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Dr. Michael Hupfer vom Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei Berlin im Volksstimme-Interview Forscher testen Tiefenwasser im Seelabor

24.03.2012, 03:20

Die neue schwimmende Forschungsplattform liegt im See. Dort untersuchen Forscher vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie das Wasser unter Klimaveränderungen. Für die Volksstimme sprach Helga Räßler mit Laborchef und Arbeitsgruppenleiter Dr. Michael Hupfer.

Volksstimme: Dr. Hupfer, seit einer Woche liegt eine neue schwimmende Forschungsplattform auf dem Arendsee, eine sogenannte Enclosures-Anlage. Was ist darunter zu verstehen?

Michael Hupfer:

Das ist eine begehbare und erweiterbare Schwimmplattform, unter der vier Zylinder aus flexiblem Material von je 30 Meter Länge hängen, die bis auf den Seegrund reichen. Darin laufen Experimente unter naturnahen Bedingungen. Man kann die Anlage als eine Art Seelabor bezeichnen.

Volksstimme: Was passiert dort genau?

Michael Hupfer: Es finden Tests, beginnend in 20 Meter Tiefe, statt. Dabei soll erfasst werden, wie viel Phosphor im Sediment zurückgehalten wird und wie viel im Wasserkörper bleibt. Dabei spielen die Schichtungen je nach Jahreszeit und Witterung eine Rolle. Wir erfassen, wie sich die Prozesse im Tiefenwasser abspielen, wenn es länger von der Sauerstoffzufuhr abgeschnitten ist.

Volksstimme: Anfang der 1990er Jahre gab es schon einmal eine Enclosures-Anlage auf dem See.Was ist der Unterschied zur heutigen ?

Michael Hupfer: Damals war die Anlage mehr in Ufernähe positioniert und reichte in 20 Meter Tiefe. Da fangen wir erst an, weil unser Augenmerk auf dem Tiefenwasser und den Vorgängen im Sediment liegt. Wir testen auch keine Fällmittel mehr und die biologischen Reaktionen auf veränderte Nährstoffkonzentrationen, sondern wollen verstehen, wie sich der See zum Beispiel bei verringertem Nährstoffangebot und veränderten klimatischen Bedingungen verhält.

Volksstimme: Was haben die heutigen Versuche auf der Plattform mit der eigentlichen Vorbereitung der geplanten Seesanierung zu tun?

Michael Hupfer: Wenn der Trend der Klimaerwärmung anhält, kann es zu einer weiteren Verschlechterung des Sauerstoffhaushaltes kommen. Das würde die Dringlichkeit der geplanten Sanierung deutlich machen. Ich befürchte eine Verstärkung der Eutrophierungserscheinungen durch den erwarteten Klimawandel.

Volksstimme: Welcher Stand ist bei den Tests zur Untersuchung der Nährstoffeinträge über die Zuflüsse und das Grundwasser erreicht?

Michael Hupfer: Im Auftrag des Landesbetriebs für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft haben wir nicht nur die Zuflüsse untersucht, sondern auch Grundwasserproben und Brunnentests vorgenommen. Es hat sich erwiesen, dass ein erheblicher Teil der Phosphorbelastung aus dem Grundwasser kommt. Jetzt sind wir bei der Identifizierung der Quellen. Das ist entscheidend, denn eine spätere Phosphorfällung ist nur optimal, wenn wir in der Lage sind, die Nährstoffbelastungen von außen zumindest zu reduzieren. Mitte des Jahrens sollen wir neue Ergebnisse vorlegen.

Volksstimme: Der Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Der Arendsee geht von einer Sanierung mit der chemischen Element-Verbindung Polyaluminiumchlorid aus und will sich am Haussee bei Feldberg ein Bild von der Anwendung machen. Waren Sie dort erfolgreich?

Michael Hupfer: Erfolg ist nicht unmittelbar nach Abschluss einer Maßnahme messbar. Aber die Fällung hat gewirkt wie erwartet. Der Phosphorgehalt in diesem See ist stark zurückgegangen. Die Nachuntersuchungen laufen noch, um eine tatsächlich langanhaltende und nachhaltige Wirkung nachzuweisen.

Volksstimme: Gab es dort auch Chemiegegner und Befürworter einer ökologischeren Variante? Und wie haben Sie sie von Ihrem Ansatz überzeugt?

Michael Hupfer: Am Haussee hatten wir starken Rückhalt und viel Unterstützung von den Seenutzern, die ein Ziel hatten: die touristische Attraktivität ihres Sees wieder zu erhöhen. Es gab keine Gegner des favorisierten Verfahrens. Es herrschte Verständnis.

Volksstimme: Fachleute sprechen von einer sehr starken Eutrophierung, sprich Belastung mit Nährstoffen (Phosphor) des Arendsee-Wassers. Binder Aktivisten haben jetzt Wasserproben in einem Frankfurter Labor testen lassen. Ergebnis: Trinkwasserqualität. Was sagen Sie dazu?

Michael Hupfer: Da spielt die Jahreszeit und Wassertiefe eine Rolle. Die Proben wurden im Juni genommen, als starkes Algenwachstum herrschte. Sie stammen aber sicher von der Oberfläche und wurden nur nach einigen Parametern untersucht, wie zum Beispiel Nitrat, Nitrit, Ammonium und Phosphat. Diese wenigen Angaben reichen nicht zur Einstufung als Trinkwasser aus. Und der im Wasser gelöste Phosphorgehalt ist niedrig, weil er nicht im Wasser an der Oberfläche nachweisbar ist, sondern in den Algen steckt. Einige der am Arendsee vorkommenden Algen geben toxische Stoffe ab. Und deren Wirkung lässt auf keinen Fall auf Trinkwasserqualität schließen. Im Gegenteil.

Volksstimme: Jüngst tauchte die längst widerlegte Auffassung wieder auf, die Wildgänse seien Hauptverursacher der Phosphorbelastung. Sind die jetzt schuld und nicht die anderen Quellen?

Michael Hupfer: In einer aktuellen Studie haben wir den Eintrag der Gänse unter die Lupe genommen. Er macht nicht mehr als 10 Prozent der Gesamtbelastung aus. Zudem wurden durch das Kreisumweltamt Salzwedel Zählungen vorgenommen, die belegen, dass die Zahl der überwinternden Wildgänse stark rückläufig ist. Die Phosphorbelastung ist aber ansteigend.