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Mediziner praktiziert an schnellen Strecken und im Krankenhaus Vogelsang Geschichten zwischen Elbe und Fläming: Michael Scholz - der Formel 1 Arzt aus Gommern

Von Jan-Thomas Goetze 22.11.2013, 02:09

Er ist 46 Jahre alt, Anästhesist, Magdeburger und praktiziert als Oberarzt im Fachkrankenhaus Vogelsang-Gommern: Dr. Michael Scholz. Er ist als Chefmediziner des Deutschen Motorsport Bundes (DMSB) und als permanentes Mitglied der medizinischen Kommission des Internationalen Motorsportverbandes FIA (Fédération Internationale Automobile) einer der profiliertesten Ärzte im weltweiten Motorsport.

Gommern l Begeisterung für seinen Beruf spürt man in jedem Wort, jedem Satz, mit dem er über seine Arbeit spricht. Egal, ob es um seine Operationen in der Fachklinik Vogelsang oder über seine Tätigkeit an den Formel-1-Strecken der Welt geht. Er strahlt Vertrauen und Kompetenz aus. "Und er ist eigentlich immer gut gelaunt", sagt Thomas Schröder, Verwaltungsleiter des Fachkrankenhauses Vogelsang, über seinen Oberarzt.

Dr. Scholz ist auch auf der Rennstrecke in Sachsen-Anhalt im Einsatz. Wenn die Startampeln zum DTM-Lauf (Deutsche Tourenwagen Masters) in Oschersleben auf "Grün" schalten, schaut er konzentriert auf die Rennstrecke. Im Falle eines Unfalles muss er als CMO (Chief Medical Officer, so die offizielle englische Bezeichnung für den Medizin-Chef an der Rennstrecke) sofort den medizinischen Einsatz koordinieren. Er bestimmt, welche Kräfte im Unglücksfall zum Einsatz kommen, er hält den Kontakt zur Rennleitung - in der Formel 1 wie auch im DTM-Lauf in Oschersleben. Wenn die optimale Versorgung der Fahrer im Schadensfall nicht gewährleistet werden könnte, neutralisiert oder unterbricht er das Rennen in Absprache mit der Rennleitung.

Scholz: "Die Sicherheit der Rennfahrer hat absolute Priorität. Wenn die Notfallversorgung nicht optimal gewährleistet ist, wird das Rennen unterbrochen."

Eine jüngste Anekdote hat er gleich parat. Scholz: "Auch die FIA kommt im Vorfeld nicht auf alle Möglichkeiten, was an einem Rennwochenende passieren kann. Beim DTM-Qualifying im August auf der Rennstrecke bei Moskau in Russland hat Präsident Wladimir Putin für seinen geplanten Flug den Luftraum sperren lassen. Rettungshubschrauber hätten nicht starten können, ein Erreichen des Klinikums auf dem Straßenwege wäre in der geforderten Zeit von maximal 20 Minuten nicht möglich gewesen. Die Qualifikation musste deshalb aus Sicherheitsgründen abgebrochen werden." Ein Szenario, wie die Sperrung des Luftraumes, ist in Oschersleben so nicht denkbar. Aber auch hier stehen Hubschrauber und Rettungsteams für den Fall eines Unglückes parat. Natürlich sind alle froh, wenn sie nicht gebraucht werden.

Auch Dr. Scholz, der durch seine jetzt über 15-jährige Tätigkeit als Rennarzt viele Piloten von der Formel 1 bis zur DTM-Serie lange Jahre begleitet hat. Nico Rosberg (Mercedes GP) kennt er noch von seinen Kart-Einsätzen in Oschersleben, Lewis Hamilton (Mercedes GP) aus der Formel 3 und den jetzt vierfachen Weltmeister Sebastian Vettel (Red Bull Racing) von BMW. Auch Ex-Formel-1-Star David Coulthard ist ein langjähriger Weggefährte, ebenso Mark Webber (Red Bull Racing), dessen Abschied von der Formel 1 er bedauert.

Seine 15-jährige Tochter Laura-Allessandra ist ein ganz besonderer Fan von Jenson Button, Weltmeister von 2009 und aktuell Fahrer bei McLaren. Zum Rennen durfte sie ihren Vater zwar noch nicht begleiten, dafür hat er aber seiner Tochter von Button signierte Souvenirs mitgebracht.

Michael Scholz ist 1967 in Magdeburg geboren, an der Erweiterten Oberschule Humboldt zur Schule gegangen und hat in Magdeburg Medizin studiert. Als 1997 die Rennstrecke Oschersleben eröffnet wurde, hat er sich beworben. Damals ohne Erfolg. Viele rennsportbegeisterte Mediziner wollten dort tätig sein. Zu dieser Zeit arbeitete er in der Uniklinik Magdeburg. Ein Praktikant, der eine Ausbildung zum Rettungsassistenten in der Uniklinik machte, ließ dann doch noch zufällig seinen Traum wahr werden. Er hatte beste Beziehungen zur Rennstrecke nach Oschersleben und sagte: "Schick mir doch einfach mal deine Unterlagen, so einen wie dich können wir gut gebrauchen", erinnert sich Scholz. Und tatsächlich, er durfte dabei sein. Ein weiterer Zufall kam hinzu: Ein Rennarzt fiel in Oschersleben aus, Scholz sprang als Kenner der Szene und der medizinischen Notfallversorgung im Raum Magdeburg für ihn ein. Es war das Jahr 1998 und der Auftakt für eine steile internationale Karriere im Motorsport.

Wenn er nicht gerade als Anästhesist in Vogelsang tätig ist, ist er auch Fachmann für alle medizinischen Fragen des weltweiten Motorsports und somit an neuesten medizinischen internationalen Entwicklungen beteiligt, die auch in der normalen Medizin und Unfallforschung wichtige Erkenntnisse bringen. Namen wie Lotus, Ferrari, Formel-1-Weltmeister Kimi Räikkönen und Formel-1-Papst Bernie Ecclestone baut er in seine Sätze vollkommen selbstverständlich ein. Die schnelle und schillernde Formel-1-Welt gehört für ihn zu seinem täglichen Leben, trotzdem ist er immer bodenständig geblieben.

Jeder Patient - ob Formel-1-Star oder Patient in Vogelsang - bekommt die gleiche Aufmerksamkeit. Er ist eben Arzt aus Leidenschaft. Scholz: "Wichtig ist mir, dass ich weiter klinisch und praktisch tätig bin. Die Kooperation und Akzeptanz im medizinischen Team ist somit besser gewährleistet."

Die Technik geht stetig voran. Auch in der Rennmedizin. Ein Beispiel: Mittlerweile sind die Fahrer im Ohr mit Sensoren ausgestattet, die sofort anzeigen, welchen Fliehkräften der Fahrer bei einem Unfall ausgesetzt ist. Scholz: "Ich sehe anhand meiner Monitore schon was passieren wird, bevor der Wagen tatsächlich eingeschlagen ist. Ich kann sofort reagieren, das Rennen neutralisieren (unterbrechen) und die notwendigen Hilfsmaßnahmen einleiten. Wertvolle, manchmal lebensrettende Zeit, die so nicht verloren geht." Die Daten werden durch Mikrochips, die in die individuellen Ohrstöpsel eingearbeitet werden, übermittelt. Scholz: "Die Stöpsel, in denen sich diese modernste Technologie befindet, werden für jeden Formel-1-Fahrer individuell gegossen. Der Stöpsel von Fernando Alonso passt auch nur in das Ohr von Fernando Alonso." Das erste Fachseminar besuchte Michael Scholz noch zu Zeiten des legendären Professor Sid Watkins, der von 1978 bis 2004 die Rennmedizin der Formel 1 leitete. Es fand in Paris statt.

Die letzten Todesopfer in der Formel 1, Roland Ratzenberger und Ayrton Senna, gab es 1994 - danach nicht mehr, was den Sicherheitsbestimmungen und der weiteren Optimierung der Medizin im Motorsport zu verdanken ist. Scholz: "In anderen Rennserien hat es leider trotz aller Weiterentwicklungen zahlreiche Todesopfer gegeben. So zum Beispiel im Oktober den Tod von Sean Edwards bei einer Testfahrt in Australien. Edwards gehörte in diesem Jahr zu den Siegern beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. In Australien saß der 26-Jährige auf dem Beifahrersitz.\'\' Die Einbindung von Dr. Scholz in den internationalen Motorsport wirkt sich auch auf die Rennstrecke Oschersleben aus. So ist hier unter seiner Leitung eines von drei weltweiten Kompetenzzentren zur fachgerechten Rettung von Fahrern nach Unfällen angesiedelt. Die anderen beiden Zentren befinden sich in Singapur und Le Mans.

Wie passen das Fachkrankenhaus Vogelsang-Gommern und der internationale Motorsport zusammen? Scholz: "Für mich passt das perfekt. Im breiten Leistungsprofil der Klinik nimmt die Behandlung von Sportlern einen immer größeren Stellenwert ein. Und man stimmt meinen Dienstplan auf meine zahlreichen Verpflichtungen ab."

Denn auch für die Gesundheitsmanagement Elbe-Fläming Gruppe mit dem Bördekrankenhaus in Oschersleben/Neindorf, dem Krankenhaus Jerichower Land in Burg und dem Krankenhaus Zerbst als drei weiteren Krankenhäusern in Sachsen-Anhalt ist Dr. Scholz der Ansprechpartner, wenn es um Schulungen in Sachen Wiederbelebungstraining geht. Darüber freut sich Thomas Wüstner, Geschäftsführer des Fachkrankenhauses Vogelsang-Gommern und der anderen Krankenhäuser der Gruppe: "Wir erarbeiten mit ihm ein Konzept für das Reanimationstraining unserer Mitarbeiter und von niedergelassenen Kollegen, das auf seinen praktischen Erfahrungen als Arzt in der Klinik und im Motorsport aufbaut. Auch hier gibt Dr. Scholz charmant Vollgas."

Was ist für den Mediziner das Besondere am Motorsport? Michael Scholz: "Das Zusammenspiel von höchster Qualität der Technik im Motorsport und im medizinischen Bereich, die besondere psychische und physische Belastung der Sportler, Wettkampf und Show üben auf mich diese ganz besondere Faszination aus."