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Archivar Steffen Langusch blättert in über 500 Jahre altem Buch Das Salzwedeler Recht an der Kette

Von Marco Papritz 23.04.2011, 06:27

Das Archiv der Hansestadt Salzwedel hat einen großen Bestand. Amtsbücher lassen sich laut Archivar Steffen Langusch allerdings nur fünf bis sechs finden. An mittelalterlichen Handschriften gibt es nur ein Exemplar - ein Kettenbuch.

Salzwedel. Vorsichtig legt Steffen Langusch das Buch ab und schlägt den mit Schweineleder überzogenen Holzdeckel auf. Unübersehbar: die Kette, die an einem Beschlag befestigt ist. Das Buch stammt aus einer Zeit, als Bücher noch so wertvoll waren, dass sie angekettet wurden, um sie vor Dieben zu schützen. "Dieses hier ist eine Sammelschrift mit einer Vielzahl von Einzeltexten. Das Inhaltsverzeichnis ist erst später hinzugefügt worden", erzählt der Stadtarchivar beim Betrachten des Buches. Vermutlich seien die einzelnen Texte im 15. Jahrhundert entstanden. "Sie sind wohl abgeschrieben worden aus teilweise wesentlich älteren Sachen." Etwa Auszüge aus dem Sachsenspiegel. Das Buch besteht überwiegend aus lateinischen Texten. "Es gibt aber auch deutsche, wie hier ,Dat Soltwedelsche Recht\'", schlägt Steffen Langusch eine Seite vorsichtig auf. "Also das Salzwedelsche Stadtrecht in der mittel- beziehungsweise niederdeutschen Fassung. Es ist eben eine ganz wilde Mischung", fasst der Archivar zusammen.

Bei dem Kettenbuch handelt es sich zweifelsohne um eine Rechtshandschrift. "Vor einiger Zeit war eine Wissenschaftlerin aus Potsdam hier. Sie interessierte sich besonders für Auszüge aus der Goldenen Bulle von Karl IV, die in dem Buch mit erfasst sind." Dabei habe sie Unstimmigkeiten bei den Inhaltsangaben im Vergleich zu anderen Texten festgestellt. In Zusammenarbeit seien dann neue Inhaltsangaben entstanden, so Langusch.

Buch vermutlich 1468 gebunden

Seit jeher soll das Kettenbuch im städtischen Besitz sein. "Die Sache mit der Kette lässt vermuten, dass es im Gerichtsraum zum ständigen Gebrauch des Salzwedeler Gerichts gelegen hat", so der Archivar. Wobei hinzuzufügen sei, dass im Mittelalter der Rat die Gerichtsbarkeit inne hatte. "Das Interessante ist, dass die verschiedenen Texte von verschiedenen Schreibern verfasst worden sind. Teilweise waren es auch Ratsherren, die während ihrer Ausbildung, ihres Studiums die Texte abgeschrieben haben.""

1468, so lässt eine Angabe im Buch vermuten, sei es womöglich gebunden und von Georg Gerlach dem Rat geschenkt worden. "Die Siegel im Buch passen dazu allerdings nicht", stellt Langusch fest. Es sei das Siegel der Salzwedeler Neustadt allerdings in der späteren Form (so wie etwa im 17. Jahrhundert) verwendet worden. "Deswegen vermuten wir auch, dass das Blatt einmal lose dem Buch beigelegt wurde und irgendjemand es später fest in das Buch eingebracht hat", sagt er, während er mit dem Zeigefinger entlang der Innenseite des Umschlagdeckels fährt, wo deutliche Einschnitte zu erkennen sind. "Wie sich das für ein richtiges mittelalterliches Buch gehört, befanden sich daran auch Beschläge." Die sind - im Gegensatz zum Fingerregister zum schnellen Wiederfinden bestimmter Texte - im Laufe der Zeit abhanden gekommen.

Werk noch relativ gut erhalten

Zwar habe der berühmte Zahn der Zeit auch vor dem Buch nicht Halt gemacht, "aber es ist noch in einem relativ guten Zustand, wenn man überlegt, dass es schon über 500 Jahre alt ist", schätzt Salzwedels Stadtarchivar ein.

Bei Kettenbüchern seien in späteren Jahren die Ketten abgenommen worden, die natürlich stören, wenn sie in die Regale gestellt werden. "Um so schöner, dass unseres hier noch komplett ist", sagt Steffen Langusch und klappt das Buch zu.