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Schollenes Bürgermeister Armin Wernicke über knappe Finanzen und das Engagement der Dorfbewohner Wie soll man von Nichts Rücklagen bilden?

25.02.2015, 01:27

Welchen Herausforderungen müssen sich die Gemeinden im Elbe-Havel-Land 2015 stellen? Anke Schleusner-Reinfeldt spricht mit den Bürgermeistern, heute Armin Wernicke aus Schollene.

Volksstimme: Sie sind seit sieben Jahren Bürgermeister in Schollene. Können die Schollener Ihnen am 19. April wieder ihre Stimme geben?

Armin Wernicke: Bis dahin ist ja noch etwas Zeit - die werde ich nutzen, um meine Entscheidung zu treffen.

2014 war kein freudiges Jahr für die Seegemeinde, denn die Schule wurde trotz großen Engagements der Dorfbewohner geschlossen. Welche bessere Lösung hätte der Rat der Verbandsgemeinde finden können?

Ja, so ist es: Die Schollener Grundschule ist Geschichte, ein schwerer Schlag für die Infrastruktur unseres Ortes. Es ist aber vertane Zeit, sich damit rückwirkend zu beschäftigen, was nicht heißt, dass der Vorgang vergessen ist. Aktuell beschäftigen uns die Auswirkungen dieser Entscheidung deutlich mehr. Es ist kein Geheimnis, dass der Schülertransport nun doch nicht so kostenneutral ist wie stets beteuert. Aber die Kosten so einfach mit der Kreisumlage auf die Bürgerinnen und Bürger umzulegen, ist auch nicht gerade begrüßenswert. Für die Schollener ist das fast so, als müssten sie nun auch noch den Knüppel bezahlen, der für die Zerschlagung der Schule gebraucht wurde. Hier möchte ich dazu ermuntern, konsequent das Verursacherprinzip anzuwenden. Das Land sollte mit Nachdruck aufgefordert werden, die durch seine Veranlassung entstandenen Mehrkosten zu übernehmen oder die belastende Rechtsnorm aufzuheben. Übrigens kann man auch eigene Entscheidungen korrigieren, wenn diese das Ziel zu verfehlen drohen.

Immer wieder werden Stimmen laut, dass sich die Schollener schlecht von der Verbandsgemeinde vertreten fühlen und hintenan gestellt werden. Haben Sie diesen Eindruck nach fünf Jahren Verbandsgemeinde auch?

Ja, solche Stimmen hört man häufiger. Was will man auch erwarten nach den ganzen Diskussionen um Schule, Hort und Kindergarten, die hinter uns liegen? Da wurden Gräben aufgerissen, die keiner so schnell wieder zuschüttet. Da hinein spielt sicher auch, dass der Wechsel von den Verwaltungsgemeinschaften zu den Verbandsgemeinden einen herben Verlust an kommunaler und finanzieller Selbstbestimmung für die Gemeinden mit sich brachte. Und das sehen wohl nicht nur die Schollener so.

"Mit guter Infrastruktur und regem Vereinsleben ist Schollene attraktiv für junge Familien."

In den vergangenen Jahren gab es Zuwachs bei der jüngeren Bevölkerung - junge Familien sind hier sesshaft geworden. Was macht den Ort interessant für junge Leute?

Die Gemeinde Schollene konnte schon immer einen recht hohen Anteil an jungen Leuten vorzeigen. Wenn auch die ältere Generation derzeit zahlenmäßig überwiegt, so sind die folgenden Generationen doch durchgängig vorhanden. Was ich damit sagen will: Die Gemeinde ist nicht ausgealtert. Daneben sorgen unsere Vereine, die auch von den Interessenlagen breit aufgestellt sind, für ein attraktives dörfliches Leben. Weiterhin sichert eine gute Infrastruktur die Lebensqualität in den Orten. Und nicht zuletzt finden sich im Umfeld auch Arbeitsmöglichkeiten. Für mich ist es sehr wichtig, dass sich auch junge Leute finden, die bereit sind, politische Verantwortung zu übernehmen. Wie man am Schollener Gemeinderat sieht, ist das so.

"Ich hoffe, dass die Kindergartenkinder bald in ihr neues Domizil umziehen können."

Der Umbau der Grundschule zum Kindergarten sollte eigentlich schon gleich in den Sommerferien beginnen. Nun sind schon die nächsten Winterferien um und es rührt sich immer noch nichts? Wie dringlich ist der Umzug der "Waldzwerge" aus dem Haus am Waldrand in das neue Gebäude in der Dorfmitte?

Der erste Teil Ihrer Frage deckt sich mit meiner Wahrnehmung. Zum zweiten Teil ist zu sagen, dass der alte Kindergarten dort am Waldrand vielen ans Herz gewachsen ist, sie waren als Kinder dort selber zu Gast. Übrigens auch ich. Aber wie meine Generation ist auch der Kindergarten in die Jahre gekommen. Vieles entspricht nicht mehr einem zeitgemäßen Standard und ein Umbau würde wohl einem Neubau gleich kommen. Den Vorschlag der Verbandsgemeinde, stattdessen einen Teil der nicht mehr benötigten Schule herzurichten, finde ich gut und ich hoffe sehr, dass unsere Kinder bald von ihrem modernen Kindergarten Besitz ergreifen können.

Die private Schulküche schafft das Überleben auch ohne die Schulkinder?

Da fragen Sie besser Frau Henschke. Allerdings gehört wohl nicht viel unternehmerischer Sachverstand dazu, um festzustellen, dass für eine Schulküche die Schließung der Schule eine Existenzfrage nach sich zieht.

Wie sieht es mit der Turn- und Mehrzweckhalle aus, für die es ja nun auch anteilmäßig kein Geld mehr für die Nutzung durch die Schüler gibt -, kann die Gemeinde die Bewirtschaftungskosten alleine tragen?

Das Thema ist mit den Nutzern abgesprochen, es wird aber noch weitere Gespräche geben und parallel wird sich der Gemeinderat dazu positionieren. Der Sportverein Blau-Weiß Schollene ist erfreulicherweise bei der Unterhaltung der durch ihn genutzten Sportanlagen sehr aktiv. Damit entlastet er die Gemeinde auch finanziell. Ich bin sicher, hier bestehen gute Ansätze für sinnvolle Lösungen.

Was ist mit der Mühlenberg-Brauerei, die ja der Gemeinde gehört? Es war letztes Jahr im Gespräch, dass es einen Interessenten gibt?

Sie ist nach wie vor geschlossen und es gibt auch noch keine abschließenden Entscheidungen.

Die Schollener Gemeindekasse ist leer und es gibt ein Konzept, wie der Haushalt bis zum Jahr 2020 ausgeglichen werden soll. Ist das in Anbetracht der geringer werdenden Zuweisungen und steigenden Umlagen an Kreis und Verbandsgemeinde überhaupt möglich?

Die Schollener Gemeindekasse ist weitgehend fremdbestimmt. Das funktioniert einfach gesagt so: Die Gemeinde hat eigene Einnahmen. Dazu gibt das Land eine Zuweisung nach eigenen Regeln. Das alles kommt in einen Topf, aus dem vorrangig die Pflichtaufgaben bedient werden müssen. Dazu zählt die Überlassung einer Umlage an die Verbandsgemeinde und an den Landkreis. Beide entscheiden in eigener Zuständigkeit über die Höhe dieser Umlage. Was dann noch im Topf ist, steht für gemeindliche Aufgaben zur Verfügung, auch nach der Regel "Pflicht vor Kür". Ist es ein gutes Jahr, sind die Eigenmittel noch da und vielleicht etwas mehr. Wir hatten aber auch schon einige schlechte Jahre. Und für dieses Jahr haben Sie leider Recht: Die Zuweisungen sinken, die Umlagen steigen, die Eigenmittel bleiben einigermaßen stabil. Also insgesamt keine guten Aussichten. Aber erst nach Vorliegen der konkreten Zahlen kann Genaues gesagt beziehungsweise die Haushaltssatzung aufgestellt werden. Dennoch werden wir uns weiterhin an unserem Konsolidierungskonzept orientieren.

Welche Einnahmequellen hat die Gemeinde?

Das sind die Steuern, welche das Gemeindeorgan per Satzung bestimmen kann und die unsere Bürger und Gewerbetreibenden dann zahlen, und Gebühren für eigene Leistungen - insofern noch einer da ist, der Leistungen erbringen kann. Hier gehören aber auch Gebühren für die Nutzung gemeindlicher Einrichtungen her. Das war´s dann auch schon mit den eigenen Einnahmen.

Gibt es etwas, was dringend neu angeschafft werden oder repariert werden müsste, wofür aber das Geld fehlt?

Da steht so einiges auf der Warteliste. Gerade auf dem baulichen Sektor leben wir von der Substanz. Grundhafte Aktivitäten sind nur möglich, wenn Fördermittel dafür eingeworben werden können. Zukünftig, mit dem neuen doppischen Haushaltssystem, sollen ja Rücklagen gebildet werden, um die baulichen Anlagen langfristig in einem gebrauchsfähigen Zustand zu halten. Der Ansatz ist durchaus richtig und sinnvoll, aber ich bin mal gespannt, wie das in der Praxis aussehen soll, von Nichts Rücklagen bilden. Dennoch denke ich aber, dass wir in den letzten Jahren ordentlich Fördermittel eingeworben und damit einiges auf den Weg gebracht haben.

"Eine erfreuliche Entwicklung: Bürger engagieren sich für ihren Ort. Vielen Dank dafür!"

Das Engagement der Schollener, sich für ihr Dorf stark zu machen, ist beachtlich. Da werden von den Vereinen nicht nur Feste auf die Beine gestellt, sondern es gibt auch Arbeitseinsätze. Sicher sind Sie stolz darauf...

Ja, das kann man wohl sagen. In Schollene und den Ortsteilen wird über die Vereinsebene sehr viel bewegt. Aber auch einzelne Bürger bringen sich kräftig ein. Insgesamt eine sehr erfreuliche Entwicklung! Ein Ort lebt durch seine Bürger. In den letzten Jahren hat sich auch ein zunehmendes Engagement für die Anlagen im Grünbereich entwickelt. Ich halte es für wichtig und richtig, dass die Bürger Einfluss auf die Gestaltung des Ortes nehmen. Vereine spielen hier für die Bildung und Bündelung von Meinungen eine wichtige Rolle. Ich möchte dann auch gern die Gelegenheit nutzen, den Bürgerinnen und Bürgern im Ehrenamt für ihr Mitwirken ein Dankeschön zu übermitteln.

In wenigen Wochen wird die Buga eröffnet. Warum sollten die von Rathenow kommenden und nach Havelberg fahrenden Besucher in Schollene anhalten?

Ich sag´s mal anders herum: In den letzten Jahren ist ein stetiges Zunehmen des touristischen Besucherverkehrs in der Gemeinde zu beobachten. Wir haben ein landschaftlich attraktives Umfeld zu bieten, was von den Besuchern sehr gern angenommen wird. Dazu kommen sinnvolle Versorgungsangebote in den Ortschaften. Unsere Bürger haben diesen Trend wahrgenommen und entwickeln eigene Angebote, um in die Wertschöpfungskette dieser Entwicklung zu kommen. Das lief anfangs etwas zögerlich, aber jetzt mache ich mir da keine Sorgen mehr. Also, die Besucher haben die Gemeinde Schollene bereits entdeckt. Und im Buga-Jahr werden es eher mehr werden.

Die lange geforderten Radwege sind nun wohl auch dank der Buga endlich gebaut. Welche Bauvorhaben sind in der Gemeinde auch in den kommenden Jahren nötig, um die Lebensqualität der Dorfbewohner zu steigern?

Na ja, ganz fertig gebaut ist der Havelradweg noch nicht. Aktuell laufen ja noch die Bauarbeiten am letzten Abschnitt. Das ist der Weg von der ehemaligen Molkenberger Stallanlage durch den Polder Warnau bis zum Anschluss an den bereits fertiggestellten Radweg bei Warnau. Wir sind also auf der Zielgeraden. Was die Zukunft betrifft, ist wohl jedem klar, dass die Bereitschaft, Fördermittel in unsere Region zu geben, nicht mehr in diesem Umfang gegeben sein wird. Dennoch müssen wir langfristig am Erhalt der Verkehrsinfrastruktur arbeiten. Im Straßenbereich sehe ich einen zukünftigen Schwerpunkt. Da gibt es viele Baustellen im Gemeindebereich und ständiges Löcherflicken frisst das Geld für die notwendige Erneuerung.

Am Bestand des Jugendklubs wird nicht gerüttelt?

Der Jugendklub ist seit vielen Jahren eine sehr wichtige Institution im Ort. Uns ist das Angebot an unsere Jugendlichen sehr wichtig. Der Gemeinderat hat erst kürzlich der Verlängerung des Vertrages mit dem Förderverein des Jugendzentrums "Elb-Havel-Winkel" zugestimmt. Das aber auch, weil der Verein und der Betreuer Herr Schmidt eine sehr gute und zuverlässige Arbeit leisten. So wirkt der Jugendklub auch bei den Aktivitäten der Vereine und der Kommune mit. Keiner möchte den Klub missen.

Was ist mit dem Heuheizwerk, von dem mal die Rede war?

Das ist aktuell kein Thema. Es gab zwischenzeitlich auch Nachfragen von Leuten, die ähnliche Interessen haben. Wir geben unsere Erfahrungen mit dem Projekt natürlich auch gern weiter.

Der Heimatverein beklagt, dass es nun schon seit so langer Zeit kein Wasser in der Museumsscheune gibt. Wann wird das Problem behoben?

Dazu liegt jetzt ein Leistungsverzeichnis vor und der Gemeinderat befasst sich mit der finanziellen Sicherstellung. Das ist notwendig, weil die Kosten sich gegenüber der ersten Schätzung erhöht haben und noch kein Haushalt vorliegt. Die Maßnahme ist also auf dem Weg.

"Über die neue Straße durch Molkenberg freuen sich Kraftfahrer und Anlieger."

Was rührt sich in den Ortsteilen? Die Molkenberger freuen sich sicher über die neu ausgebaute Ortsdurchfahrt?

Nicht nur die Molkenberger. Auch alle, die regelmäßig diesen Verkehrsweg nutzen, sind der Straßenbaubehörde des Landes dankbar für den Neubau. Die neue Straße wertet das Ortsbild deutlich auf. Und wie mir Anwohner bestätigten, ist der Verkehrslärm spürbar geringer. Also insgesamt mehr Lebensqualität für die Molkenberger. Für mich ist es schade, dass die Gemeinde die Nebenanlagen nicht mitziehen konnte. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass die Nebenanlagen auch Erschließungskosten generiert hätten, kann wohl jeder Anlieger mit dem gefundenen Kompromiss erst mal leben.

Als Mitarbeiter des Biosphärenreservats Mittelelbe sind Sie persönlich in die Buga involviert - worauf freuen Sie sich?

Die Volksstimme berichtete ja schon öfters darüber, dass die Biosphärenreservatsverwaltung Mittelelbe in Havelberg das "Haus der Flüsse" errichtet. Dafür wurde mir die Projektleitung übertragen und der Job macht auch Freude. Der Höhepunkt wird natürlich der Start des Hauses in wenigen Wochen in die Buga-Saison. Es wird schon spannend, wie die Besucher das Objekt annehmen. Für die Projektmitarbeiter bleibt dann noch die wohl weniger attraktive Aufgabe der Mittelabrechnung und der Dokumentation. Und natürlich habe ich auch vor, das Blaue Band der Buga zu bereisen.