefon (039002) 8500.