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Besichtigungen zum Hansefest möglich, Informationsveranstaltung für Mitte Juni geplant Lyzeum auf dem besten Wege zum Kunsthaus

Von Torsten Adam 28.04.2011, 04:33

Mit dem Kauf des ehemaligen Lyzeums durch die Gornig GmbH ist in der Vorwoche die Basis für die Einrichtung eines Kunsthauses gelegt worden. Zum Hansefest am ersten Juni-Wochenende soll das Gebäude Bürgern erstmals zugänglich gemacht werden. Etwa zwei Wochen später soll das Projekt den Einwohnern dann detailliert vorgestellt werden, kündigten gestern Oberbürgermeisterin Sabine Danicke und Gornig-Geschäftsführer Dietrich von Gruben an.

Salzwedel. "Ich weiß das Haus in guten Händen", sagte Sabine Danicke. Um solch ein Projekt zu starten, müsse man schon - im positiven Sinne - ein bisschen verrückt sein, lobte sie das Engagement der Gornig GmbH. "Die gesellschaftliche Verantwortung unseres Unternehmens soll sich in dem Kunsthaus widerspiegeln", erwiderte Dietrich von Gruben. Die Belebung der Innenstadt, vor allem abends, sei ebenso ein Anliegen wie das Heranführen von Bürgern und Schülern an die Kunst. Mindestens eine Million Euro wird nötig sein, um das 105 Jahre alte Gebäude in den nächsten zwei Jahren wieder auf Vordermann zu bringen, schätzt der Kunstmäzen ein. Möglichst viele Bürger sollen sich deshalb in der zu gründenden Kunststiftung engagieren, sei es durch Geldspenden oder durch Arbeitsleistungen. Mit der Sparkasse Altmark West sei ein Großsponsor gefunden, weitere Unternehmen der Region sollen in den nächsten Wochen angesprochen werden. In der Bevölkerung gibt es eine große Identifikation mit dem Haus, hat Dietrich von Gruben wahrgenommen. Diese solle weiter gefördert werden.

Gus Kopriva aus Texas, eng mit dem Hilmsener Künstler Hans Molzberger befreundet, hat der Oberbürgermeisterin schriftlich versichert, seine Kunstsammlung der Stiftung auf Leihbasis für zunächst zehn Jahre zur Verfügung zu stellen. Dann könnte die Hansestadt mit Werken von Picasso, Rembrandt und Miro Touristen anlocken. Der US-Amerikaner stellte in Salzwedel bereits im Gerlach-Speicher unter dem Titel "Broken Brushes" Grafiken renommierter Künstler aus.

Die Kopriva-Sammlung soll den Grundstock des Kunsthauses bilden, weitere Ausstellungen sollen sich auf den fast 3000 Quadratmetern Nutzfläche abwechseln. Platz gibt es genug. Der Einzug der Tourist-Information ist für Salzwedels Marketingamtsleiter Olaf Meining deshalb ebenso vorstellbar wie die Einrichtung einer öffentlichen Toilette im Keller.

Bürger sollen zum Hansefest erstmals Einblick in das Gebäude erhalten. Mitte Juni soll es eine Informationsveranstaltung mit Gus Kopriva, Hans Molzberger, Vorträgen zur Geschichte des Hauses, Architektenentwürfen und Bürgermeinungen geben.

1906 eingeweiht

Der Backsteinbau gegenüber der Sparkassen-Zentrale war am 10. Januar 1906 als Lyzeum (Mädchenschule) übergeben worden. Während und nach dem Zweiten Weltkrieg diente das Haus als Lazarett, ab 1946 als zweites Rathaus, ehe es in der DDR in ein Pionierhaus umfunktioniert wurde. Nach der politischen Wende noch als Schülerfreizeitzentrum genutzt, wurden dort bis Ende der 1990er Jahre noch einzelne Klassen des Jahngymnasiums unterrichtet. Im Jahr 2000 verkaufte der Altmarkkreis das Gebäude für 35 000 Mark an Christian Ferdinand Isernhagen. Seitdem verfiel es zusehends. Diverse Nutzungspläne des Hamburger Kaufmanns zerschlugen sich. In der Vorwoche verkaufte er das Haus nach monatelangem Tauziehen an die Gornig GmbH.

Ein Rundgang

Olaf Meining gewährte der Volksstimme gestern einen Einblick. Hinter der knorrigen Eingangstür empfängt das Werbeschild eines China-Restaurants den Besucher. Im Treppenhaus bröckelt der Putz, Klopapierstreifen liegen auf dem Boden. Schmierereien an den Wänden zeugen von ungebetenen Gästen. Im Keller war einst die Arbeitsgemeinschaft Keramik zu Hause, verrät ein Türschild. Spinnweben hängen von den Neonröhren, aus dem Elektrokasten sind alle Sicherungen entfernt. Eine Treppe rauf, im Erdgeschoss prägt ein wunderbarer Gewölbegang den Flur. Bautechnisch in nichts nach steht ihm der Saal im ersten Stockwerk. Er erinnert stark an das "Odeon". Die mehr als 50 Räume, verteilt auf vier Etagen, sind teilweise vermüllt oder zugestellt mit Reklametafeln, Leuchtwerbung und gläsernen Ladentüren, die der Vorbesitzer dort lagerte. In einem Raum hängen vergilbte Plakate von "Blümchen" und der Boyband "\'NSync" - beide gibt es längst nicht mehr. Auf einer Schultafel hat sich eine Jasmin mit Kreide verewigt. Daneben steht "Laura war hier". In einem Nachbarzimmer liegen mehrere Feuerlöscher vor einem Herbstpanorama. Im Februar 2000 sind sie letztmalig überprüft worden. Fast überall fallen Graffiti ins Auge, die den geplanten Kunstansprüchen des Hauses nicht genügen werden. Die Kritzeleien zeugen eher vom Kunstverstand eines Kleinkindes. Im obersten Stockwerk liegt ein Anti-NATO-Transparent auf dem Boden, weitere Bettlaken sind mit Parolen beschmiert. Offene Fensterflügel geben den Blick frei auf die gegenüberliegende Wallstraße. In einem Raum ist Wasser durchs Dach eingedrungen, das Mauerwerk einer Wand hat sich grün gefärbt, der Boden gewellt. Die Bausubstanz scheint - von dieser Ausnahme abgesehen - weitestgehend in Ordnung zu sein. Dennoch deutet der Gesamtzustand des Gebäudes an, welche Mammutaufgabe vor den Kunstfreunden liegt. "Wir sind uns des Risikos bewusst. Aber wir kriegen das in den Griff", zeigte sich Dietrich von Gruben gestern optimistisch.