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Archäologische Rettungsgrabung auf der Deichtrasse bei Jederitz förderte viele Zeitzeugen ans Tageslicht Gefäß aus der Jungsteinzeit entdeckt

09.05.2014, 01:12

Wenn beim Landesbetrieb für Hochwasserschutz (LHW) große Bauarbeiten anstehen, sind vorab die Archäologen gefragt. In Jederitz hatten sie jetzt sogar Erfolg.

Von Ingo Freihorst

Jederitz l Um Jederitz soll der Polderdeich zurückverlegt werden, der Landesbetrieb LHW will dadurch bei Extremfluten mehr Retentionsflächen fürs Hochwasser gewinnen. Bevor die Bauarbeiter anrücken, kommen beim LHW jedoch schon seit Jahren die Archäologen zum Zuge.

Im Vorjahr hatte es erste Suchschachtungen an verschiedenen Stellen der künftigen Deichtrasse gegeben. Im Nordbereich wurden die Archäologen dann fündig, ein Begräbnisplatz kam unter anderem zum Vorschein.

"Früher muss sich an dieser Stelle eine Düne befunden haben", erklärte Grabungsleiter Stephan Möllmann vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie, der auch Geologie studiert hat. Das bedeutete, dass die hier Lebenden einigermaßen vor Hochwasser geschützt waren. Anhand der vielen Zeitzeugen, die er und seine sechs Mitarbeiter mühsam ans Tageslicht befördern, erkennen sie, dass es ein Siedlungsplatz über einen langen Zeitraum war.

Die ältesten Stücke fanden sich im Nordbereich: eine im Schaftloch gebrochene Steinaxt und ein Gefäß aus der Jungsteinzeit (3000 bis 2000 Jahre vor Christus). Es war sogar damals versucht worden, die Axt zu reparieren, Ansätze für ein zweites Bohrloch sind zu erkennen. Ein neues Werkzeug war schließlich nur mühsam anzufertigen, mal schnell eins kaufen war da noch nicht. - Die einstigen Jäger und Sammler waren zu jener Zeit gerade erst sesshaft geworden.

Am besten erhalten ist eine Urne, welche die Nummer 106 bekam, sie ist nur gering beschädigt. Sie stammt aus der späten Bronzezeit, also zwischen 1000 bis 800 Jahre vor Christus. "Das Gefäß ist untypisch für diese Region, es stammt wohl aus der Lausitz", erklärte Stephan Möllmann. Vielleicht war es eine Hochzeitsbeigabe für eine Braut, auf jeden Fall aber zeigt es Beziehungen zu jener Region auf.

Es blieb seiner Besitzerin treu bis in den Tod: Zuletzt wurde es zu deren Bestattung genutzt. Die Toten wurden damals auf Scheiterhaufen verbrannt, ihre Asche kam in die Urne. Grabbeigaben wurden auf dem uralten Begräbnisplatz auf dem Acker nahe Jederitz allerdings nicht entdeckt. Überhaupt gab es etliche Gefäße, von denen nur noch Bruchstücke zeugten.

Viele Zeitzeugen wurden beim Pflügen zerstört

Ein dunkler Strich im hellen Sande bewies: hier hatte ein Pflug die schlummernden Zeitzeugen zerstört. Diese Urne war zugleich das einzige verzierte Gefäß, was bislang gefunden wurde. Insgesamt wurden derer etwa 30 ausgegraben: Terrinen, Töpfe, Schalen - Gebrauchsgegenstände oder feines Festgeschirr. Auch ein kleineres Gefäß fand sich im Gräberfeld, wahrscheinlich wurde hier ein Kind bestattet.

Gearbeitet wird mit Maurerkelle und Pinsel, um ja nichts zu beschädigen. Jedes Fundstück wird nach der Freilegung eingemessen, fotografiert - was nur bei bedecktem Himmel erfolgen kann, anschließend beschrieben und gezeichnet. Und danach in Folie gewickelt und eingegipst.

Im Landesamt in Halle werden die Funde gewaschen, in einer Datenbank erfasst und dreidimensional eingemessen, auch der Grabungsbericht ist zu schreiben, informierte Projektleiterin Judith Blödorn dort auf Nachfrage. Dann folgen bei Forschungsgrabungen weitere Feinarbeiten: das Innenleben wird aus den Gefäßen genommen und untersucht. Anhand der knöchernen Überreste in den Leichenbränden - so es sie denn gibt - erkennen die Experten, ob es Männer, Frauen oder Kinder waren. Da es sich in Jederitz aber um eine Rettungsgrabung handelte, die der Bauherr bezahlen muss, ist eine solche teure Auswertung im Anschluss nicht möglich - es sei denn, ein Doktorand nimmt sich freiwillig dieser aufwendigen Sache an.

Menschen siedelten einst vorwiegend an Flüssen

Freigelegt hatte die Grabungsfläche ein Bagger, dessen Fahrer mit zum Team gehört. An den Verfärbungen im Boden erkennen die Fachleute, wo sie suchen müssen. Gesiedelt wurde damals vorwiegend an Flüssen, sie waren für die Menschen Lebens- und Transportadern. Das wurde manchmal aber auch ihr Verhängnis, weshalb nach schlimmen Fluten so manche Wohnstätten wieder verlassen wurden - wie auch hier geschehen.