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ego-Pilot Volker Lahmann über den Schritt in die Selbständigkeit: "Eine Gründung ist Dauerlauf und kein Kurzstreckensprint"

Von Uta Elste 04.01.2011, 05:25

Seit mehr als fünf Jahren ist Volker Lahmann ego-Pilot im Altmarkkreis Salzwedel, Berater und Begleiter von potenziellen Unternehmern auf ihren ersten Schritten in die Selbständigkeit. Die wichtigste Erfahrung, die er seinen Kunden mit auf den Weg gibt: Selbständigkeit ist ein Dauerlauf, kein Kurzstreckensprint.

Salzwedel. 1069 Kunden, seit September 2005 284 Existenzgründungen, allein im Zeitraum von Anfang Dezember 2009 bis Ende November 2010 52 - Zahlen, hinter denen sich ein vielfältiges Spektrum von Ideen, Vorstellungen, Plänen und Biografien verbergen. Wenn Menschen, die den Sprung in die Selbständigkeit wagen wollen, erstmals Volker Lahmann konsultieren, haben einige mitunter nicht viel mehr als eine Idee. "Andere kommen schon mit relativ festen Vorstellungen", sagt Volker Lahmann. Das Spektrum der Motive, aus denen heraus die Menschen ihr eigenes Unternehmen gründen wollen, ist sehr unterschiedlich. "Manche haben offen gesagt die Nase voll vom Dasein als Hartz IV-Empfänger. Oder sie sind in ihrem derzeitigen Job unzufrieden. Viele Ältere, vor allem die in der Gruppe der 50- bis 55-Jährigen, wollen die Zeit bis zu ihrer Rente überbrücken", fasst Volker Lahmann zusammen.

Künstler hier mehr als anderswo

Mitunter seien die Ideen derart verstiegen, dass er sie den Gründungswilligen wieder ausreden müsse, berichtet der ego-Pilot weiter. Dabei müsse es doch nicht zwangsläufig jedes Mal eine neue Idee sein. "Eine vorhandene Idee anwenderfreundlicher zu gestalten, so dass sie für den Kunden vorteilhaft ist, kann auch die Basis einer Unternehmensgründung sein", weist der ego-Pilot auf eine andere Möglichkeit hin.

Bei jüngeren Leuten, die sich selbständig machen wollen, sei die Geschäftsidee Online-Handel stark ausgeprägt. Zunehmend sei auch der Trend zu verzeichnen, ein Unternehmen vorerst im Nebenerwerb zu führen. Diesen Rat gebe er seinen Kunden häufig, so Volker Lahmann, die Selbständigkeit, wenn möglich, zunächst aus der Sicherheit einer Anstellung heraus auszuprobieren.

Etwa ein Drittel der Gründer waren vorher Hartz IV-Em-pfänger. "Die fangen sehr klein an. Sie haben schließlich keine Bonität, müssen aber Geld verdienen." Wenn die Gründer schon etwas älter sind, spielen oft die bisherigen Berufserfahrungen eine wichtige Rolle beim Schritt in die Selbständigkeit. Und wenn es darum gehe, sich mit der eigenen Firma einen Traum zu erfüllen, seien vor allem Frauen die Ratsuchenden.

Einige Dinge legt er den Gründungswilligen, die sein Beratungsangebot nutzen, besonders ans Herz: "Eine Firmengründung sollte man niemals übers Knie brechen oder sich gar von Fördermitteln treiben lassen. Außerdem darf man niemals bei der ursprünglichen Idee stehen bleiben. Man muss immer den Markt beobachten und herausfinden, was die Menschen brauchen." Denn: Selbständig zu sein, sei ein Dauerlauf und kein Kurzstreckensprint. Herzblut müsse sowieso immer dabei sein, und: "Man muss sich richtig unter die Last stellen, sonst verhebt man sich." Denn nicht alle Gründungen geraten zur Erfolgsgeschichte. Unternehmen werden wieder abgemeldet oder im Nebenerwerb weiter geführt. Von November 2009 bis Anfang Dezember 2010 betrug die Abmelderate 19 Prozent.

Im Spektrum der Firmengründer seien alle Branchen vertreten. In einer Hinsicht unterscheide sich der Altmarkkreis jedoch von anderen Regionen in Sachsen-Anhalt, weiß Volker Lahmann. "Künstler lassen sich bei uns mehr als anderswo nieder." Das seien in der Regel naturverbundene Menschen, die daher die westliche Altmark besonders schätzen. "Und sie lassen sich viel für einen Nebenjob einfallen, denn allein von seiner Kunst zu leben ist sehr schwer." Überhaupt sei der Altmarkkreis ein "gutes Pflaster für Freiberufler", so die Einschätzung des ego-Piloten. Denn beispielsweise für einen Übersetzer sei der Wohnort schließlich nicht das ausschlaggebende Kriterium.

Wenn sich Naturschönheiten für einige Gründungen auf der Plusseite verbuchen lassen, wirke sich das Fehlen einer Hochschule oder von weiterführenden Bildungseinrichtungen eher negativ aus.

Neues aus dem Finanzamt zu Jahresbeginn

Potenzial für die Gründung neuer Unternehmen bietet aus Volker Lahmanns Sicht auch der demografische Wandel. Ältere Menschen wollen, so lange es geht, in ihren eigenen vier Wänden leben. Das biete Platz für viele Ideen, angefangen von medizinischer Fußpflege bis hin zum Hausmeisterservice. Der ego-Pilot weiß aber auch: "An den Gedanken, Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, müssen sich die Kunden erst noch gewöhnen."

Egal, mit welcher Idee oder in welcher Branche der Jungunternehmer seine Firma gründet, einige Probleme betreffen alle gleichermaßen. Diese werden dann während der Existenzgründerstammtische thematisiert, die im zurück- liegenden Jahr vier Mal stattfanden. "Am Jahresanfang geht es in der Regel immer um Neues aus dem Finanzamt", erzählt Volker Lahmann. Doch nach dem Brand im Salzwedeler Seniorenpflegeheim Birkenhof habe man sich entschlossen, auch über Rück- schläge und Scheitern zu reden. "Eine tolle Veranstaltung", resümiert Volker Lahmann. Viele Existenzgründer hätten erleichtert die Angebot ergriffen, auch über diese Aspekte der Selbständigkeit reden zu können.

Den Spruch "Selbständig heißt selbst und ständig" erachtet Volker Lahmann als Klischee. Letztlich betreffe eine derartige Entscheidung das ganze Leben. Das bedeute, das Leben künftig besser zu organisieren, vor allem dann, wenn die Firmengründer Alleinerziehende sind. Und es schließt die Möglichkeit, die eigenen Kräfte zu regenerieren, mit ein. Denn als Unternehmer könne man es sich kaum leisten, krank zu werden.