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Landrat Michael Ziche nahm öffentlich Stellung zur Genehmigung der Binder Biogasanlage Arendseer im Kampf gegen Güllefabrik

Von Helga Räßler 19.02.2014, 02:25

Arendsee erhebt Widerspruch gegen die nachträgliche Baugenehmigung für den zweiten Teil der Biogasanlage in der Binder Schweinezuchtanlage. Der Grund: Der Kreis hatte das gemeindliche Einvernehmen ersetzt. Die Stadt fühlt sich nicht ausreichend informiert. Landrat Michael Ziche nahm dazu Stellung.

Arendsee l "Ein Rechtsstreit löst das Problem nicht", machte Landrat Michael Ziche am Montagabend klar. Der Arendseer Stadtrat debattierte über die nachträglich erteilte Baugenehmigung für den zweiten Abschnitt der Biogasanlage in der Binder Schweinezuchtanlage der Straathof Holding. Wenn die Bundespolitik große Einheiten zur Massentierhaltung zulasse, könne sich der Kreis nicht gegen rechtlich geltende Vorschriften wehren. "Wenn der Kreis das gemeindliche Einvernehmen nicht ersetzt und eine Baugenehmigung versagt oder verzögert hätte, wären Schadensersatzforderungen vom Investor die Folge gewesen", erklärte er.

"Bauabnahme ist noch nicht erfolgt, wegen früher Inbetriebnahme gibt es ein Bußgeld."

Landrat Michael Ziche

Das bestätigte auch Bauordnungsamtsleiterin Kerstin Lingstedt. "Als wir im September 2013 die Aktenberge vom Landesverwaltungsamt wegen der Gesetzesänderung übernehmen mussten, waren bereits 90 Prozent des Genehmigungsverfahrens abgearbeitet", sagte sie. Das sei 2008 beim Landesverwaltungsamt (LVA) aufgenommen worden. Der Bauherr habe nun eine schnelle Entscheidung vom Kreis gefordert und Druck aufgebaut. Das sei eine Riesenherausforderung für das Amt gewesen. "Wenn die formalen Voraussetzungen erfüllt sind, ist per geltendem Gesetz die Genehmigung zu erteilen, einschließlich Nebenbestimmungen und Auflagen", fügte sie hinzu.

Das quittierten die zahlreich erschienenen Binder Bürger mit Missfallensäußerungen. Noch mehr Unverständnis rief die Antwort auf die Frage von Ratsfrau Petra Hennigs (CDU), Aktivistin der Bürgerinitiative Gegen Schweinemast in Binde nach der baulichen Abnahme und Kontrolle der Biogasanlage hervor. Die Anlage sei nachgewiesenermaßen schon am 16.Januar angelaufen. Ziche erklärte: "Eine Abnahme ist noch nicht erfolgt, aber wegen der verfrühten Inbetriebnahme wird es einen Bußgeldbescheid geben."

Es seien ja noch nicht einmal alle erteilten Bußgelder wegen zu früh belegter Ställe in der 2006 erbauten Anlage beglichen, wandte Hennigs ein. "Die Hilflosigkeit einer Behörde gegenüber einem Investor enttäuscht mich zutiefst", erklärte sie. "Wie lange soll dieses Vorgehen noch hingenommen werden - armes Deutschland", betonte sie.

Sie forderte eine Aufklärung über die Tatsache, dass mit der schon vor Abschluss des Verfahrens laufenden Anlage Strom produziert, ins Netz eingespeist und über Avacon eine Vergütung erzielt worden sei. Die Antwort blieben ihr die Vertreter des Kreises schuldig.

Stadtrat Uwe Walter (SPD) sah in der Nutzung der Biogasanlage eine Gefahr für die Umwelt. "Ich befürchte eine Belastung des Grundwassers durch austretendes Abwasser und durch die Gülle", meinte er. Das beschädige die Attraktivität der Tourismusregion. "Und über das belastete Grundwasser kann Phosphor in den Arendsee gelangen und das Blaualgenwachstum begünstigen", ergänzte Petra Hennigs.

Stadtrat Olaf Ollendorf aus Vissum (Arendsee-Land) fragte nach der wasserrechtlichen Erlaubnis und kritisierte: "Der Investor droht und der Kreis knickt ein." Jeder private Hausbauer müsse zuerst alle Auflagen erfüllen, bevor er eine Genehmigung bekomme.

Dagegen verwahrte Ziche sich. "Jeder Antragsteller wird gleich behandelt", betonte er. Und verwies nochmals auf die drohende Pflicht zum Schadensersatz. "Aber wenigstens müsste strenger kontrolliert werden, ob Auflagen eingehalten werden", forderte Ollendorf. Das geschehe jetzt, die Genehmigung sei schließlich erst am 24. Januar erteilt.

Stadtrat Michael Wrana aus Kerkau (Arendsee-Land) fragte nach der Geruchsbelästigung der Binder Bürger durch den Großbetrieb. Es liegen unzählige Geruchsprotokolle der betroffenen Einwohner vor, die gerade erst in der Veranstaltung der BI deutlich gemacht hatten, wie stark ihre Lebensqualität durch den ständig über Binde liegenden beißenden Gestank beeinträchtigt wird.

Ob in Binde die Richtlinien des Bundesimmissionsschutzgesetzes nicht gelten, wollte Wrana wissen. Arendsees Bürgermeister Norman Klebe verwies auf eine Freistellung davon, die 2008 das Landesverwaltungsamt erteilt habe. "Seitdem gilt hier einfaches Baurecht, so dass die Hürden für den Investor niedriger sind", sagte er.

Klebe hatte zu Beginn der Stadtratssitzung an die vor einem Jahr gegen das Landesverwaltungsamt erhobene Klage wegen der ebenfalls nachträglich erteilen Baugenehmigung für einst als Schwarzbauten geltende Teile der Schweinezuchtanlage erinnert. Auch dabei sei die Kommune nicht ausreichend angehört worden und habe ihr Einvernehmen nicht erteilt. "Noch immer haben wir keine Stellungnahme des LVA", merkte er an. In Sachen Biogasanlage habe der Kreis der Stadt nicht ausreichend Zeit zum Aktenstudium gelassen. "Außerdem lagen uns nicht alle Unterlagen vor, um die Lage beurteilen zu können", so Klebe. Er forderte deshalb die Ratsmitglieder auf, über einen Widerspruch gegen die nun vom Kreis erteilte Genehmigung für den zweiten Bauabschnitt besagter Biogasanlage zu entscheiden. Die Abstimmung unter der Regie von Stadtratsvorsitzendem Hans-Georg Kempcke (Kleinau, Arendsee-Land) ergab: 18 Ratsmitglieder waren für den Widerspruch, 4 dagegen.

"Bis Ende des Monats haben wir Zeit, den Widerspruch zu formulieren."

Bürgermeister Norman Klebe

"Bis Ende des Monats haben wir Zeit, den Widerspruch zu formulieren und auf den Weg zu bringen", kündigte Klebe an. Auch das Problem des Immissionsschutzes solle dabei aufgegriffen werden. Wenn der Widerspruch vom Kreis abgelehnt werde, sei die nächste Instanz dafür zuständig - das Landesverwaltungsamt. "Wenn er dort durchfällt, bleibt uns nur der Klageweg beim Landesverwaltungsgericht", stellte er in Aussicht.