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Land- und Forstwirte betrachten Wetter mit Sorge/Kein Winterschlaf für FledermäuseMilder Winter bringt Natur durcheinander

Von Antje Mewes 09.01.2014, 02:27

Auf den Rasenflächen blühen die Tausendschönchen, in den Gärten die Primeln - Frühling Anfang Januar. Was Autofahrer freut und Heizkosten spart, wird für Natur, Land- und Forstwirtschaft mit Sorge gesehen.

Salzwedel l Morgens um acht schon Temperaturen im zweistelligen Plusbereich, und auch nachts wird es nicht kälter als fünf Grad Celcius. So sieht momentan das Winterwetter aus. Und auch für die kommenden Tage sagen die Meteorologen ähnlich frühlingslaue Luft mitten im Winter voraus. Der machte bislang seinem Namen keine Ehre. Nicht nur die Kinder und Wintersportbegeisterten wünschen sich Schnee und Frost herbei. Auch die Land- und Forstwirte halten nicht viel von der milden Witterung, denn sie sorgt für eine unnatürliche Entwicklung der Kulturen auf den Feldern.

"Es ist ein bisschen gut warm momentan", schätzt Raimund Punke, Vorsitzender des Kreis-Bauernverbandes und praktizierender Landwirt, ein. Vor allem Raps und Wintergerste seien schon weit entwickelt. Starker Frost ohne schützende Schneedecke könnte den Pflanzen arg zusetzen. Erfrierungen seien die Folge. Auswintern nennen die Landwirte diese Schäden, die sich im Frühjahr an Flächen mit welken Pflanzen zeigen. Wenn sich die Landwirte Winterwetter wünschen könnten, gebe es eine Schneedecke und Temperaturen zwischen 0 und minus 10 Grad, beschreibt der Landwirt. Denn auch wenn Kahlfrost schädlich ist, braucht das Wintergetreide Tage mit Minusgraden, um sich normal entwickeln zu können und später Ähren anzusetzen, erklärt er. Außerdem komme das milde Wetter dem Lebenszyklus von Schädlingen der Feldkulturen entgegen. "Das bedeutet, wir müssen mehr Insektizide einsetzen, und das wollen wir natürlich nicht", so Punke.

Auch Forstamtsleiter Helmut Jachalke wartet dringend auf eisigeres Wetter. Seine Mitarbeiter wollen die Winterbodensuche starten. Dabei werden Schadinsekten gezählt, die sich im Boden verkriechen. "Wir brauchen den Frost, sonst bleiben die Biester auf den Bäumen, und wir bekommen kein einheitliches Bild", erklärt Jachalke. Die Überwachung der im Boden überwinternden Insekten sei ein wichtiges In-strument, um Rückschlüsse auf den Befall der Waldbestände zu ziehen.

Auch für Nadelbäume ist die warme Witterung nicht gut. "Sie betreiben aufgrund der Temperaturen weiter Photosynthese. Besser wäre es, sie schließen ab und legen im Frühjahr neu los", erklärt der Förster. Denn die Bäume brauchen die Winterruhe für ihre normale Entwicklung.

"Unsere heimische Tier- und Pflanzenwelt ist an trockene und kalte Winter angepasst", sagt Diplom-Biologe Dieter Leupold. Die Änderung des Klimas mit dem wärmsten November, seit es regelmäßige Wetteraufzeichnungen gibt, komme für sie zu schnell. Viele Arten könnten sich nicht darauf einstellen. Als Beispiel nennt er Insekten, die in verschiedenen Lebensstadien im Boden überwintern. Bei anhaltender Feuchtigkeit wie in diesem Winter würden viele Eier, Raupen, Puppen oder auch erwachsene Tiere wegen Verfilzung oder Fäulnis absterben.

Weihnachten habe er Fledermäuse auf Nahrungssuche gesehen, berichtet Leupold. Eigentlich müssten sie Winterschlaf halten. Doch dazu ist es ihnen zu warm. Wenn die Fledermäuse jetzt unterwegs sind, finden sie nicht genug Nahrung, büßen aber durch die Aktivität ihre Energiereserven ein. Der Klimawandel wirke sich negativ auf die Fauna und Flora der Altmark aus.