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Geschichte in Beetzendorf Zeitreise in die Welt vor 200 Jahren

Von Walter Mogk 05.12.2014, 02:12

Beetzendorf l Am Anfang stand ein Schreibmaschinenskript mit 215 eng beschriebenen DIN-A4-Seiten. "Das haben wir 2010 von Johann Matthias von der Schulenburg zur freien Verwendung erhalten, als wir die Geschichte des Charlottenstiftes und des Beetzendorfer Kindergartens für unsere Publikationsreihe `Beetzendorfer Geschichte(n)` aufarbeiten wollten", erläuterte Doris Tepelmann, Vorsitzende des Vereins der Heimatfreunde Beetzendorf. Bei dem Text handelte es sich um die Lebenserinnerungen der Gräfin Charlotte von der Schulenburg (1798-1874), die in Beetzendorf wirkte und dort unter anderem den ersten Kindergarten (im Gebäude des nach ihr benannten Stifts) gründete.

Schnell war klar: Die Aufzeichnungen bieten äußerst interessante Einblicke in die Lebensumstände zu Beginn des 19. Jahrhunderts und in das Beetzendorf jener Zeit. Doch der Text, den Gunhild von Eickstedt, geborene von Blücher, Ur-Ur-Enkelin der Charlotte und Tante von Johann Matthias von der Schulenburg, in den 50er/60er Jahren aus dem in Sütterlin verfassten Original abgeschrieben hatte, war äußerst schwer zu lesen. "Ohne Überschriften und Absätze, einfach hintereinander weg geschrieben", berichtete Irmgard Tepelmann. Die Beetzendorferin hat sich deshalb die Mühe gemacht, den Text abzuschreiben, zu gliedern und vorsichtig zu bearbeiten. "Das war eine Heidenarbeit", erinnerte sich Tepelmann.

Doris Tepelmann trug Bilder zusammen, die das Geschriebene auflockern und illustrieren. Und Steffen Klask sorgte für die technische Verarbeitung des Werkes, dessen erster Teil zum Beetzendorfer Weihnachtsmarkt am Sonntag erstmals zum Preis von 15 Euro zu erwerben ist.

Napoleon hinterließ keinen guten Eindruck

Über Beetzendorf ist auf den 92 Seiten noch recht wenig zu finden. Das liegt daran, dass sich der erste Teil der Erinnerungen auf die Kindheit und Jugendzeit von Gräfin Charlotte bezieht, die 1798 als Freiin von Friesen in Dresden geboren wurde. Die Elbmetropole und das kleine Städtchen Rötha südlich von Leipzig sind denn auch die Hauptschauplätze. "Das Leben auf den Landsitzen des sächsischen Adels, von denen viele nebst ihren Ländereien später dem Braunkohlentagebau zum Opfer fielen, wird beschrieben, auch ihre Zeit am Hofe des sächsischen Königs, wo ihr Vater zeitweise Herr über die Kunstsammlungen war, sowie die Erlebnisse um Napoleon und die mit ihm einhergehenden Kriege", heißt es in der Einleitung.

Den Korsen hat die Gräfin persönlich kennengelernt. "Und keinen guten Eindruck von ihm gehabt, wenn man die Erinnerungen liest", verriet Irmgard Tepelmann. Interessant seien auch die Einblicke, die man aus den Aufzeichnungen vom Wohnen, dem Alltag und dem Reisen zu damaliger Zeit erhält. So dauerte eine Kutschfahrt von Beetzendorf bis nach Putbus auf Rügen geschlagene fünf Tage. "Und auch die Krankheiten, die es damals gab und wie diese behandelt wurden, werden beschrieben", erläuterte Steffen Klask. Bei vielen Begriffen, die heute niemand mehr kennt, habe man erst einmal nachschlagen müssen. Etwa die Spanische Fliege, ein Käfer, dessen Wirkstoff früher als Potenzmittel verwendet wurde.

Beetzendorfer Zeit wird im zweiten Band behandelt

Ihren späteren Mann, Werner Graf von der Schulenburg, lernte Charlotte in Dresden kennen. "Sie wohnten quasi in der Nachbarschaft. Die Schulenburgs waren damals nur ab und zu auf ihrem Wirtschaftshof in Beetzendorf, die meiste Zeit jedoch in Dresden", erklärte Irmgard Tepelmann. 1821 erfolgte die Verlobung, kurze Zeit später die Heirat und dann der Umzug nach Beetzendorf. Ihre neue Heimat nahm die Gräfin zunächst sehr skeptisch auf. "Sollte denn Beetzendorf in solcher Einöde liegen? Wie sollte es möglich sein, an solchem Ort je heimisch zu werden!", seufzte sie in ihren Erinnerungen beim Durchfahren der Colbitz-Letzlinger Heide. Doch als sie Beetzendorf mit seinen Eichen- und Lindenalleen erreichte, hellte sich ihr Gemüt auf, zumindest was die Landschaft betraf.

Mit ihren ersten Tagen in Beetzendorf endet Teil 1 der Lebenserinnerungen von Gräfin Charlotte, die von ihrer Tochter Anna Wilhelmine von Veltheim (1827-1909) zu Papier gebracht und mit eigenen Anmerkungen versehen wurden. Der zweite Teil des Ausflugs in die Historie, der das Leben und Wirken Charlottes in Beetzendorf umfasst, soll dann im nächsten Jahr erscheinen.

Wer keine Zeit hat, am Sonntag den Beetzendorfer Weihnachtsmarkt zu besuchen, kann das Buch auch bei Familie Tepelmann in Beetzendorf, Telefon 039000/351, oder bei Gerd Beyer, Telefon 039000/723, E-Mail: gerdbeyer@web.de, bestellen.