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Kritische Stimmen der Fraktionen im Calbenser Stadtrat zu aufgemachten Forderungen des Salzlandkreises Nur gezielt sparen und Verhältnismäßigkeit wahren

Sparen, sparen und nochmals sparen: Dazu hat der Salzlandkreis die
Saalestadt aufgefordert. Einrichtungen wie Fähre, Bootshaus, Tennis- und
Reitsportanlage sollen dem städtischen Haushalt nicht länger belasten.
Die Fraktionen im Stadrat mahnen allerdings dabei zu mehr Augenmaß.

Von Andreas Pinkert 04.01.2014, 02:14

Calbe l Die jüngste Forderung der Kommunalaufsicht in Bernburg ist unmissverständlich (Volksstimme berichtete). Unter anderem sind das Bootshaus, die Tennisanlage, die Reitsportanlage und die Fähre entweder zu privatisieren oder bis Ende 2014 zu schließen. Bei weiteren freiwilligen Aufgaben der Stadt ist der Rotstift anzusetzen.

In einer Mitteilung vom 2. Dezember begründet Salzlandkreis-Fachbereichsleiterin Sabine vom dem Bussche dem Innenministerium des Landes die diktierten Sparvorgaben: "Im Rahmen meiner Ermessensentscheidung bin ich zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Anordnungen zwingend erforderlich sind, um die Stadt Calbe (Saale) zur Haushaltskonsolidierung anzuhalten." Bisherige "Pauschalanordnungen" seien nach ihren Worten nicht zielführend gewesen. Ihre Forderungen haben einen Grund: Nur durch ein bestätigtes Haushaltskonsolidierungskonzept könne die Saalestadt in das Förderprogramm Stark II aufgenommen werden. Durch die Inanspruchnahme einer Teilentschuldung könnte Calbe erhebliche Zinseinsparungen von rund 42 000 Euro realisieren und von langfristigen Verbindlichkeiten in Höhe von rund einer Million Euro entlastet werden.

Kanuabteilung leistet wichtige Nachwuchsarbeit in Calbe

CDU-Fraktionsvorsitzender Alexander Sieche schüttelt angesichts des Schreibens mit dem Kopf. "Ich vermisse darin ein gewisses Augenmaß. Die Verhältnisse in Calbe werden nicht berücksichtigt. Die Forderungen werden aus der Ferne gestellt." Natürlich sei allen klar, dass die Stadt sparen müsse. Doch könne man beispielsweise den Kanuten, die eine enorme Kinder- und Jugendarbeit leisten würden, nicht mit einem Handstreich noch höhere Kosten als bisher zumuten. Auch beim Tiergehege auf dem Wartenberg als freiwillige Aufgabe sei allen, außer Bernburg, die momentane Situation klar. "Solange unsere Bärin dort noch lebt, müssen wir auch unsere Tierpflegerinnen vorhalten. Erst nach dem Tod des Tieres könne Personal abgebaut werden. "Wir können das Tier doch nicht einfach erschießen um unseren Sparwillen zu zeigen."

SPD-Fraktionschef Mario Kannegießer hält die eingegangene Forderung für einen "erneuten Schlag ins Gesicht." Trotz allem müsse jetzt in Lösungen gesucht und nicht in Problemen gedacht werden. Kannegießer macht deutlich, dass Widerspruch gegen die Verfügung eingelegt werden müsse. Dennoch sei ein beschlossener Haushalt für Calbe sehr wichtig, um handlungsfähig zu bleiben. Das gelte ebenso für eine Aufnahme in das Stark-II-Programm. "An den Erhöhungen bekannter Steuern und Gebühren werden wir nicht vorbeikommen", gibt sich Kannegießer keinen Illusionen hin. Wenn dann aber diese Erfolge durch immer wiederkehrende Tariferhöhungen im Bereich der städtischen Personalkosten "aufgefressen" würden, müsse umso mehr ein Umbau der städtischen Verwaltung vorangetrieben werden.

"Die Kommunalaufsicht setzt ein deutliches Achtungszeichen", formuliert es Sven Hause, Fraktionschef der Alternativen Liste Calbe (ALC). "Einige Ausführungen sind in ihrer Art und inhaltlichen Ausformulierung inakzeptabel, weil das Gebot der Verhältnismäßigkeit, beispielsweise bei der Forderung nach Privatisierung einzelner Sporteinrichtungen, punktuell verletzt wird."

Sachsen-Anhalt stattet seine Kommunen unangemessen aus

Die Grundforderung nach tiefgreifenden Veränderungen in der Gesamtheit sei jedoch absolut berechtigt und mit Blick auf die Ausgabenpolitik der Stadt als auch auf die Finanzausstattung durch das Land dringend erforderlich. "Die Tatsache, dass auch weiterhin jährlich weit über eine Million Euro mehr verausgabt als eingenommen werden, kann sich keine Kommune, kein Unternehmer und auch kein Privathaushalt leisten." Dauerhaft nicht angemessen vom Land Sachsen-Anhalt finanziell ausgestattet zu werden, sei jedoch mindestens ebenso unzumutbar.

Ähnlich sieht es Fraktionsvorsitzender Rudolf Kramer (Freie Wähler). Der Schuldenstand der Stadt betrage rund 8,5 Millionen Euro. Die Schlüsselzuweisungen seien in den letzten Jahren stetig gesunken während die Personal-und Versorgungsaufwendungen sowie die Kreisumlage massiv angestiegen seien". Die gesamten freiwilligen Leistungen machten jetzt 3,3 Prozent des Haushalts aus. Das seien rund 50 Euro pro Einwohner im Jahr. Dann in diesem Bereich noch weiter kürzen zu müssen, sei unverantwortlich. "Was macht diese stolze Rolandstadt denn heute noch attraktiv und lebenswert und wie sieht es aus, wenn dieser Sparzwang weiter fortgesetzt werden muss?", fragt Rudolf Kramer, der aus seiner Enttäuschung über die mangelnden Gestaltungspielräume als Stadtrat keinen Hehl macht. "Was können die Einwohner von Calbe dafür, dass sich hier keine Großindustrie ansiedelt und die Steuern von vielen Unternehmen nicht in Calbe verbleiben?"

Wolfgang Marwinski, Vorsitzender der Fraktion Unabhängig für Calbe (UfC), findet beim Blick auf die zum Haushaltsplan 2013 vorliegenden Beanstandungen, Forderungen und Auflagen drastischere Worte: "Die kommunale Selbstverwaltung wird mit Hilfe der Gesetzgeber durch die Kommunalaufsicht mit Füßen getreten." Wenn alle Forderungen zu Lasten der freiwilligen Leistungen umgesetzt würden, wären die letzten in Calbe noch lebenswerten Faktoren vernichtet, ist Marwinski überzeugt. "Wer glaubt, die genannten Sporteinrichtungen in Privathand zu überführen, lebt auf einem anderen Stern. Nur der Eigeninitiative der Nutzer ist es zu verdanken, dass diese noch existieren." Für private Betreiber fehle in Calbe einfach die Grundlage.

Linke-Fraktionschef Christian Behlau verweist auf das massive Einnahmeproblem der Stadt. Calbe schaffe es nicht einmal, seine Pflichtaufgaben aus den Einnahmen zu bestreiten. Heißt im Klartext: "Selbst wenn alle freiwilligen Aufgaben abgegeben wären, wäre der Haushalt nicht ausgeglichen", so Behlau. Die Forderungen aus Bernburg lösten seiner Ansicht nach keineswegs das Grundproblem. Vielmehr könnte darüber nachgedacht werden, wie Vereine unter einem Dach zusammenrücken könnten, um Kosten zu sparen.

Das Thema wird die Stadträte im Finanzausschuss am Dienstag, 7. Januar, und beim darauffolgenden Stadtrat am Dienstag, 14. Januar, weiter begleiten. Los geht es jeweils 18 Uhr im Rathaussaal.