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Fischbecker Bürgermeister übt sich in Geduld beim Wiederaufbau und bittet auch die Bevölkerung darum Bodo Ladwig: "Alles auf einmal geht leider nicht"

03.03.2015, 01:26

Welchen Herausforderungen müssen sich die Gemeinden im Elbe-Havel-Land im Jahr 2015 stellen? Anke Schleusner-Reinfeldt spricht mit den Bürgermeistern, heute mit Bodo Ladwig aus Fischbeck.

Volksstimme: Bis zum zweiten Jahrestag des Deichbruches sind es nur noch drei Monate. Bei den Dorfbewohnern werden wie jetzt gerade beim Sport- und Spielplatz immer wieder Stimmen laut, dass erst sehr wenig passiert ist. Wie sehen Sie das?

Bodo Ladwig: Etwas anders! Wir haben schon einiges geschafft. Das große Projekt Dorfgemeinschaftshaus samt Feuerwehr in Kabelitz ist fertig, die Straßen, die von Kabelitz nach Fischbeck und zur B188 führen, ebenfalls, die kommunalen Wohnungen und das Feuerwehr-Gerätehaus in Wust sind saniert. In Fischbeck hat die Erneuerung der Keller im Mühlenweg begonnen, ebenso das Entkernen des Hauses der Vereine, im Bürgerhaus nebenan geht es in wenigen Tagen weiter. Der Landkreis hat mit der Kabelitzer Straße begonnen. Alles auf einmal geht bei der Vielzahl der kommunalen Maßnahmen leider nicht, die Antragswege sind nun mal lang. Natürlich würden wir uns alle wünschen, dass schon wieder mehr geheilt wäre, aber wir müssen geduldig sein.

In etlichen privaten Häusern sind auch noch nicht alle Dinge saniert. Natürlich will jeder, dass die Dinge, die ihn betreffen, möglichst schnell wieder verfügbar sind. Aber es gibt Prioritäten. So wichtig mir die Fischbecker Kinder sind - der Spielplatz gehört im Moment noch nicht dazu. Aber auch er wird, wenn denn die Genehmigung vom Landesverwaltungsamt vorliegt, in Angriff genommen.

Gibt es dennoch etwas, was auch Ihnen zu schleppend voran geht?

Dass es mit dem Neubau des Gerätehauses der Fischbecker Feuerwehr so lange dauert, hatte verschiedene Gründe. Das gefällt niemandem. Aber wir haben das feste Ziel, dass die Feuerwehr bis Jahresende drin ist. Dass sich im Wuster Park noch gar nichts gerührt hat, ist bedauerlich - nicht nur wegen der Sommerschüler, die zum dritten Mal den Park nicht nutzen können. Es gibt auch Dinge, die man nicht vorhersehen kann. Beim Haus der Vereine beispielsweise. Es sah ja gar nicht mehr so schlimm aus und es wurden schon Stimmen laut, warum die Fußbodenfliesen überhaupt raus müssen. Warum - das haben wir beim Aufstemmen gesehen: Alles nass und vermodert und verschimmelt! Wir werden bis Ende 2016 nie und nimmer mit allem fertig sein - das ist nicht zu schaffen. Und das müssen wir der Landesregierung auch klipp und klar deutlich machen: Wir brauchen unbedingt eine Fristverlängerung.

Was sollte Ihrer Meinung nach umgehend in Angriff genommen werden?

Die Breite Straße in Wust ist wichtig, außerdem der Park, der zumindest erst einmal begehbar gemacht werden muss. Die Erneuerung der Kabelitzer Straße erfolgt ja zum Glück schon und sie soll laut Aussage des Landkreises bis Juni fertig sein. Die Straßen durch die Ovelgünne müssen dann auch bald dran kommen.

Im Bürgerhaus beginnt jetzt die Entkernung und dann die Sanierung. Wann etwa wird der Jugendklub wieder öffnen?

Das werden wir sehen. Wir haben mit dem Jugendklub Pläne, aber erst einmal muss die Sanierung abgeschlossen werden.

In dem Gebäude entsteht dann auch das Rinderzuchtmuseum?

Besser gesagt ein Heimatmuseum. Die richtige Bezeichnung muss noch gefunden werden. Klaus Wittmüß ist da sehr engagiert und er kümmert sich darum. Die Dinge, die wir aus dem alten Museum behalten konnten, sind gesichert und sollen dann wieder ausgestellt werden.

"Alles mögliche wird vom Land gefördert, nur das Personal nicht."

Wird hier in einer Ausstellung auch an die Ereignisse der Flut gedacht?

In dem Haus nicht. Mir schwebt da eher der Raum im Haus der Vereine vor, den vor der Flut der Jugendklub für das Tischtennisspielen genutzt hatte, während der Flut war hier der Waschsalon eingerichtet. Der ist groß genug und zentral gelegen. Hier werden auch die Dinge ausgestellt, die schon einmal bei einer Ausstellung im Stendaler Theater der Altmark zu sehen waren. Es sind Dinge, die die Menschen aus der Region gegeben haben. Dazu gehört auch das Paddel, mit dem die Fischbecker Feuerwehr per Boot aus Tangermünde rüber nach Fischbeck gekommen war. Gesichert haben wir übrigens auch einen Stein, der den Wasserstand beim Deichbruch 1845 zeigt. Friedrich-Wilhelm Mewes wusste, wo etwa er liegt. Bei den Deichbauarbeiten wurde er geborgen und der LHW hat ihn bei sich abgelegt. Er wird zurück an die alte Stelle kommen und dann auch neu eingemessen. Das und auch die Ausstellung werden umgesetzt, wenn wir wieder etwas Luft haben, es gibt vorerst wichtigere Dinge.

Durch die Verbandsgemeinde fühlen Sie sich mit ihrer Gemeinde gut betreut oder machen sich die hier bestehenden Personalprobleme bemerkbar?

Ich bin eigentlich zufrieden. Die Personalprobleme sind schon spürbar. Deshalb müssen wir, wie zuletzt im Verbandsrat besprochen, auch unbedingt neben der Fristverlängerung über die Finanzierung des zusätzlichen Personals mit der Landesregierung reden. Alles mögliche wird gefördert - aber das Personal, das sich um die Abarbeitung der Wiederaufbaumaßnahmen kümmert, nicht? - Das passt nicht! Wir haben ohnehin zu knappsen, zusätzliche Kosten können wir uns doch gar nicht leisten.

Zeigt die Landesregierung noch immer so großes Interesse an Fischbeck wie gleich nach der Katastrophe oder hat man das Gefühl, vergessen zu werden?

Das kann man so nicht sagen. Natürlich kann nicht jeden Tag jemand von der Landesregierung vor Ort sein. Wir müssen uns aber immer wieder in Erinnerung bringen und mitteilen, wo der Schuh drückt. Anfangs hatten wir gedacht, dass in zwei Jahren alles geheilt ist - das war eine Illusion! Allerdings sieht man beim flüchtigen Hinsehen kaum mehr etwas, das an die Katastrophe erinnert.

Haben Sie in Fischbeck, Kabelitz oder Wust von Gebäuden gehört, bei denen jetzt erst Spätfolgen aufgetreten sind und bei denen der Abriss droht?

Es gibt schon noch ein paar Gebäude, bei denen die Setzungsrisse immer größer werden. Die Feuchtigkeit ist immer noch sehr groß und führt in manchen sanierten Häusern erneut zu Schimmelbildung. Gut, dass wir die Schäden im Wuster Jugendklub, der eigentlich gar nicht im Wasser gestanden hatte, auch noch erkannt haben.

Alle müssen wachsam sein. Denn im Sommer endet die Frist für die Antragstellung auf Wiederaufbaumittel.

Der Deichbau geht auch jetzt im Winter, wo man eigentlich eine längere Baupause befürchtet hatte, zügig voran...

Ja, dafür kann man sich beim LHW und dem bauausführenden Betrieb Ost-Bau nur bedanken. Es ist ein gutes Gefühl, diese Großbaustelle zu sehen. Bald haben wir hier einen wirklich sicheren Deich. Wie weit genau der Bau vorangeschritten ist, weiß ich allerdings nicht - ich hoffe, dass es bald wieder eine Beratung dazu gibt.

Wird es am zweiten Jahrestag der Katastrophe eine Veranstaltung in Fischbeck geben?

Da ist nichts geplant. Wir können auch nicht jedes Jahr groß feiern, das ist viel zu teuer und organisatorisch aufwendig. Wenn wir irgendwann mit allem fertig sind, dann können wir noch einmal eine große Party machen um zu zeigen, wie schön unsere Gemeinde wieder geworden ist.

Vor gut einem Jahr sind die fünf zusätzlichen Windräder installiert worden. Sie sind sehr groß und stehen sehr dicht an Fischbeck und Kabelitz?

Sie sind entsprechend der Pläne gebaut worden. Sie sind schon monströs und auch ich höre sie, wenn ich im Garten bin. Finanziell profitiert die Gemeinde allerdings auch davon. Und dieses Geld brauchen wir. Denn neben den Flutschäden gibt es auch noch andere Dinge, die wir erledigen müssen.

Die da wären?

Die Wuster Gemeindeküche in der Schule schieben wir schon so lange vor uns her, sie sollte eigentlich schon längst fertig sein. Nun nehmen wir das endlich in Angriff. Heute Abend auf der Ratssitzung ist zur Kostenangleichung noch einmal ein Beschluss zu fassen. Außerdem müssen wir ein neues Fahrzeug für Wust kaufen - der alte Multicar hat nun wirklich ausgedient. Andere große Dinge sind erst einmal nicht geplant. Die Landesregierung hat uns auch angehalten, erst einmal die Flutschadenssanierung umzusetzen.

Überhaupt sind die Finanzen durch weniger Zuweisungen vom Land und höhere Umlagen noch geringer als im Vorjahr. Kann Wust-Fischbeck als eine der wenigen Gemeinde im Land weiterhin einen ausgeglichenen Haushalt aufstellen?

Davon gehe ich aus. Aber große Sprünge können auch wir leider nicht mehr machen. Wir werden sehen, wie der neue Haushalt aufgestellt ist - es ist ja der erste doppische Etat. Unverständlich, dass die Städte und Gemeinden in Sachsen-Anhalt das durchziehen müssen, aber das Land selbst nicht. Das kostet nur zusätzlich Geld und Personal, das sich damit beschäftigen muss.

"Bei der Jugend dürfen wir nicht sparen."

An den Jugendklubs in Fischbeck und Wust wird nicht gerüttelt?

Solange wir nicht in Haushaltskonsolidierung kommen, nicht! Bei der Jugend dürfen wir nicht sparen - das war ja auch der Grund, Brigitte Haberland einzustellen.

Die Wuster Schule ist nur noch Außenstelle von Schönhausen und wird, sobald in Schönhausen die baulichen Voraussetzungen für den Umzug geschaffen sind, schließen. Gibt es inzwischen Ideen, das Haus anderweitig mit Leben zu erfüllen?

Ideen ja, aber nichts Greifbares. Fakt ist, dass wir die Schule mit so wenigen Kindern nicht halten können. Aber erst einmal haben wir die Schule ja noch. Und so schnell, wie die Bauarbeiten in Schönhausen geplant waren, geht es ja scheinbar doch nicht. Für das nächste Jahr ist erst einmal wieder eine Ausnahmeregelung beantragt.

Kann die Turnhalle, die nicht mehr in bestem Zustand ist, auch ohne die Schule weiterhin für Kindergarten und Vereinssport unterhalten werden?

Aus meiner Sicht ja. Großartige Modernisierungen sind aber derzeit nicht geplant.

Am Kindergarten sollten doch auch bauliche Mängel in nicht geringem Umfang behoben werden?

Das geht über die Verbandsgemeinde als Träger, das müssen Sie dort erfragen.

Wann wird der Ausbau der Straße durch Wust, für die ja der Landkreis Baulastträger ist, beginnen?

Das soll wohl auch demnächst losgehen. Aber auch hier ist der Landkreis der bessere Ansprechpartner.

Die Gemeinde hat insgesamt acht Ortsteile. Gibt es irgendwo gravierende Probleme, die man eigentlich angehen müsste, für die aber das Geld fehlt?

Die laufende Unterhaltung der Dorfgemeinschaftshäuser ist aufwendig. Am Neubaublock in Wust sind eigentlich Modernisierungen fällig und auf dem Friedhof in Sydow auch. Die Mittel werden wir für dieses Jahr im Haushalt einstellen. Es gibt überall Kleinigkeiten, die mit den Ereignissen im Juni 2013 leider ins Schleifen geraten sind.

Inwieweit kann die Gemeinde die 25. Sommerschule in diesem Sommer unterstützen?

Finanziell leider nicht. Aber wir stellen Räumlichkeiten und Personal zur Verfügung. Mal sehen, wie weit wir mit den Bauarbeiten in der Küche kommen. Wenn sie nicht fertig werden, was wahrscheinlich ist, finden wir eine Lösung, um die Dozenten und Sommerschüler zu verköstigen. Generell sind wir bemüht, die Vereine im Rahmen unserer Möglichkeiten zu unterstützen. Chor, Karnevalsclub - wer einen Antrag stellt und die Anschaffung begründen kann, erhält auch eine Unterstützung. Natürlich könnte das mehr sein, aber die Finanzlage gibt es nicht her.

Der Eichenprozessionsspinner hat gerade am Wuster Sportplatz in den letzten Jahren immer wieder für Probleme gesorgt. Sind für dieses Jahr Maßnahmen gegen den Schädling geplant?

Gerade erst haben wir unseren Bedarf bei der Verbandsgemeinde mitgeteilt. Die Behandlung erfolgt ähnlich wie in den letzten Jahren. Einzelbäume wie am Kabelitzer Kriegerdenkmal oder in Melkow kommen noch dazu. Aber die Erfolge sind mäßig. Das Problem wird wohl leider in den nächsten Jahren nicht zu beheben sein.

Seit der Flut und der Vorbereitung auf die zahlreichen Wiederaufbaumaßnahmen sind Sie als ehrenamtlicher Bürgermeister mehr denn je gefordert. Ist langsam die Luft raus oder hatten Sie Zeit, Kraft zu tanken?

Ich hatte bisher vier Tage Urlaub. Die Luft darf nicht raus sein - es gibt viel zu viel zu tun. Aber die Haut ist dünner geworden, man ist nicht mehr so gelassen wie einst. Denn es gibt 1000 Kleinigkeiten zu klären.

Und als Bürgermeister ist man leider immer der Prellbock, der alles abbekommt. Ich würde mir wünschen, dass alle etwas mehr Geduld aufbringen, auch wenn das schwer fällt - mir doch auch!