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Wegen anderer Förderung hat Schönhauser Firma Finanzierungslücke von über einer Million Euro Sieben Monate Wartezeit auf "rasche Hilfe"

Von Ingo Freihorst 05.02.2014, 02:19

Wenn alles läuft wie geplant, könnte die Firma Thermoplast in Schönhausen Mitte Juli wieder ihre Produktion aufnehmen - über ein Jahr nach dem Fischbecker Deichbruch.

Schönhausen l In der Halle stehen die schweren Extrudermaschinen immer noch auf den Paletten. Doch hatte all die Mühe nichts genutzt: Das Wasser stieg anderthalb Meter hoch, an den Wänden ist das noch immer zu sehen. "Noch höher hatte die Flut auf der anderen Straßenseite gestanden, hier waren es sogar bis zu 2,20 Meter", berichtete Geschäftsführer Aribert Meißner. Ein Hallentor ragte dort nur noch wenige Zentimeter aus dem Wasser...

Der Arbeitskreis Finanzen und Infrastruktur der SPD-Landtagsfraktion war gestern zu Gast im Elbe-Havel-Land, um sich über die Regulierung der Flutfolgen zu informieren. Aribert Meißner ist mit dem Prozedere ganz und gar nicht zufrieden: Zugesagt wurden nach der Flut eine komplette Erstattung der Gebäudeschäden sowie eine 80-prozentige Förderung der Schäden an Maschinen und Anlagen. Doch von der Europäischen Union wurden letztendlich nur 70 Prozent für alles bewilligt. Und das auch erst Mitte Dezember, sieben Monate nach dem Deichbruch! "Eine schnelle und unbürokratische Hilfe sieht für mich anders aus", schimpfte der Unternehmer.

Ohne Geldzusage gab es auch keine Aufträge

Zudem geriet durch die geringere Förderung sein Finanzierungskonzept komplett aus dem Lot. Die ursprünglichen 20 Prozent hätte er mit einem Kredit über 1,3 Millionen Euro gerade noch deckeln können, doch ist sein Eigenanteil nunmehr doppelt so hoch.

Weil ihm bislang die Hände gebunden waren - ohne Fördermittelzusage konnte und wollte er keine Aufträge auslösen -, hat er nun auch Probleme mit dem Frost. Die Gasheizungen kann er nicht nutzen, denn deren Tanks müssen nach der Flut erst noch geprüft werden. Die ersten Heizungen sind bereits kaputtgefroren. "Was das Wasser nicht geschafft hat, zerstört nun der Frost", ärgert sich der Geschäftsführer. Strom hat seine Firma erst seit Weihnachten, Elektroheizungen halten nun Hallen und Büros notdürftig warm.

Mit der Soforthilfe von 100000 Euro ließ er einen neuen Transformator auf dem Betriebsgelände errichten, dadurch bekommt er den Strom billiger - denn der Verbrauch bei der Plastverarbeitung ist enorm. Doch bis seine Firma wieder produzieren kann, dauert es noch. Die fünf Extruder - jeder um eine Million Euro teuer - hat er Mitte Januar endlich bestellen können. - Lieferzeit: vier Monate.

Seine neun Angestellten sind noch immer auf Kurzarbeit Null. Deren Sozialbeiträge muss die Firma dennoch bezahlen. Froh ist der Chef, dass ihm die Angestellten auch ohne Bezahlung helfen, so haben sie schon den neuen provisorischen Büroraum gemalert und halfen beim Aufräumen. Jetzt beim Frost kommt man erst an manche Stellen heran, auf denen noch immer das Granulat liegt, eine örtliche Firma hilft beim Transport mit ihrem Gabelstapler. 150 Tonnen Kunststoff waren mit der Flut verteilt worden. Zumeist ist es Polyethylen, der Kunststoff ist für Tiere aber ungefährlich.

Die Schönhauser Firma stellt bis zu sechs Meter lange Wickelhülsen für Teppiche, Tuche oder Folien her. Bis zu 80 Prozent gehen in den Export, das Gros nach Skandinavien. Bislang hielten die Kunden der Firma wegen der guten Qualität die Treue, ist Aribert Meißner nach vielen Telefonaten froh. Bei der Produktion kleinerer Teile hilft solange dankenswerterweise die Firma Velten in Sandau aus.

Im Vorjahr sollte eigentlich das 60-jährige Bestehen der Firma gefeiert werden, das fiel buchstäblich ins Wasser. Doch will Aribert Meißner die Feier nachholen, wenn endlich alles überstanden ist. Mit im Plan ist eine neue 54 Meter lange Halle, die parallel zur Bundesstraße entstehen wird. Sämtliche Gebäude auf der anderen Straßenseite werden hingegen abgerissen.

Klietzer Bowlingbahn ist wieder hergerichtet

"Wir sind hier hergekommen, weil auch uns nicht alles gefällt", erklärte Landtagsmitglied Ralf Bergmann dem Unternehmer. Weil alles so lange dauere, würden die Bürger das Vertrauen in die Politik verlieren. In einigen Punkten könne zwar Abhilfe geschaffen werden, machte Arbeitskreis-Leiterin Krimhild Niestädt deutlich, doch könne das Land allein die Situation nicht ändern. Die Fördermittelzusage habe auch so lange gedauert, weil das europäische Parlament den ersten Haushaltsvorschlag abgelehnt hatte.

Nächste Station des Arbeitskreises war das Landguthotel in Klietz. Die Bowlingbahn hatte bei der Flut komplett unter Wasser gestanden, der Schaden ist inzwischen behoben, berichtete Hotelier Maik Kleinod. In der kommenden Woche kommt ein Planungsbüro, um die Folgeschäden am Saal aufzunehmen. Dort ist es am Toilettenanbau zu einer Setzung gekommen. Auch die Außenanlagen samt Tiergehege sind noch herzustellen.

Gravierender war für ihn der Ertragsausfall. Touristen blieben während der Flut mitten in der Hauptsaison aus. Und bis Mitte Oktober war Klietz wegen der gesperrten Brücke nur über Umwege erreichbar. Dennoch habe er keinen seiner Angestellen entlassen, auch jetzt über den Winter nicht, ist der Hotelier stolz.