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Reiner Orlowski freut sich über Auszeichnung bei der mitteldeutschen Jahresringverleihung in Leipzig Sonderpreis für Hobbyhistoriker aus Harbke

Von Ronny Schoof 16.01.2014, 02:16

Reiner Orlowski aus Harbke ist einer der diesjährigen Träger des mitteldeutschen Historikerpreises "Ur-Krostitzer Jahresring". Für seine Forschungsarbeit über den Abbau des so genannten Grenzkohlepfeilers zwischen Harbke und Helmstedt wurde er am Dienstag in Leipzig ausgezeichnet.

Harbke/Leipzig l Orlowskis Abhandlung unter dem Titel "Bagger greifen ein - ein friedlich gelöstes Grenzproblem" hat die Jury vollends überzeugt. "Sie haben eine vorzu¨glich dokumentierte Darstellung eines eigentlich gar nicht denkbaren industriellen Vorgangs vorgelegt: den Abbau eines grenzu¨berschreitenden Braunkohlevorkommens bei Harbke beziehungsweise Helmstedt", führte Juryvorsitzender Prof. Manfred Straube in seiner Laudatio anerkennend aus. Aus der Themenkategorie Industriegeschichte ging Reiner Orlowski somit als Preisträger hervor.

Beim Jahresring handelt es sich um einen von der Brauerei Ur-Krostitzer ausgelobten Historikerpreis für Freizeitforscher, angelehnt an die Sage um Schwedenkönig Gustav II. Adolf, der im Jahre 1631 dürstend in Krostitz eine Kanne Bier mit einem goldenen Ring bezahlt haben soll. Er wurde gestern im Leipziger Panorama Tower zum zehnten Mal vergeben. Der mit 1500 Euro dotierte Hauptpreis ging an eine Hobbyhistorikerin aus Weimar. Reiner Orlowski durfte sich als einer von drei Gewinnern einer Themenkategorie über ein Preisgeld in Höhe von 500 Euro freuen.

Dabei kamen dem 72-jährigen Harbker sowohl sein Fachwissen als Diplom-Bergbauingenieur als auch seine Zeitzeugenkenntnisse zugute. Orlowski war selbst im Braunkohlewerk Harbke tätig, zuletzt auch als Direktor, und ist mit dem Stoff daher bestens vertraut. Aufmerksamen Volksstimme-Lesern dürfte Orlowskis heimatgeschichtliche Spürnase nicht ganz unbekannt sein, hat er doch in jüngerer Vergangenheit auch schon umfassende Betrachtungen zur Herkunft des Ortsnamens Harbke nebst seiner Ersterwähnung abgeliefert sowie einen Erlebnisbericht zum Fund der Mammutstoßzähne im Tagebau Wulfersdorf (1962) veröffentlicht.

Riesiges Flöz, aber zunächst keine Förderung

Die eingereichte Forschungsarbeit beleuchtet einen über Jahrzehnte währenden Prozess, der mit der Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen nach dem Zweiten Weltkrieg und der daraus resultierenden Staatentrennung in Gang gesetzt wurde. Schlicht gesagt, geht es um die Braunkohle unter der Grenze, wo sich heute Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, Harbke und Helmstedt berühren. Rund 15 Millionen Tonnen lagerten da im Erdreich, doch war mit der Schließung der Demarkationslinie 1952 und der folgenden ideologischen Ordnung ein Abbau beiderseits nicht ohne weiteres möglich. "Bis 1976 gab es dann unter Rückschlägen eine Periode der langsamen Annäherung", weiß Reiner Orlowski, "mit dem Ergebnis des Vertragsabschlusses zum grenzübergreifenden Abbau des Grenzkohlepfeilers, wie das Flöz in der DDR genannt wurde, während es im Westen Grenzpfeilerkohle hieß."

Bis zur praktischen Umsetzung ging nochmals eine Handvoll Jahre ins Land: "Der konkrete Abbau erfolgte ab 1980 bis zur Wende und noch eine kurze Zeit danach." Ausführlich zusammengefasst hat Orlowski dieses spezielle halbe Jahrhundert auf gut hundert Seiten plus beinahe ebensoviel Anhang- und Quellverweismaterial, darunter auch kaum bekannte Fotografien und Dokumente, deren Aufarbeitung und Einordnung der akribischen Recherche Orlowskis zu versanken ist. So betonte es auch Manfred Straube bei der Preisverleihung: "Die detaillierte Beschreibung konkreter Vorgänge wird eindrucksvoll ergänzt durch den Abdruck von entscheidenden Dokumenten bis hin zu Angaben u¨ber Telefongespräche zwischen beiden Seiten. Wertvolle Hinweise geben außerdem die schematischen Zeichnungen über Grenzverläufe und Abbaubereiche. Diese Geschichte nachvollziehbar gemacht und präzise beschrieben zu haben, ist das besondere Verdienst von Reiner Orlowski."

Der Gelobte kommentiert seine Forschungsarbeit im Vorwort so: "Diese Aufzeichnung will dokumentieren, dass es bei gutem Willen trotzdem gelingt, über künstlich errichtete, große Barrieren kleine Brücken zu bauen, wenn man nicht voreingenommen, aber mit Sachkenntnis und gegenseitigem Respekt sowie Vertrauen eine gemeinsame Lösung anstrebt."