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"Sündikat" bietet auf der Osterburger Kleinkunstbühne politisches Kabarett vom Feinsten Die "Angeladoria" legt an – da bleibt kein Auge trocken

Von Frank Schmarsow 14.02.2011, 04:37

Zum wiederholten Mal machte das Berliner "Sündikat", das zu den Spitzen-Kabaretts Deutschlands zählen dürfte, an der Biese seine Aufwartung. Damit sorgte der Osterburger Verein Kleinkunstbühne erneut und gleich zu Jahresbeginn für einen kulturellen Höhepunkt. Schon einige Tage vorher war der Saal des Hotelrestaurants "Zum Kanzler" ausverkauft.

Osterburg. Mit umwerfender Komik, Ironie und bissigem Sarkasmus hatten die Kabarettisten Wolfgang Koch, Axel Lutter und Fabricio Fettig die "Angeladoria" flott gemacht, um unter Volldampf durch die bundesdeutsche Wirklichkeit im 21. Jahr der Deutschen Einheit zu fahren.

Da blieb kein Auge trocken; gekonnt knallten die Schoten, wurden Pointen gesetzt, da wo sie hingehören. Helmut Kohls blühende Landschaften, Schröders Agenda 2010, Hartz IV, der Teuro, als Meisterstück die Große Koalition mit allen ihren (Un-)Möglichkeiten mit der einstigen FDJ-Funktionärin Angela Merkel aus der Uckermark als Bundeskanzlerin und nun das schwarz-gelbe Desaster. Wer konnte sich das vor reichlich 20 Jahren vorstellen!

Guido Westerwelle, der Meister der Koalition: "Ich mag Deutschland nicht nur, ich liebe unser Land, davor kann man sich nicht schützen", ließ Wolfgang Koch Angies Schildknappen sagen. Und die Kanzlerin? Die promovierte Physikerin, das "Knallgasexperiment auf zwei Beinen", habe die Theorie der verschwundenen Löcher entwickelt: Nach dem Matroschka-Prinzip stopft eine kleines Loch ein größeres, ein größeres ein noch größeres, ein noch größeres eines im bundesdeutschen Haushalt. "Wir haben alles richtig gemacht, auch das, was wir nicht gemacht haben!"

Was könne das deutsche Volk doch stolz ein auf so eine flexible Kanzlerin! "Ich bin so dynamisch – ich habe den Vorwärts- und Rückwärtsgang gleichzeitig eingelegt, aber ich kann auch anders: Ich kann ja mal regieren!" Angela Merkel, "die Lady Macbeth aus Templin, der eiserne Hosenanzug von der CDU" soweit das Auge reicht. Ist unsere Angie etwa angetreten, um den 16-jährigen Kanzlerrekord ihres Ziehvaters Helmut Kohl zu toppen?

Das kabarettistische Trio nahm in seinen kurzen Szenen aufs Korn, was vor allem den Alltag der unteren Bevölkerungsschichten so belastet, weil viele Leute von ihrem Lohn beziehungsweise Arbeitslosengeld nicht mehr leben können: Bankmanager verzocken indes Milliarden Steuer-groschen im Ausland und zahlen sich von den Rettungs- paketen ihre Boni. Die Wirtschaft ist aus den Fugen geraten. Lobbyisten aus der Wirtschaft formulieren Gesetze für den Mundestag. Konzerngrößen verschieben Millionen an der Steuer vorbei in Oasen wie Liechtenstein. Gesundheitsreform, Arbeitslosengeld II, Bildungspolitik, wurden drastisch auf die Schippe genommen. Köstlich auch das Rollenspiel, in dem zwei bornierte alte Prüfer einen jungen Lehramtsreferendar niedermachen und damit sogar den Grundwert Demokratie ins Lächerliche ziehen. Ebenso der Dialog des Pförtners im Bundestag Wolfgang Koch und seines Kollegen Hausmeister Axel Lutter, die sich Histörchen über Merkel, Pofalla, Westerwelle, Brüderle, Rösler und Co wie Spielbälle zuwarfen. "Der beste Platz für einen Politiker ist auf dem Wahlplakat: tragbar, geräuschlos und leicht zu entsorgen."

Unter dem Schlachtruf "Die Kukident-Kampfgruppe schlägt zurück!" nahmen die Kabarettisten die drohende Altersarmut aufs Korn, gegen die man sich zur Wehr setzen müsse. "Einen alten Baum kann man nicht verpflanzen, man haut ihn um! Aber nicht mit uns!" Mit zeitkritischen Texten parodierte sie bekannte Interpreten wie Rex Gildo, Tony Christie, Klaus und Klaus und die Wildecker Herzbuben. Und schließlich erzwang sich das Publikum durch mehrfachen, rhythmischen Applaus eine Zugabe - und zwar eine "Ode an Angela Merkel".