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Schweizer Wissenschaftler eröffnete Vortragsreihe im Paläon Laubhölzer haben Ohren, Nadelhölzer dagegen keine

Von Hartmut Beyer 11.02.2014, 01:19

Schöningen l Es ist schon erstaunlich, was die Wissenschaft so nach und nach über die Schöninger Speere herausfindet. Das mögen die fast 200 interessierten Zuhörer am Freitag im Paläon-Restaurant "Flintstone" bei dem Vortrag von Werner H. Schoch vom Labor für quartäre Hölzer in Langnau am Albis (Schweiz) gedacht haben, der interessante Einblicke in seine Arbeit vermittelte.

Schoch sei ein Mann der ersten Stunde, sagte bei der Begrüßung Dr. Stefan Winghart, Präsident des Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege, "und wir verdanken ihm wesentliche Erkenntnisse über die Jagdwaffen von Schöningen", denn die Holzanatomie sei eine Nachbardisziplin der Archäologie. Die holzanatomische Reise in die Zeit vor 300000 Jahren war darum auch der Auftakt für die erste Vortragsreihe im Paläon. Wie Schoch, ein weltweit anerkannter Spezialist auf dem Fachgebiet der Anatomie prähistorischer Hölzer, naturwissenschaftliches Vorgehen auf unterhaltsame Art vermittelte, fand den Beifall des Publikums und machte gleichzeitig auf weitere Veranstaltungen in der Reihe neugierig.

An diesem Abend gab er Einblicke in die faszinierende Welt der eiszeitlichen Hölzer und seine Forschungsmethoden. So sahen die Besucher im "Flintstone" zunächst makroskopische und mikroskopische Bilder von verschiedenen Holzarten und -strukturen, sie erfuhren bei der Betrachtung von Zellen, dass Laubhölzer "Ohren", Nadelhölzer aber keine haben. Sie staunten nicht schlecht darüber, wie der Experte anhand von Holzkohle aus Lagerfeuern alle gewachsenen Hölzer der Umgebung bestimmen kann, und was Schoch bei der Untersuchung von Gegenständen und Pfeilen der Gletschermumie Ötzi herausgefunden hatte. "Sein Bogen und die Pfeile waren aus Lärchenholz", versicherte er.

Nachdem der Naturwissenschaftler die Zuhörer mit Ergebnissen seiner Untersuchungen in Afrika oder Sibirien gefesselt hatte, näherte er sich der Schöninger Fundstelle, von der er anhand der Speere und 5300 untersuchten Holzresten die Vegetation rekonstruierte: vor allem Fichte und Kiefer. Daraus wären auch die Speere mit großer Fertigkeit hergestellt worden. Mikroschnitte, Zellformen und Jahresringe hätten bewiesen, dass die Bäume für die Speere nicht alle in einem Jahr sondern in einem Zeitraum von neun Jahren geschlagen worden waren. Auch die Jahreszeit, in der der Baum gefällt worden war, konnte Schoch bestimmen, und er belegte mit der Analyse der äußersten Jahresringe, dass es schlechte Wachstumsbedingungen gab. "Es wäre noch wünschenswert, die Jahresringe der Speere messen zu können. Ideal wäre es, dafür eine Scheibe herauszuschneiden, aber damit würde man den Speer dann auch zerstören", meinte Werner H. Schoch.

Der nächste Abend in der Reihe steht am Mittwoch, 12. März, ab 19 Uhr auf dem Programm, Titel: "Der Weg der Speere - von der Ausgrabung zum Erlebniszentrum".