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Im Gespräch mit dem Klietzer Bürgermeister, der sich über Landespolitik und Unterstellungen ärgert Masch: Land sollte sparen und mehr Geld geben

18.01.2013, 01:23

Eine von vier Gemeinden im Elbe-Havel-Land, der wegen roter Zahlen auf dem Konto finanziell die Hände gebunden sind, ist Klietz. Im Gespräch mit Anke Schleusner-Reinfeldt blickt Bürgermeister Jürgen Masch in die Zukunft.

Volksstimme: Wie hat sich die Gemeinde Klietz 2012 mit einem leeren Portemonnaie leiten lassen?

Jürgen Masch: Leicht ist das nicht. Man möchte so gern etwas tun, kann es aber nicht, weil das Geld fehlt. Wir haben gespart, wo es nur ging - möglichst nicht auf Kosten der Bürger. Die Straßenlampen, die Anfang Januar nicht leuchteten, sind allerdings nicht auf Sparsamkeit zurückzuführen, wie mancher dachte, sondern einfach auf einen größeren Defekt, der nun aber behoben ist. Schade, dass wir aus Sparsamkeitsgründen die Mühle abends nicht mehr anstrahlen. Das sah sehr schön aus, ist aber dem Rotstift zum Opfer gefallen. Nach einem Jahr Pause feierten wir wieder unser Heimatfest - auch mit begrenzten Mitteln.

Volksstimme: Stehen die Finanzen für dieses Jahr besser?

Jürgen Masch: Dazu kann ich im Moment noch nichts sagen, da der Haushalt erst aufgestellt wird und ich die Höhe der Zuweisungen vom Land nicht kenne. Es soll ja mehr sein, was dann hoffentlich nicht gleich von der Kreisumlage aufgefressen wird. Es ist auch nicht absehbar, dass wir ohne eine Wunder allein aus der Haushaltskonsolidierung herauskommen. Ob wir es bis 2020 schaffen, den Haushalt wieder plus/minus Null zu kriegen, bleibt abzuwarten. Wir schmeißen das Geld hier nicht zum Fenster raus und geben es nur für das Notwendigste aus. Das war schon immer so. Dass wir verschuldet sind, hat nichts mit Misswirtschaft zu tun.

Volksstimme: Dennoch kann der Radweg nach Neuermark-Lübars, über den schon so viel diskutiert wurde, dieses Jahr gebaut werden?

Jürgen Masch: Ja, der Eigenanteil in Höhe von 39000 Euro war ja schon im Haushalt für das vergangene Jahr eingestellt gewesen. Ich bin froh, dass der Abschnitt nun wie von uns gewünscht ohne Schikanen gebaut werden kann und dass die Anlieger auch nicht an den Kosten beteiligt werden. Auf der nächsten Ratssitzung wird noch einmal darüber gesprochen und dann soll es zum Beschluss kommen. Für das Stück vom Ortsausgang bis zur Einfahrt an den jetzt noch unbefestigten Weg finden wir hoffentlich eine einvernehmliche Lösung mit den Anliegern.

Volksstimme: Sie haben schon oft deutliche Kritik an der Landesregierung geübt. Gab es für die Gemeinden 2012 positive Signale aus Magdeburg?

Jürgen Masch: Ganz klar: Nein! Es gibt überhaupt nichts Gutes! Bestes Beispiel ist die Verordnung zum Naturschutzgebiet. Beim Entwurf ist an die hier lebenden Menschen gar nicht gedacht worden. Es gibt kein Miteinander zwischen Landesregierung und uns hier vor Ort. Ich bin einfach nur enttäuscht! Das trifft auch auf die Pläne zur Schließung der kleinen Grundschulen zu. Es zählen nur noch Zahlen, weiter nichts.

Volksstimme: Was fordern Sie von Land?

Jürgen Masch: Die finanziellen Zuweisungen für uns Gemeinden müssen angehoben werden, damit wir halbwegs vernünftig wirtschaften können und nicht am Hungertuch nagen. Die Schere zwischen arm und reich klafft immer mehr auseinander, das bekommen leider die Kinder immer deutlicher zu spüren. Gerade für sie muss das Land mehr tun! Dass die Arbeitslosenzahlen immer nur beschönigt werden, ärgert mich auch. Und dass die Mittel für den zweiten Arbeitsmarkt immer mehr gekürzt werden und es immer weniger Ein-Euro-Jobs gibt. Auf dem Museumshof beispielsweise brauchen wir dringend Kräfte, die sich um die Besucher kümmern. Aber auch hier wird ja der Rotstift angesetzt.

Volksstimme: Und vom Landkreis?

Jürgen Masch: Dass er uns Gemeinden mehr unterstützt! Man sollte mehr Vertrauen in unsere Arbeit haben und nicht ständig alles überprüfen und uns damit Arbeit aufbürden, die gar nicht nötig wäre. Der Landkreis soll bitte auch genau überlegen, um wie viel die Kreisumlage erhöht wird.

Volksstimme: Mit dem Modell der Verbandsgemeinde können Sie sich nach drei Jahren praktischer Umsetzung inzwischen anfreunden?

Jürgen Masch: Eigentlich nicht! Der Zusammenschluss der kleinen Orte war ja ganz in Ordnung, auch das Zusammenwachsen mit Neuermark-Lübars klappt ganz gut. Aber dass die Verbandsgemeinde die für uns so wichtigen Dinge wie Kindergarten, Schule und Feuerwehr in ihre Verantwortung übernommen hat, ist einfach nur ärgerlich. Vorher hat es doch auch gut funktioniert. Mit der Arbeit der Ämter in Schönhausen und Sandau bin ich zufrieden. An Kleinigkeiten muss noch gefeilt werden. Dass die Post an uns als Gemeinde generell im Amt landet und dann erst auf unseren Tisch kommt, halte ich für keine gute Lösung. Auch nicht, dass die Bürgermeister nicht automatisch Mitglied des Verbandsgemeinderates sind, in dem so wichtige Entscheidungen getroffen werden. Ich bin Mitglied, und auch der Sandauer und Kamernsche Bürgermeister. Aber die anderen drei können nur als Gäste teilnehmen.

Volksstimme: In einem Gemeinderat muss ja nicht Friede, Freude, Eierkuchen herrschen. Aber als Gast auf den Klietzer Sitzungen hat man immer wieder das Gefühl, dass der Rat gespalten ist. Täuscht dieser Eindruck?

Jürgen Masch: Nein, leider nicht. Die Ratsmitglieder und auch ich als Bürgermeister sind eigentlich angetreten, um für die Bürger tätig zu sein. Manchmal geht es hier nur um privates und es gibt seitens einiger weniger Ratsmitglieder Unterstellungen, die haltlos sind. Manchmal habe ich das Gefühl, dass nur darauf gelauert wird, dass wir Fehler machen.

Volksstimme: In den letzten Neujahrs-Gesprächen haben Sie stets von ihrem Wunsch, die Turnhalle zu sanieren und zu erweitern, gesprochen. Inwieweit ist das in Anbetracht der Haushaltslage überhaupt noch realistisch?

Jürgen Masch: Das hat immer noch erste Priorität. Nach wie vor planen wir noch zwei Bauabschnitte - erst die Erweiterung und dann die Modernisierung des Sanitärbereiches auf der linken Seite. Aber Fördermittel gibt es leider nicht und für uns dürfte es schwierig werden, den Eigenanteil aufzubringen. Sobald es irgendwie möglich wird, machen wir uns an die Arbeit.

Volksstimme: Für mehrere hunderttausend Euro wurde gerade die Ortsdurchfahrt durch Klietz erneuert, um die Lärmbelästigung für die Anlieger zu minimieren. War es Ende der 90-er Jahre, als die Straße schon einmal grundhaft ausgebaut worden ist, ein Fehler, Kopfsteinpflaster zu verlegen?

Jürgen Masch: Damals waren die Voraussetzungen ja ganz andere. Die Platzrandstraße ist erst später gebaut worden, danach nahm auch der Militärverkehr durch den Ort zu und die damals noch gemeindeeigene Straße ist als Kreisstraße umgewidmet worden. Jetzt ist

es natürlich viel leiser - ein Nachteil ist aber auch, dass die Autos schneller fahren. Ich bitte alle, sich an die vorgeschriebenen 50 Kilometer pro Stunde zu halten.

Volksstimme: In punkto Straßenbau ist die Gemeinde Klietz, wo ja schon viel getan wurde, aber noch nicht durch. Können die Seesiedler mit einem baldigen Ausbau rechnen?

Jürgen Masch: Bald wohl nicht. Denn auch das hängt vom Geld ab. Und oben auf der Bauliste steht erst einmal die Turnhalle. Wir versuchen, die gröbsten Mängel immer wieder zu reparieren.

Volksstimme: Wo drückt sonst noch der Schuh, der wegen fehlenden Geldes nicht repariert werden kann?

Jürgen Masch: Es gibt einiges. In der Sandauer Straße müssen wir neue Straßenlampen aufstellen - ich hoffe, das können wir dieses Jahr umsetzen. Und wir können die Modernisierung des Heizhauses auch nicht mehr auf die lange Bank schieben. Als wir es damals auf Öl umrüsteten, war dieser Heizstoff günstig - inzwischen sind die Ölpreise so hoch, dass unser Haushalt stark belastet wird. Aber wir sind dran, hier auch mit erneuerbaren Energien etwas in die Wege zu leiten. Aber ohne Geld geht das leider nicht von heute auf morgen.

Volksstimme: In Klietz und den Ortsteilen gibt es rührige Vereine und Feuerwehren, die das Dorfleben bereichern...

Jürgen Masch: Ja, zum Glück. Die Feuerwehren, die Heimatvereine, die Scharlibber Freunde - auf sie alle kann man bauen. Die Gemeinde versucht, sie bestmöglich zu unterstützen, wenn auch meist nur mit Sachleistungen, weil wir für solche freiwilligen Aufgaben in der Haushaltskonsolidierung kein Geld ausgeben dürfen.

Volksstimme: Wie sah das Jahr im Schullandheim aus?

Jürgen Masch: Die genauen Zahlen und Abrechnungen liegen noch nicht vor. Ich gehe davon aus, dass es kein großes Minus sein wird. Zu Jahresbeginn haben wir die Gebühren erhöht, um die Einnahmen etwas aufzubessern. Ich freue mich, dass die Resonanz der Schulen ungebrochen gut ist, die meisten Schulen und Vereine kommen immer wieder, wovon der gesamte Ort profitiert.

Volksstimme: Das Ärztehaus steht nun schon über zwei Jahre leer - gibt es immer noch keinen ernsthaften Interessenten?

Jürgen Masch: Ein Interessent ist da, aber er ist noch beim Prüfen. Ich bin zwar bei solchen Dingen immer skeptisch, aber ich habe Hoffnungen, dass es klappt und das Gebäude endlich wieder genutzt wird.

Volksstimme: Mit 71 Jahren gehören Sie zu den ältesten Bürgermeistern im Land. Gibt es Tage, an denen Sie sich wünschten, all die Verantwortung abgeben zu können?

Jürgen Masch: Die gibt es. Denn die Querelen im Gemeinderat gehen auch in den privaten Bereich über und belasten mich. Aber das Positive überwiegt. Ich will mich weiterhin den Aufgaben stellen, auch wenn es längst nicht mehr so einfach ist wie in den 90ern, als die Fördermittel in Hülle und Fülle flossen und wir jedes Jahr ein großes Projekt in Angriff nehmen konnten. Es ist auch schön, zuverlässige Partner wie die Bundeswehr an unserer Seite zu wissen.

Volksstimme: Nehmen wir mal an, die Gemeinde würde die über 250000 Euro Heizkosten vom insolventen ehemaligen Eigentümer der Neubaublöcke sowie weitere 56000 Euro von dessen Vorgänger bekommen - was würden Sie damit tun?

Jürgen Masch: Mich sofort an die Erweiterung der Turnhalle machen. Aber das Geld haben wir abgeschrieben, worüber ich mich immer noch ärgere, weil wir dadurch als Gemeinde ja erst pleite gegangen sind und finanziell nun so schlecht dastehen.