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Die Einheitsgemeinde steht vor neuen finanziellen Herausforderungen "Es wird deutlich schwieriger als 2014"

30.12.2014, 01:10

Ein turbulentes Jahr liegt hinter der Einheitsgemeinde Kalbe. Im Interview mit Volksstimme-Redakteurin Christin Käther zieht Einheitsgemeinde-Bürgermeister Karsten Ruth eine durchwachsene Bilanz.

Herr Ruth, welches waren die Themen, die die Einheitsgemeinde Kalbe 2014 besonders bewegt haben?

Im Vordergrund stand die Wahl der neuen Kommunalvertretung, also der Ortschaftsräte und natürlich des Stadtrates. Damit einhergehend zum Teil die neuen Ortsbürgermeisterinnen und Ortsbürgermeister. Das war eine recht komplexe Wahl und für uns eine recht spannende Geschichte, da sich die Arbeitsgremien für uns neu definierten. Insofern möchte ich die Gelegenheit nutzen, um danke zu sagen an alle, die sich bei der Wahl eingebracht haben. Anders als in anderen Kommunen ist alles schnell und störungsfrei gelaufen. Von den Ergebnissen her ist es so, dass wir sehr, sehr zügig wieder zur sogenannten Alltagsarbeit zurückkehren konnten. Die Arbeit mit den neuen Parlamenten gestaltet sich im Großen und Ganzen recht angenehm. Wir versuchen die Themen, die anstehen, sehr zeitnah abzuarbeiten. Natürlich gibt es da noch Defizite, wenn es darum geht, eine Zuarbeit zu leisten. Da gibt es immer wieder Kritik, die in den Ortschaftsräten laut wird. Da arbeiten wir daran, dieses Problem abzustellen.

Woran liegt denn diese fehlende Kommunikation zwischen Ortschaftsräten und Stadtverwaltung?

Es gibt unterschiedliche Gründe. Zum einen ist es so, dass der Informationsrückfluss hier im Hause noch nicht ganz so läuft, wie wir ihn uns wünschen. Wir haben ja hier eine Planstelle geschaffen, die für die Protokollabarbeitung zuständig ist. Der Rückfluss aus den Fachämtern klappt noch nicht in dem Maße, wie es sein sollte. Zum anderen ist es aber vielfach so, dass die Qualität der Protokolle zuweilen zu wünschen übrig lässt, dass wir nicht immer eindeutig erkennen können, ob das eine klare Aufgabenstellung oder eine Lautäußerung aus den Ortschaftsräten ist. Die Kommunikation mit den Ortsbürgermeistern ist auch nicht in jedem Fall so, dass wir uns in regelmäßigen Abständen treffen und das über einen kurzen Dienstweg abklären können. Da wäre es wünschenswert, wenn da noch eine engere Kontaktpflege zwischen den Ortschaften und der Stadtverwaltung erfolgen könnte.

Sie haben vergangenes Jahr gesagt, 2014 gehört investiv den Ortsteilen. Inwiefern ist das zugetroffen?

Damit habe ich die Latte relativ hoch gehängt. Diese Äußerung ist auch nicht ganz kritikfrei. Aber ich denke, abgesehen von den Maßnahmen, die bedingt waren durch eine attraktive Förderung und deswegen auf Kalbe fokussiert waren, ist sich im Großen und Ganzen daran gehalten worden. Wir haben größere Maßnahmen wie Straßenbau zumindest begleitend wie in Brunau die Plather Straße mit umgesetzt, wir haben in Klein Engersen die Straße gebaut, in Wernstedt und die Bahnhofstraße in Kalbe. Wir haben aber auch kleinere Maßnahmen im Rahmen der Werterhaltung und der Unterhaltung von kommunalen Liegenschaften auch auf den Dörfern noch realisieren können.

Aber es hat sich trotzdem ein Investitionsstau gebildet ...

Die Liste der Wünsche wird auch 2015 wieder wesentlich länger sein als die Liste der zur Verfügung stehenden Kommunalfinanzen. Wir müssen sehen, wo es eine attraktive Begleitfinanzierung über entsprechende Fördermaßnahmen, sprich Stark III, gibt und wo wir gemeinsam mit weiteren Partnern eventuell in Baumaßnahmen einsteigen können. Das Stichwort Leader spielt wieder mit rein. In diesem Jahr werde ich mich nicht dazu hinreißen lassen zu sagen, das Jahr 2015 gehört auch den Ortschaften. Wir werden sehen, dass es ausgewogen gestaltet sein wird.

Aber man muss natürlich auch vor Augen haben, dass nach 2014 die Finanzsituation sich deutlich schlechter darstellt bedingt durch die Änderung des Finanzausgleichsgesetzes und fehlende Landeszuschüsse, die wir mit einer Höhe von mindestens 450 000 Euro ansetzen müssen. Wir müssen schauen, wo wir die Schwerpunkte setzen. Es wird deutlich schwieriger als in 2014. Ich bin da auch sehr, sehr enttäuscht. Das Jahr 2014 war das erste Jahr in der Geschichte der Einheitsgemeinde, in dem wir einen leicht positiven Haushalt hatten im Ergebnis einer über Jahre gepflegten Sparpolitik und der Notwendigkeit von hohen Belastungen unserer Bürgerschaft durch erhöhte Steuern, Gebühren, Eintrittspreise und so weiter. Da haben wir endlich mal die Ernte eingefahren durch all diese Mühseligkeiten, und das hat uns die Landespolitik natürlich nun gründlich verhagelt.

"Wir müssen die kinderzahlstärksten Einrichtungen den heutigen Bedingungen anpassen."

Wo sehen Sie den größten Investitionsbedarf?

Dieses Mal nicht so sehr im Tiefbaubereich. Wenn man sieht, was 2014 an Geld in die Erde verbaut wurde, wird sich das 2015 nicht in dem Maße wiederholen. Die größten Brocken, die wir zu leisten haben, sind die Anschaffung von Feuerwehrtechnik im Bereich Brunau/Packebusch. Weiterhin die Anteilsfinanzierung zur Erstellung eines Flächennutzungsplanes für die weitere Gestaltung unserer Stadt. Dann kommen die Stark-III-Maßnahmen, die wir diskutieren werden müssen. Ich denke da an den zweiten Bauabschnitt des Hortes Kalbe und einen weiteren Angriff auf die Kita Märchenland in Kalbe. Wir müssen die kinderzahlstärksten Einrichtungen baulich, energetisch und auch optisch den heutigen Bedingungen anpassen.

Aber müsste man nicht gerade die Einrichtungen, die weniger Kinder betreuen, attraktiver für Eltern gestalten wie zum Beispiel in Badel?

Zugegeben, Badel ist eine Einrichtung, die uns ein bisschen Kopfschmerzen bereitet. Aber wer sich die Einrichtung anschaut und mit dem Stand der vergangenen Jahre vergleicht, der sieht, dass wir da nichts haben hinten runterfallen lassen. Die alte Gemeinde Badel hatte schon in die Kita investiert unter dem Aspekt, konkurrenzfähig zu bleiben. Wir haben ja die Sondersituation, dass sich die Kita im Grenzbereich der Gemeinde ansiedelt. Sie befindet sich in Konkurrenz zu benachbarten Einrichtungen im Bereich Beetzendorf-Diesdorf und Arendsee und zu freien Einrichtungen. Das erfordert natürlich auch, dass wir einer vergleichsweise kleinen Kita wie in Badel die gleiche Aufmerksamkeit zukommen lassen und sehen müssen, dass wir das konzeptionell, baulich und personell weiterhin auf dem neuesten Stand halten.

Das heißt aber nicht, dass wir dort in Größenordnungen investieren können wie in den Hort oder die Kita Märchenland. Das hat schlussendlich mit Nachhaltigkeit zu tun. Wir haben zurzeit dort mit Kinderzahlen zu kämpfen, die sich noch nicht auf einem Level bewegen, das uns zufrieden stellt. Wir suchen nach Mitteln und Wegen, dort die Attraktivität der Einrichtung zu steigern und denken auch über Modelle nach, unter Umständen die bereits vorhandenen Horträumlichkeiten zu nutzen, wenn es sich finanziell rentiert. Da müssen wir sehen, wie groß das Interesse bei den Eltern ist. Davon hängt eine ganze Menge ab. Das sind mehrere zehntausend Euro, die dann investiert werden müssten. Wer in die Einrichtung reinschaut, der sieht, da ist schon eine ganze Menge geschehen durch Eigeninitiative der Belegschaft, durch die Hilfe der Eltern, aber auch durch kommunale Finanzmittel. Es ist keine Kita, die wir nicht vergessen haben.

Der Zustand des Feuerwehrgerätehauses in Kalbe stand in jüngster Zeit oft in der Kritik. Da soll es ja irgendwann ein neues Drehleiterfahrzeug geben ...

Die Drehleiter ist laut Risikoanalyse mit der Anschaffung 2020/22 geplant. Das ist mittelfristig zu sehen. Unser Bestreben ist es jetzt, gemeinsam mit den Kameraden eine bautechnische Lösung zu finden, die sich nachher nicht als Schildbürgerstreich darstellt. Wir müssen sehen, passt die Drehleiter in die jetzige Bausubstanz noch rein, muss unter Umständen angebaut werden, muss neu gebaut werden? Im Hinblick auf die aktuellen Probleme - im Sanitärbereich, im Sicherheitsbereich - muss geschaut werden, dass dort bautechnische Lösungen gefunden werden, die auch Bestand haben, wenn wir wegen der Drehleiter etwas verändern. Es wäre fatal, wenn wir heute baulich eingreifen und 2020 das alles wieder rausreißen, was wir vielleicht 2015 schaffen.

Wir suchen nach einer Lösung, die zukunftsfest ist. Deswegen haben wir eine kleine Arbeitsgruppe geschaffen, bestehend aus Mitarbeitern des Bauamtes, Kameraden der Feuerwehr, des Stadtwehrleiters, und auch der Ortsbürgermeister hat erklärt, dass er das Thema gerne begleiten würde, auch wenn der Brandschutz eigentlich keine Ortschaftsangelegenheit mehr ist. Auch in anderen Ortschaften haben wir im Hinblick auf die Feuerwehrgerätehäuser Lautäußerungen in Richtung Sanierung und Instandsetzung. Auch diese Wünsche müssen beachtet werden.

"Die Bürgerarbeit hat uns erheblich entlastet - im Grünbereich wie im sozialen Bereich."

Wie sehen Sie die Feuerwehren in der Einheitsgemeinde allgemein aufgestellt?

Nachdem wir die Maßnahmen aus der Risikoanalyse 2014 realisiert haben, halte ich das Konstrukt für belastbar. Die Vorgaben des Gesetzgebers können wir mit der Organisationsform, die wir haben, einhalten. Aber inwiefern das auf Dauer gelingt im Hinblick auf die Altersstrukturen unserer Feuerwehren, ist ein Stück weit fraglich. An der Front wird sich noch Nachbesserungsbedarf auftun. Wir werden sehen, inwiefern dort durch Leistungen der Kameraden vor Ort, sprich Nachwuchsarbeit, das eine oder andere abgefangen werden kann. Ansonsten werden wir organisatorisch eingreifen und über neue Strukturen nachdenken müssen. Ich rede nicht über Schließung, aber man muss gucken, was man da machen kann. Was mich deutlich freut: Wir haben diese vier Zugbereiche geschaffen, in denen die Zusammenarbeit gut funktioniert, insbesondere im Hinblick auf die Ausbildung. Es ist auch ein gewisses Zusammenwachsen der Strukturen zu beobachten, da bin ich sehr froh darüber.

Die Bürgerarbeit ist in diesem Jahr ausgelaufen. Wie wird es jetzt weitergehen?

Ich war damals keiner, der fahnenschwenkend dem Modell Bürgerarbeit hinterhergelaufen ist. Im Nachhinein betrachtet muss ich sagen, hat uns die Bürgerarbeit erheblich entlastet, im Grünbereich wie im sozialen Bereich. Allerdings, und das ist das Negative dabei, ist die Latte so hoch gehängt worden, dass wir Schwierigkeiten haben, nach Wegbrechen der Bürgerarbeit dort dem Genüge zu tun, was uns aus der Fläche ereilt. Wir versuchen das ein Stück weit zu kompensieren über das Modell Bundesfreiwilligendienst. Nur ist das finanziell noch lange nicht so attraktiv wie die Bürgerarbeit und auch nicht 1:1 umsetzbar. Und ich warte darauf, dass vielleicht Anfang 2015 wieder eine Maßnahme der Agentur für Arbeit auf den Markt geschoben wird, die unter Umständen einspringen kann. Aber da ist zurzeit nichts sichtbar.

Wie hat sich das Kinderförderungsgesetz in der Einheitsgemeinde bemerkbar gemacht?

Die Kifög-Novelle hat uns insofern stark betroffen, als dass wir ein erhebliches Maß an personellen Mehrkosten haben. Aber nicht bedingt dadurch, dass die Mitarbeiter teurer geworden sind, sondern auch die Kinder arbeitsloser Eltern verstärkt in den Kitas aufschlagen und wir damit einen höheren Betreuungsschlüssel abzusichern haben. Wir haben allein im Kita-Personalkostenbereich eine Mehrbelastung von 200 000 Euro. Das ist nicht ohne. Zurzeit ist es so, dass wir die Elternbeiträge noch nicht erhöht haben. Ich gehe davon aus, dass sich diese Erhöhung in der zweiten Hälfte des Jahres 2015 auftun wird. In welchem Maße, lässt sich derzeit noch nicht genau vorhersagen. Sie wird aber kommen, weil wir eine Entlastung des kommunalen Haushaltes brauchen.

Wie ist es sonst um die Personalstruktur bestellt?

Im Verwaltungsbereich sehe ich keine Möglichkeit, Personalkosten einzusparen, auch nicht über Stundenreduzierung oder Personalabschmelzung. Hier ist die Grenze dessen erreicht, was noch verantwortbar ist. Genau so sieht es im Grünbereich aus. Auch da sind wir an einer Stelle angelangt, wo eine Reduzierung nicht mehr vertretbar ist, ohne dass es optisch spürbare Effekte in allen Ortschaften gibt. Die technischen Kräfte arbeiten im Rahmen ihrer Möglichkeiten sehr intensiv. Wir schieben auch schon dringende Wünsche aus verschiedenen Bereichen auf, weil wir einfach nicht mehr die Leistungskraft haben. Ein weiterer Abbau ist schlichtweg nicht mehr hinnehmbar. Es ist nicht davon auszugehen, dass sich die Personalsituation dort verbessert. Ich werde aber dafür kämpfen, dass sie sich nicht verschlechtert.

"Wir schieben schon dringende Wünsche auf, weil wir einfach nicht mehr die Leistungskraft haben."

Bei all den ganzen Sorgen - gibt es etwas, worauf Sie sich 2015 freuen?

Worauf ich mich freue und worauf ich setze - und was in den vergangenen Jahren auch bemerkbar war -, ist das Engagement unserer Akteure vor Ort, hauptamtlich wie ehrenamtlich. Dass wir weitere kreative Ideen entfalten, dass die Zusammenarbeit zwischen der Stadt und den Vereinen sich weiterhin positiv gestaltet und dass wir unsere Stadt so entwickeln können, dass sie lebenswert und zukunftsfest ist. Ich freue mich auch auf die Zusammenarbeit mit den neuen Ortschaftsräten und Stadträten. Die stellt sich derzeit durchaus fruchtbar dar, sehr positiv und sehr konstruktiv. Es wird ein Jahr sein, das viele Diskussionen hervorbringen wird. Aber wir werden die anstehenden Probleme gemeinsam lösen können.

Rückblickend auf 2014 möchte ich mich bei allen Aktiven, bei allen, die sich mit eingebracht haben für unsere Gemeinde, ganz herzlich bedanken für ihr Engagement, für ihren Einsatz, für die tollen Ideen, und wünsche unseren Bürgern für 2015 ein gesundes, neues Jahr.

2016 steht ja dann die Wahl eines neuen Bürgermeisters für die Einheitsgemeinde an. Wie sieht Ihr Plan aus? Treten Sie noch einmal an?

Ich halte mir die Entscheidung noch offen. Bis dahin ist ja noch ein bisschen Zeit. Ich werde da nicht vorzeitig den Hut in den Ring werfen wollen.