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  7. Gerichtsurteil stärkt Bürgerrecht: Satzungen schneller beschließen

Holger Neumann, Landespräsident von "Haus & Grund", sieht Kommunen in der Pflicht Gerichtsurteil stärkt Bürgerrecht: Satzungen schneller beschließen

Von Olaf Koch 16.04.2013, 03:15

Schönebeck l Das Bundesverfassungsgericht hat ein richtungsweisendes Urteil zum Schutz der Bürger gesprochen: Eine verkürzte Festsetzungsverjährungsfrist muss ausreichend sein. Wirkt sich dieses Urteil auch auf Schönebeck aus?

Als ein "sensationelles Urteil des Bundesverfassungsgerichtes" bezeichnet Holger Neumann, Landespräsident der Eigentümerschutz-Gemeinschaft "Haus Grund", das Anfang März ergangene Urteil (1 BvR 2457/08) des höchsten deutschen Gerichtes.

In Bayern hatte ein Eigentümer geklagt, der 2004 einen Abwasserbeitragsbescheid für ein Haus erhalten hatte, dessen Eigentümer er von 1992 bis 1996 war. 1992 hatte die Gemeinde bei einer Hausbesichtigung festgestellt, dass ein Dachgeschoss ausgebaut war, für das noch kein Abwasserbeitrag geleistet wurde. Die Beitragserhebung wurde immer wieder verzögert, weil sieben Abgabensatzungen unwirksam waren und es der Gemeinde erst im Jahre 2005 gelang, eine nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes wirksame Satzung zu veröffentlichen - 13 Jahre später.

Den Einwand der Verjährung hatten alle Gerichte ignoriert, weil sie der Auffassung waren, die Verjährungsfrist von vier Jahren könne erst beginnen, wenn es der Gemeinde gelungen sei, wirksames Satzungsrecht zu produzieren. "Ebenso haben bisher auch alle Gerichte in Sachsen-Anhalt entschieden. Die ständige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Sachsen-Anhalt und der untergeordneten Verwaltungsgerichte erweist sich damit als nicht verfassungskonform. Auch viele Kommentare zum Kommunalabgabenrecht müssen neu geschrieben werden", ist sich Holger Neumann sicher.

Die Leitsätze des Urteils lassen sich nach Meinung des Landespräsidenten von "Haus Grund" nicht nur auf den bayrischen Einzelfall beschränken, denn die Richter stellten fest, dass das Rechtsstaatsprinzip Regelungen verlangt, dass Abgaben nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung des Vorteils festgesetzt werden können.

Das Urteil könnte demnach auch Auswirkungen auf viele aktuelle Beitragserhebungen haben, so zum Beispiel zu Abwasserbeiträgen des sogenannten "Herstellungsbeitrages II" für bereits 1991 angeschlossene Grundstückseigentümer, die zur Zeit gerade flächendeckend in Sachsen-Anhalt verschickt werden. Das trifft zum Teil auch auf Schönebeck zu. Die Volksstimme hatte in der vergangenen Woche das Rathaus um eine entsprechende Stellungnahme dazu geben, eine Antwort blieb bis gestern aus.

"Wir fordern auch den Gesetzgeber auf, unverzüglich entsprechende Regelungen im Kommunalabgabengesetz aufzunehmen, die die Grundstückseigentümer vor unberechtigten Beitragserhebungen schützen und die den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichtes entsprechen," so der Landespräsident der Eigentümerschutz-Gemeinschaft "Haus Grund".

Holger Neumann plädiert dafür, im Kommunalabgabengesetz eine Festsetzungsverjährungsfrist von vier Jahren zu verankern, die mit der bautechnischen Fertigstellung einer Straße oder dem Anschluss eines Grundstückes an die vor dem Haus liegende Abwasserleitung beginnen soll. "Denn zu diesem Zeitpunkt ist der Vorteil für den Eigentümer eingetreten, und vier Jahre müssen ausreichen, um die Abrechnung zu erstellen", argumentiert der Landespräsident.

Bisher konnten Abwasserverbände und Kommunen den Beginn der Festsetzungsverjährung fast "beliebig manipulieren", sagt Neumann. So wurde eine wirksame Satzung gefordert, die Anforderungen an die Satzungsgestaltung von den Gerichten aber immer wieder verändert. "Das Streben nach einer wirksamen Satzung war wie die Suche nach der absoluten Wahrheit", so Neumann.

Nach dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes würden viele Beitragsbescheide angreifbar, die sich auf Straßenausbau oder Abwasseranschluss beziehen, die länger als vier Jahre zurück liegen.

Allerdings dürften bestandskräftig gewordene Bescheide von der neuen Rechtsprechung nicht mehr profitieren, denn das Bundesverfassungsgericht hat im konkreten Fall den Gesetzgeber aufgefordert, für die Zukunft klare Regelungen für die zeitliche Begrenzung der Beitragserhebung zu erlassen.