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Landessozialgericht erkennt in einer vorläufigen Entscheidung eindeutig auf lokalen Versorgungsbedarf in Völpke Im Praxisstreit folgt noch die Hauptsache

Von Ronny Schoof 16.01.2015, 02:01

Mit dem jüngsten Beschluss des Landessozialgerichts zugunsten der in Völpke praktizierenden Ärztin Diana Willms ist das Thema längst nicht abgehakt. Die vom Landambulatorium Börde angestrengte Klage bleibt vor dem Sozialgericht Magdeburg anhängig.

Völpke l Was das Landessozialgericht in Halle am 8. Januar entschieden hat, war ein Eilverfahren, das in erster Linie einer formellen Regelung für die Prozessbeteiligten dient, solange kein Urteil in der Hauptsache gefällt worden ist. "Das Hauptverfahren ist hier weiterhin anhängig", sagte Jana Pietzsch, Richterin und Pressesprecherin am Sozialgericht Magdeburg, am Montag zur Volksstimme. Wann es darin zu einer Verhandlung kommt, ließe sich noch nicht abschätzen. "Nach derzeitiger Terminlage der zuständigen Kammer ist damit aber wohl frühestens gegen Jahresende zu rechnen", so Pietzsch.

Es klagt das Landambulatorium Börde (LAB), das den hausärztlichen Praxissitz in Völpke inne hat, gegen den Beschluss des Berufungsausschusses vom 23. Juli 2014. Darin wurde die Sonderzulassung für Allgemeinmedizinerin Diana Willms bestätigt, weil für Völpke und Umgebung ein lokaler Versorgungsbedarf bestehe. Das sieht man beim LAB gänzlich anders. Dessen ärztlicher Leiter, Sebastian Brunner, dazu: "Der Zulassungs- und der Berufungsausschuss haben sich in ihren Entscheidungen aus meiner Sicht falsch beeinflussen lassen. Es besteht hier kein Sonderbedarf, was auch die Kassenärztliche Vereinigung bestätigt und mit 118 Prozent sogar eine Überversorgung festgestellt hat. Die Ausschüsse sind in der Sache nicht die letzte Instanz, darum sind wir vors Sozialgericht gezogen, um dort eine Klärung herbeizuführen."

"Ärztewesen ist keine Blumenladensituation"

Brunner führt außerdem "wirtschaftliche Einbußen" an, "mit denen wir zwar leben können, die aber dennoch ein Problem für uns darstellen". Das Wesen der Arztpraxen sei nicht umsonst durch klare Vorgaben und Bemessungen strukturiert: "Das ist keine Blumenladensituation, in der einfach jeder, der möchte, ein eigenes Geschäft aufmachen kann", betonte Brunner gegenüber Volksstimme.

Mit der Klageerhebung vor dem Sozialgericht Magdeburg hat das LAB seine Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Sonderbedarfszulassung nicht vorlägen, weiter vertieft und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung, sprich: einstweilige Rücknahme der Zulassung Willms`, beantragt. Dem Antrag wurde daraufhin auch stattgegeben. Zur Begründung hieß es vom Gericht, dass der Beschluss des Berufungsausschusses "offenbar rechtswidrig ist".

Zu einem anderen Schluss kam dagegen das Landessozialgericht, nachdem sowohl der Berufungsausschuss als Antragsgegner als auch Diana Willms als Betroffene und Beigeladene in Halle Beschwerde führten und ihrerseits die Aufhebung des Sozialgerichtsbeschlusses beantragten. "Das Gericht ist dem Antrag gefolgt", bestätigte Carsten Schäfer, Vorsitzender Richter am Landessozialgericht (LSG), am Dienstag der Volksstimme, "der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Dezember 2014 wurde aufgehoben." Nicht nachvollziehbare Ausführungen des Sozialgerichts werden unter anderem in der Urteilsschrift bemängelt.

"Erfolgsaussichten im Klageverfahren gering"

In den Volksstimme vorliegenden anonymisierten Ausführungen des Gerichts zum Eilverfahren heißt es: "Der Beschluss vom 23. Juli 2014 ist formell und materiell rechtmäßig. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wird von einem besonderen öffentlichen Interesse gedeckt, das auch hinreichend begründet wurde. Gegenläufige Partikularinteressen des Antragstellers (Landambulatorium, Anm. d. Red.) führen zu keinem anderen Ergebnis."

Der Richterspruch geht sogar noch einen Schritt weiter, indem es heißt: "Mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung hat der Antragsgegner (Berufungsausschuss, Anm. d. Red.) dem Umstand Rechnung getragen, dass die Erfolgsaussichten im Klageverfahren für die Antragstellerin nur sehr gering sind. Nach Aktenlage ist gegenwärtig ganz überwiegend wahrscheinlich, dass ein lokaler Versorgungsbedarf vorliegt."

In diesem Zusammenhang geht das LSG auch auf die von der Kassenärztlichen Vereinigung festgestellte Überversorgung ein. Demzufolge sei diese zwar tatsächlich vorhanden, sie rühre aber von der ärztlich gut besetzten Stadt Oschersleben her. Völpke gehört zum Planungsbereich Oschersleben. In den Niederlassungszahlen fließen also die hohe Ärztezahl der Stadt und die spärlichere ländliche Verteilung zusammen. Nach Auffassung des Gerichts habe der Berufungsausschuss somit überzeugend dargelegt, dass die festgestellte Überversorgung im Planungsbereich nicht zum Ausschluss der Sonderbedarfszulassung führt.

Das LSG hat bei seiner Entscheidung auch die überwiegende Befürwortung anderer Ärzte hinsichtlich der Sonderzulassung für Diana Willms einbezogen. So haben von 32 im Planungsbereich tätigen und befragten Medizinern 23 eine positive Stellungnahme abgegeben. Dies sei beeindruckend, da sie in Willms eine Konkurrentin sehen können und damit wirtschaftlich gesehen eher zu einer negativen Stellungnahme neigen müssten, folgert das Gericht.

Ärzte hegen Vorbehalte gegen Landambulatorium

Und der Punkt der Kollegenempfehlung tritt noch anderer Stelle pikant zu Tage. So betrachtet es das Gericht als auffällig, dass in den Stellungnahmen der Ärzte mehrfach das Landambulatorium angesprochen werde - allerdings in einem eher negativen Kontext. So spricht sich ein Teil der zustimmenden Kollegen nur für eine zweite Hausarztstelle in Völpke aus, soweit diese nicht von einem Mitarbeiter des LAB besetzt wird, da die Versorgung durch das LAB nicht gesichert sei. Knackpunkt dieser Ansicht sind offenbar die dem Empfinden und der Erfahrung nach oftmals wechselnden und als zu kurz und zu wenig bemessenen angebotenen Sprechstunden in den Praxen des Landambulatoriums. Laut Gericht korrespondiere das mit Hinweisen von mehreren Personen und/oder Patienten, die sich im Rahmen des Zulassungsverfahrens an Verantwortliche gewandt und ihrerseits auf einen zusätzlichen Versorgungsbedarf hingewiesen haben.

Sebastian Brunner ist der Auffassung, es sei "gezielte Stimmungmache" gegen das Landambulatorium betrieben worden, und er habe "das Gefühl, dass diese negative Außendarstellung" weiterverfolgt werde. In diesem Zusammenhang monierte Brunner auch "eine einseitige Berichterstattung der Volksstimme", was er persönlich "sehr schade" finde.

Patientenzulauf in beiden Praxen

Brunner verwies nochmals auf den "Empfang mit offenen Armen" in Völpke, als das Landambulatorium 2012 "trotz für uns damals keinesfalls optimalen Bedingungen" den Praxissitz übernommen und somit die weitere hausärztliche Versorgung aufrecht erhalten habe. Das Vorgehen der Gemeinde vor einem Jahr bewerte er als undankbaren Versuch der Ausbootung durch die Hintertür. Zur aktuellen Situation, seit Öffnung der Praxis Willms im September, erklärte Brunner: "Es sind nicht viele unserer Patienten gewechselt, wir haben auch weiterhin Zulauf, und es gibt keine Beschwerden bei uns, etwa über mangelnde Sprechzeiten."

Diana Willms äußerte sich in Bezug auf das Patientenaufkommen gegenüber der Volksstimme ebenfalls zufrieden: "Was das angeht, war es wirklich ein gelungener Start." Zur juristischen Auseinandersetzung meinte sie lediglich: "Das Landambulatorium macht von seinem Recht Gebrauch, das akzeptiere ich."

Nichtsdestotrotz dürfte sie die Hoffnung hegen, dass zumindest vorerst etwas Ruhe einkehrt. Das Hauptverfahren ist noch nicht ausgestanden, der Antrag auf aufschiebende Wirkung dagegen schon: "Dieser Beschluss ist unanfechtbar", schließt das Landessozialgericht seine Ausführungen.