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Martin Heu kümmert sich seit 20 Jahren um den historischen Zeitmesser und hofft auf einen Nachfolger Gageler Kirchturmuhr tickt und tickt ...

Von Ralf Franke 19.07.2014, 03:24

Funkuhren haben längst auch auf Kirchtürmen eingezogen. Wesentlich charismatischer und darüber hinaus ein Stück Zeitgeschichte im wahrsten Sinn des Wortes sind indes mechanische Uhrwerke.

Gagel l Der Gageler Martin Heu feiert dieser Tage ein kleines Jubiläum, das über die Grenzen des kleinen Dorfes auf der "Altmärkischen Höhe" kaum jemand wahrnehmen dürfte, das aber für den Ort schon eine gewisse Bedeutung hat..

Denn der Frührentner sorgte mit einem Kumpel 1994 dafür, dass der Kirchturmuhr wieder Leben eingehaucht wurde und dass die Mechanik bis heute die Zeiger mit geradezu auffälliger Genauigkeit bewegt und die Gageler zur halben Stunde per Läutwerk daran erinnert werden, was die Uhr geschlagen hat. Mit einer Differenz von wenigen fünf Sekunden - mal vor und mal nach, weil die alte Dame etwas wetterfühlig ist - steht sie der funkgesteuerten Konkurrenz, die sich seit einigen Jahren auf den Kirchtürmen der Region breitmacht, kaum in etwas nach.

Alle sieben Tage aufziehen

Als der Magdeburger 1994 mit seiner Frau auf den Hof der Schwiegereltern zog, ärgerte er sich wie viele andere Einwohner darüber, dass das prägendste und wohl auch älteste Haus des Ortes schön aussah, aber die Mechanik des Zeitmessers den Dienst verweigerte. Den Rest hatte die Uhr bei Abrissarbeiten am Turm bekommen, brachte Heu in Erfahrung. Gemeinsam mit Andreas Ahrend ergriff er damals die Initiative. Obwohl beides Laien auf diesem Gebiet waren, gelang ihnen die Reparatur und das Justieren des zentnerschweren Zeitmessers, der seitdem ohne größere Reparaturen unermüdlich seine Runden dreht.

Einmal in der Woche muss das gute Stück aufgezogen, heißt, die Gewichte nach oben gekurbelt werden. 35 Umdrehungen für die Uhr, 180 für das Läutwerk. Dazu ein paar Tropfen Öl für Lager und Wellen. Zweimal im Jahr gilt es den Zeitmesser dazu auf Sommer- beziehungsweise Winterzeit umzustellen. Gut gepflegt steht der Uhr der Berliner Firma C. F. Rodlitz, die nach Heus Meinung wohl vor 1925 installiert wurde, hoffentlich noch ein langes Leben bevor.

Zifferblatt braucht Farbe

Was den gelernten Maschinisten für Gleisbautechnik, der sich auch für alte Zweiräder begeistert, derzeit etwas betrübt, ist der Anblick des Zifferblattes. Dabei habe es schon mal konkrete Pläne gegeben, der Scheibe frische Farbe zu verpassen. Das Vorhaben war aber an dem Friedhofstor gescheitert, das zu eng für eine Hubbühne ist. Eventuell nimmt er in diesem Jahr wenigsten den Anlauf, die Zeiger von einer Turmluke aus mit einer Rolle und einem langen Stiel zu weißen.

Die 42 Stufen zur Kirchturmuhr erklimmt Martin Heu, der auch für kleinere Reparaturarbeiten an der Kirche zur Verfügung steht, wegen der Knochen seltener als früher. Beim Aufziehen und bei den Pflegearbeiten bekommt er inzwischen Hilfe von seinem Enkel Phillip, dem er auch den Rest der Uhr-Patenschaft zu- und später einmal anvertrauen würde. Aber junge Leute zieht es manchmal halt auch in die Welt hinaus.

Dass Zeit, egal ob mechanisch oder elektronisch sicht- und hörbar gemacht, vielleicht nicht alle, aber viele Wunden heilt, ist keine Frage des technischen Verständnisses, sondern Lebenserfahrung. Weshalb Heu nicht ausschließt, in den Schoß der Kirche zurückzufinden. Wenn man sich so etwas verdienen könnte, hätten ihn die vergangen 20 Jahre sicher zu einem aussichtsreichen Anwärter gemacht.