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Aus dem Gericht: 24-jähriger Salzwedeler nach Bewährungsstrafe tatverdächtig in sechs Fällen Letzten Warnschuss überhört?

Von Torsten Adam 23.03.2011, 04:27

Salzwedel. "Der letzte Warnschuss" hatte die Volksstimme am 3. November 2010 getitelt, als der 24-jährige Robert K. (Name geändert) tags zuvor vom Schöffengericht Salzwedel zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, ausgesetzt zur Bewährung, sowie 350 Arbeitsstunden verurteilt worden war. Die Chance, die ihm das Gericht gegeben hatte, nutzte der junge Mann offenbar nicht. Denn gestern saß er erneut auf der Anklagebank. Sechs Straftaten wurden ihm vorgeworfen, allesamt soll er sie nach dem erwähnten Urteil begangen haben. Der gestrige Prozess musste wegen des Fehlens wichtiger Zeugen ausgesetzt werden. Denn für den Arbeitslosen steht "viel auf dem Spiel", wie Amtsgerichtsdirektor Andreas Wüstenhagen feststellte. Im Klartext: Ihm droht nun der Gang ins Gefängnis.

Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung, Diebstahl: Gleich wegen acht Delikten, begangen zwischen Juni 2008 und Juli 2010, war der 24-jährige Salzwedeler vor viereinhalb Monaten für schuldig gesprochen worden. Die Taten zusammen hätten genügt, um ihn hinter Gitter zu bringen, doch das Schöffengericht wollte dem jungen Mann noch einmal eine Chance geben. Offenbar vergeblich. Denn seit dem Urteil am 2. November soll Robert K. sechsmal die Grenzen des Gesetzes übertreten haben.

Angeklagter schweigt zu vier Tatvorwürfen

Zum ersten Mal am 11. November. Da forderte der Hartz-IV-Empfänger, der die 8. Klasse ohne Abschluss verlassen und eine Lehre zum Elektroniker abgebrochen hatte, nach dem Verzehr einer Pizza in einem Salzwedeler Lokal sein Geld zurück. Dann wurde er handgreiflich, sein Gegenüber konnte die Schläge abwehren, heißt es in der von Staatsanwalt Eduard Zimmermann verlesenen Anklageschrift. Sechs Tage darauf soll er einen Mann im Gesicht verletzt haben, weil er ihm keine Zigaretten gab. Am 23. November soll Robert K. beim Verlassen des Penny-Marktes einen Mann mit "schwuler Penner" beschimpft und ihm einen Faustschlag versetzt haben. Der Angeklagte schweigt zu den drei Körperverletzungsvorwürfen ebenso wie zum Vorfall am 5. Januar 2011. Obwohl mit Hausverbot belegt, wurde Robert K. schlafend im Treppenhaus des Altmark-Klinikums angetroffen.

Sehr wohl etwas zu sagen hat der 24-Jährige zu einem ihm zur Last gelegten Ladendiebstahl. Eine Flasche Red Bull für 1,79 Euro und eine Flasche Schnaps für 3,99 Euro soll er am 29. November im Lidl entwendet haben. Die Filialleiterin wollte den vermeintlichen Dieb hinter der Kasse zur Rede stellen. Doch er riss sich los und flüchtete. Seine Erklärung für dieses Verhalten: Ein Bekannter habe ihm eine Schachtel Zigaretten geschenkt. Und da die Polizei ihn besonders auf dem Kieker habe, hätten die Beamten bestimmt geglaubt, dass er die Glimmstengel gestohlen hat.

Die als Zeugin geladene Filialleiterin berichtet, dass sie und eine Kollegin Robert K. besonders beobachtet hätten, da er ihnen wegen eines früheren Diebstahls bekannt gewesen sei. "Er nahm in jedem Gang etwas in die Hand, und wenn er um die Ecke ging, war es weg", schildert die Frau. Da er bei seiner Flucht Ausbeulungen in Hose und Jacke hatte, sei sie davon überzeugt, dass er den Energydrink und die Flasche Klaren darunter verborgen hatte.

"Einsteckvorgang" nicht beobachtet

Auf hartnäckige Nachfrage von Richter, Staatsanwalt und Pflichtverteidiger Sascha Gille muss die Zeugin allerdings einräumen, dass sie den eigentlichen "Einsteckvorgang" nicht gesehen hatte. Da ihre Aussagen zu "unpräzise" seien, ordnet Andreas Wüstenhagen die Ladung ihrer Kollegin an, die gestern allerdings nicht mehr ausfindig gemacht werden kann.

Schließlich soll Robert K. am 16. November auch ein nicht angeschlossenes Fahrrad vor der Schlecker-Filiale gestohlen haben. Die Eigentümerin des Citybikes verfolgte den Täter zu Fuß und holte ihn an der Lorenzkirche ein, da er auf dem eigenen Fahrrad saß und mit zwei Drahteseln nicht so schnell vorankam. Dieser machte sich aus den Staub, während die Salzwedelerin aus der Drogerie ihre Sachen abholte und auf die Polizei wartete, sagt die Zeugin aus. Die Frau, die ihr Alter mit 27 angibt und dann vom Richter aufgeklärt wird, dass sie bereits 29 Jahre alt ist, identifiziert den Angeklagten eindeutig. Robert K. kann sich an die Tat nicht erinnern. Vermutlich, weil er unter Drogen- oder Alkohol-einfluss stand, deutet die Zeugin ihre damalige Wahrnehmung. Wenig später habe Robert K. nämlich rein zufällig vor ihrer Haustür gestanden und sie um Tabak gebeten. "Er sprach mich mit ,Sie\' an und hat mich nicht wiedererkannt", berichtet sie. Dabei hätten sich beide nach dem Fahrradiebstahl eine Weile miteinander unterhalten.

Um alle Anklagepunkte zweifelsfrei aufklären zu können, sollen weitere Zeugen gehört werden. Wann es mit dem Prozess weitergeht, ist noch offen.