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Im Gespräch mit dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Bernburg Thomas Holz: Der Führerschein ist Geschenk für und mit (Berufs-)Zukunft

10.01.2014, 01:20

Seit einem Jahr gibt es die Agentur für Arbeit Bernburg. Sie umfasst den Salzlandkreis und gehört zur Regionaldirek-tion Sachsen-Anhalt/Thüringen. Über das erste Jahr in neuer Struktur und Ziele in 2014 sprach Volksstimme-Redakteurin Heike Heinrich mit Thomas Holz, Vorsitzender der Geschäftsführung.

Volksstimme: Eine neue Struktur - was bedeutet das?

Thomas Holz: Bisher gehörten die Geschäftsstelle Schönebeck zur Hauptagentur Magdeburg, Aschersleben und Staßfurt zu Sangerhausen sowie Bernburg zu Dessau-Roßlau. Jetzt sind es immer noch vier Geschäftsstellen, die aber nicht verschiedenen Bezirken angehören. Die vier Geschäftsstellen im Salzlandkreis gehören jetzt zu einer Agentur, die den Salzlandkreis umfasst.

Volksstimme: Was hat sich damit für Arbeitnehmer und Arbeitgeber geändert?

Holz: Zuerst einmal nichts. Arbeitnehmer und Arbeitgeber gehen in die selbe Geschäftsstelle wie vorher. Viele hatten die Umstrukturierung gar nicht wahrgenommen. Nach außen wird die Änderung durch drei Dinge deutlich: Erstens hat der Salzlandkreis jetzt ein eigenes Berufsinformationszentrum, kurz BIZ. Vorher gab es nur BIZ-Mobile, oder die Schönebecker sind zum Beispiel ins BIZ nach Magdeburg gefahren. Zweitens haben wir jetzt hier einen berufspsychologischen Dienst. Vorher gab es dieses Angebot nur in Magdeburg, Sangerhausen und Dessau. Und drittens stimmen wir uns jetzt 1:1 mit dem Jobcenter, der Wirtschaftsförderung und dem Schulbereich des Salzlandkreises ab.

Volksstimme: Rückblickend: Wie verlief das erste Jahr?

Holz: Insgesamt gesehen: positiv. Besonders hervorzuheben ist die positive Entwicklung am Ausbildungsmarkt. Die Arbeitgeber haben uns mehr Ausbildungsstellen als in 2012 gemeldet, dank einer guten Berufsorientierung konnten - trotz sinkender Schülerzahlen - fast genauso viele Jugendliche wie im Vorjahr eine Ausbildung beginnen.

Volksstimme: Wo kann, muss, soll noch nachgebessert werden?

Holz: Die Arbeitslosigkeit Älterer ist stark angestiegen. Ich denke, dem müssen wir entgegenwirken, da ist noch was zu holen. Die bisherigen Vermittlungskonzepte haben noch nicht in dem Umfang gegriffen wie sie sollen. Der lange Winter 2012/2013 und das Hochwasser haben uns da nicht gerade in die Karten gespielt. Doch ich bin optimistisch, dass wir das aufholen. Eine interne Statistik von uns sagt, dass sich in den vergangenen 10 Jahren die Zahl der Arbeitnehmer über 60 Jahre vervierfacht hat. Der Markt ist also da, aber der Einzelne muss flexibel sein. Außerdem: Erwachsene nehmen das BIZ nur sehr selten in Anspruch. Das wollen wir gern steigern.

Volksstimme: Erwachsene im BIZ? Ist das nicht etwas für Jugendliche in der Berufsfindung?

Holz: Das Berufsinformationszentrum ist seit Jahren auch für Erwachsene offen. Und das BIZ, das seit diesem Jahr Bernburg bietet, ist zudem ganz neu. Die bundesweite BIZ-Konzeption von 1984 wurde überarbeitet und setzt auf drei Dinge: größeres Angebot für Erwachsene, mehr IT-Gestütztes, weg vom Frontalunterricht und hin zur Selbsterarbeitung. Das ist schon was tolles, was wir jetzt hier bieten. Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Jugendliche und Erwachsene sind begeistert von der neuen interaktiven Welt. Aber es sind noch zu wenige Nutzer, derzeit 500 bis 600 im Monat. Wir wollen gern eine vierstellige Nutzerzahl. Im BIZ sollen auch Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufeinandertreffen. Sprich, Unternehmen sagen, was sie suchen, und wir laden ein, wer passen könnte. Dank des berufspsychologischen Dienstes können wir vor Ort auch Tests machen. Für Arbeitgeber ist das lukrativ, wenn sie dringend jemand suchen. Wir wollen das BIZ-Angebot gern ausbauen und überlegen jetzt, ob wir Berufsinformationstage auch mehr in den Geschäftsstellen anbieten.

Volksstimme: Sie sprechen vom berufspsychologischen Dienst. Was hat es damit auf sich?

Holz: Viele lassen sich vom Wort Psychologe beeinflussen. Aber dahinter verbergen sich Eignungstests. Damit wollen wir eine falsche Berufswahl, einen falschen Berufswechsel vermeiden. In Tests und Gesprächen wird deutlich, wo Chancen, aber auch wo Schwierigkeiten liegen. Ob ein Arbeitssuchender diesen Dienst in Anspruch nehmen soll, entscheidet sein Vermittler. Das ist dann aber auch verpflichtend. Wir wollen einfach nicht, dass uns beide Seiten nach einem Jahr fragend anschauen, wie wir in eine solche Arbeitsstelle vermitteln konnten.

Volksstimme: Ein Blick auf 2014: Wie schätzen Sie den Arbeitsmarkt der Region ein?

Holz: Ähnlich wie 2013, denke ich. Ich rechne nicht mit konkreten Wachstumsschüben oder -einbrüchen. Wir schauen auf anstehende Unternehmens- investitionen, ob sie etwas bringen. Generell sind Kunden gefragt, die eine hohe Mobilitäts- und Qualifizierungsbereitschaft haben. Die ist oft noch zu eingeschränkt.

Volksstimme: Arbeitssuchende sind nicht mobil genug und lassen sich nicht genügend qualifizieren? Wie flexibel sollte man heute sein?

Holz: Der Einzelne sollte bei der Suche nach einer Vollzeitarbeit eine Pendelzeit von bis zu zweieinhalb Stunden in Kauf nehmen. Laut Gesetz ist das auch zumutbar. Meine Erfahrung ist aber, mit der Aussage ,So steht es im Gesetz\' bringt das für beide Seiten nicht viel. Es sollte darum gehen, mit welcher Mobilität ich welche Berufsangebote abdecken kann. 25 000 Beschäftigte pendeln aus dem Salzlandkreis aus, 13 000 pendeln ein. Die größte Bewegung ist im Nordbereich des Kreises zu verzeichnen, nach Magdeburg rein und auch von dort in den Salzlandkreis. Dort ist die Berufsvielfalt auch größer. Von den Auspendlern hat der Kreis selbst ja auch was - eine höhere Steuerkraft. Wenn also Eltern überlegen, was sie ihrem Kind schenken sollen: den Führerschein. Die private Mobilität wird immer wichtiger.

Volksstimme: Wie sieht denn der Arbeitssuchende aus, der derzeit ideale Chancen hat?

Holz: Jemand, der sich rechtzeitig informiert, ab und zu daheim im Internet nach Jobangeboten surft - auch, wenn er einen guten Job hat. Jemand, der also den Markt beobachtet, den Fahrtweg von einer dreiviertel Stunde in Kauf nimmt und eine Ausbildung mit Berufserfahrung hat.

Volksstimme: Und wie der mit den geringsten Chancen?

Holz: Risiken bestehen insbesondere dann, wenn keine oder nur eine veraltete Berufsausbildung vorhanden ist, die Suche regional stark einschränkt wird und wenn zu wenig Aktivität beziehungsweise Erfahrung bei der Jobsuche vorhanden sind.

Volksstimme: Stichwort: Fachkräftemangel: Wie steuert die Agentur für Arbeit Bernburg dem entgegen?

Holz: Wir bieten Arbeitgebern intensive Unterstützung bei der Vermittlung von Auszubildenden, Arbeitssuchenden und Berufswechslern. Zunehmend gelingen uns auch Vermittlungen von Job zu Job, also ohne Phasen der Arbeitslosigkeit. Mit der Förderung von Fort- und Weiterbildungsaktivitäten helfen wir den Arbeitgebern, sich Fachkräfte heranzuziehen. Besonders erfolgreich sind wir dort, wo Arbeitgeber frühzeitig ihre Job-Angebote mit konkreten Konditionen auf den Tisch legen.

Volksstimme: Welche Berufszweige haben Ihrer Ansicht nach 2014 beste Chancen?

Holz: Metallerzeugung, Logistik, Baugewerbe, Gesundheit und Pflege, Handel und Zeitarbeit sind Branchen, in denen wir mit guten Vermittlungserfolgen rechnen. Das erschließt sich aus drei Quellen: Von wo melden uns Unternehmen die meisten Stellen? Wohin melden sich Bewerber ab? Wohin können wir die Bewerber bewegen? Zum Beispiel sollen bei Novelis in Nachterstedt 200 neue Arbeitsplätze entstehen. Das wirkt in die gesamte Region. Oder der Technologie- konzern Befesa, der in Bernburg 60 Arbeitsplätze schaffen will. Auch in Schönebeck und Calbe gibt es starke Metallbetriebe. In Gesundheit und Pflege gibt es wirklich fast überall offene Stellen, wir suchen Bewerber, die sich den anspruchsvollen Aufgaben und Arbeitszeiten stellen.