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Heimatforscher Wolfram Bleis aus der brandenburgischen Kreisstadt referiert auf den Havelhöfen über den Verlauf alter Elbarme Garz und sogar Rathenow lagen einst an der Elbe

Von Ingo Freihorst 19.12.2014, 02:10

Dass die Elbe in vergangenen Jahrhunderten mitunter andere Flussbetten hatte, erfuhren Heimatfreunde bei einem Vortrag auf den Garzer Havelhöfen.

Garz l Das komplette Elb-Havel-Land hatte sich in längst vergangenen Zeiten sogar einmal westlich des Hauptstromes der Elbe befunden - da floss diese nämlich dicht an Rathenow vorbei, im jetzigen Havelbett. Der Rathenower Wolfram Bleis hatte sich als Heimatfreund - er ist zugleich Vorsitzender des dortigen Heimatbundes - ausgiebig mit diesem Thema beschäftigt. Als Bauforscher hatte er auch beruflich mit der Romanik zu tun, weshalb ihn diese Zeit interessierte. Kürzlich informierte er bei einem Vortrag auf den Garzer Havelhöfen zum Thema.

Er kritisierte, dass in Standardwerken übers Mittelalter oftmals der heutige Verlauf der Elbe in Zeichnungen dargestellt wird - doch war dem gar nicht so. Immerhin 70 Kilometer liegen zwischen Ost- und West-Altarmen des Flusses. Auch Garz lag mal im Westelbien. Die Elbe bildete über Jahrhunderte die Grenze zwischen Völkern und Religionen.

Oft gab es gar keinen Hauptarm, sondern viele vernetzte Nebenarme. Wetterextreme - also Fluten oder Dürreperioden - ließen das Wasser anschließend oft einen anderen Verlauf nehmen - Deiche zur Regulierung hatte es damals noch nicht gegeben. Um zu ergründen, wann der Fluss welchen Verlauf hatte, hatte Wolfram Bleis viele historische Dokumente und Quellen gesichtet. So gab es im 19. Jahrhundert bereits Untersuchungen zu den Altarmen. Den Rathenower interessierte aber auch die Klimageschichte. Luftbilder waren bei der Forschung ebenfalls hilfreich.

Vor allem Nachrichten über Burgen gaben Hinweise auf den Elbverlauf im 11. und 12. Jahrhundert. Die Burgen wurden am Fluss errichtet, wechselte dieser seinen Lauf, war die Existenz des Bauwerks in Frage gestellt.

So erwähnte der Chronist Thietmar von Merseburg für das Jahr 1012 die Burgen Tangermünde, Arneburg und Wolmirstedt. In Arneburg hatte König Heinrich II. mit den im Elb-Havel-Land ansässigen Slawen verhandelt. Doch wird Arneburg ab 1025 immerhin 150 Jahre lang nicht mehr erwähnt, Tangermünde etwa 100 Jahre. Die Ottersburg bei Windberge wird sogar aufgegeben. Der Grund könnte gewesen sein, dass die Elbe damals durch den südlichen Elb-Havel-Winkel floss - an Genthin und Schmetzdorf vorbei in Richtung Rathenow.

Wetterextreme gab es in jener Zeit durchaus: 1013 waren Überschwemmungen in Sachsen, ebenso im Juli 1020. Zwei Jahre später folgte eine gewaltige Dürre, trocken war es auch von 1026 bis 1028, ein heißer Sommer folgte 1030. Für eine Laufänderung in 1022 spricht, dass im Jahre 1025 das Areal der Burg Arneburg für eine Klostergründung verschenkt wurde - offenbar war diese ohne den Fluss wertlos geworden.

War Pritzerbe Pritzlava?

Der geänderte Elbverlauf würde auch ein anderes Licht auf eine Schlacht werfen, welche am 10. September 1056 stattgefunden hatte: Die Burg Pritzlava, in deren Nähe sich das Ereignis zugetragen hatte, wurde an der aktuellen Havelmündung nie gefunden. Beim geänderten Flussverlauf würde die Havel bei Pritzerbe in die Elbe münden - diese ist als slawischer Burgstandort bekannt. Bei der Bistumsgründung von Havelberg und Brandenburg hatte sich wohl auch hier deren Grenze befunden.

Sehr große Überschwemmungen werden im Jahre 1059 in Sachsen erwähnt - möglich, dass die Elbe dabei wieder ins alte Flusstal zurückfand. Damals wurden Burgen in Klietz und Kabelitz gegründet - ein Hinweis, dass die Elbe hier entlang geflossen war. 1170 folgte eine Extremflut, womöglich floss die Elbe danach durch die Wische - wie zuletzt beim Deichbruch im Jahre 1909.

Sandau hatte damals übrigens Marktrecht, Havelberg musste dem aber zustimmen. Sollte die Elbestadt als Hafen dienen, falls Havelberg durch Hochwasser abgeschnitten war?