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Wohnungsbaugesellschaft Bewos will Pachtzins für langjährig kostenlos genutzte Grünflächen Forderungen trüben Gartenidylle

Von Sebastian Pötzsch 05.09.2014, 03:15

Bei den Mietern An der Wasserrenne rumort es gewaltig. Ihr Vermieter, die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Bewos, will plötzlich für als Garten genutzte Grünflächen hinter den Wohnhäusern eine Pacht erheben.

Oschersleben l "Das war ein Schock nicht nur für mich, sondern für alle Mieter", sagt Christa Gerecke. Die 75-Jährige wohnt seit 50 Jahren in einem Wohnblock An der Wasserrenne in Oschersleben, Hauseingang Nummer 23. Seit Beginn ihres Mietverhältnisses, damals mit der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft (Wobau) abgeschlossen, bewirtschaftet sie einen kleinen Garten direkt hinter dem Haus. Ihr etwa 30 Quadratmeter großes Refugium grünt und blüht. Doch für die Nutzung bezahlen musste sie noch nie.

"Die Bewos sollte froh sein, dass diese Grünflächen nicht verwildern und fleißige Mieter sich darum kümmern."

Mieter Klaus Blahut

Geht es nach der Bewos und ihrem Geschäftsführer Thomas Harborth, soll das ab dem 1. Oktober anders sein. In einem Schreiben vom 22. August wird Christa Gerecke darauf hingewiesen, dass die Gartennutzung aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr kostenfrei möglich sei und ein Entgeld von zehn Euro pro Monat und Gartenfläche erhoben wird. "Wir bitten um Ihr Verständnis und übersenden anliegend zwei Exemplare des Gartenpachtvertrages...", ist weiter zu lesen. Doch Verständnis kann die rüstige Rentnerin dafür nicht aufbringen: "Ich sehe das doch überhaupt nicht ein, ich zahle keinen Pfennig. Wenn es hart auf hart kommt, lasse ich alles verfallen und vernichten."

Und Christa Gerecke ist nicht die einzige, die auf ihren Vermieter schimpft. Alle Bewohner, die einen kleinen Garten hinter ihrem Wohnblock An der Wasserrenne betreiben, wurden von der Bewos aufgefordert, ebensolche Pachtverträge zu unterschreiben. Klaus Blahut beispielsweise wohnt im Hauseingang Nummer 1. "Die Bewos sollte froh sein, dass diese Grünflächen nicht verwildern und fleißige Mieter sich darum kümmern", sagt der langjährige Mieter und kritisiert das Bewos-Argument "aus wirtschaftlichen Gründen". "Nach meinen wirtschaftlichen Verhältnissen fragt dabei niemand. Ich muss nun zwei Drittel meiner Rente für die Mietkosten aufbringen", beschwert sich Blahut.

Auch Mieter Günter Gerlach ist sauer und erklärt: "Es besteht ein mündlicher Vertrag aus DDR-Zeiten über die Bewirtschaftung der Grünflächen, damit die Wohnungsgesellschaft keine Pflegekosten hat. Und der Vertrag ist nur bei Kündigung des Wohnverhältnisses hinfällig."

"Mieter, die von einem besseren Wohnumfeld profitieren, weil sie einen Garten haben, sollen dafür auch etwas mehr bezahlen."

Bewos-Chef Thomas Harborth

Seiner Meinung nach bestehen die Kleinode bereits seit den 1930er Jahren, als die AGO-Flugzeugwerke für ihre Arbeiter diese Wohnsiedlung gründete. Damals seien den Mietern die Flächen zur freien Verfügung gestellt worden, um hier Obst und Gemüse anzubauen sowie Hühner und Schweine zu züchten - für schlechte Zeiten. "Ich wohne seit 35 Jahren hier. Ich habe tausende Euro investiert, um mir ein schönes Wohnumfeld zu schaffen", sagt Gerlach. Seiner Meinung nach sind die Grundstücke auch nicht an die Wohnungen gebunden.

Und hier liegt für Bewos-Chef Thomas Harborth der "Hase im Pfeffer": "Nicht zu jeder Wohnung gehört ein Garten, dafür reichen die Flächen einfach nicht aus. Doch alle Mieter bezahlen die gleichen Quadratmeterpreise an Miete." Das sei gegenüber jenen, die nicht zu einem Garten gekommen sind, ungerecht. "Mieter, die von einem besseren Wohnumfeld profitieren, weil sie einen Garten haben, sollen dafür auch etwas mehr bezahlen", ist Harborth überzeugt und weist auf ein weiteres Problem hin. So sei vor kurzem ein Mieter verstorben, der sogar Kaninchen züchtete. "Doch leider ohne Erben. Für den Garten hat sich niemand gefunden, so dass er nun auf unsere Kosten in Höhe von rund 2000 Euro beräumt werden muss", erklärt der Geschäftsführer. Diese könnten künftig aus den Pachteinnahmen bezahlt werden.

Laut Harborth gibt es über die Nutzung der Grünflächen keine schriftlichen oder "nur rudimentäre Verträge". Demnach seien die Anlagen von den Mietern zu pflegen, von Gärten sei keine Rede. Im Übrigen fände ein Großteil der Mieter die Ankündigung zur Einführung einer Pacht in Ordnung. Allerding lenkt Harborth auch ein: "Über den Preis kann man sich immer streiten. Jetzt müssen die Gärten ersteinmal katastermäßig aufgenommen und grob vermessen werden, um den Preis neu festzusetzen. Für kleinere Gärten muss nicht derselbe Preis wie für größere Gärten bezahlt werden."