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Ursula Rothe, Pressesprecherin des Salzlandkreises, wird in den Ruhestand verabschiedet "Ich bin kein reiner Schreibtischtäter"

Von Kathleen Radunsky-Neumann 28.01.2011, 05:32

Das Sprachrohr des Salzlandkreises geht in den Ruhestand. Ursula Rothe, Pressesprecherin des Landkreises und persönliche Mitarbeiterin des Landrates, hat am 2. Februar ihren letzten Arbeitstag in der Kreisverwaltung. Im Gepäck hat sie 20 Jahre Berufserfahrung. Einen Teil davon will die agile 62-Jährige, die in ihrer Freizeit als Märchenerzählerin Kinderherzen höher schlagen lässt, ihrer Nachfolgerin mit auf den Weg geben.

Salzlandkreis. Sie ist die Stimme des Salzlandkreises. Und wenn man will, dann gibt sie dem politischen Konstrukt auch ein Gesicht. Ursula Rothe vertritt als Pressesprecherin des Salzlandkreises und persönliche Mitarbeiterin des Landrates den Landkreis, der 2007 aus den ehemaligen Altkreisen Schönebeck, Staßfurt und Bernburg entstanden ist. Sie ist es, die auf jede Frage eine Antwort hat oder finden muss. Vorausgesetzt es geht um den Salzlandkreis. Ob die Pegelstände der Elbe, Bode oder Wipper, die Erklärung für die Einführung eines Gesundheitsführers oder die Bekanntgabe von Straßensperrungen – was auch immer die Medien im Dienste ihrer Leser, Zuschauer und Hörer wissen wollen, all jene Nachfragen kann Ursula Rothe bedienen. Es ist ihr Job, noch bis zum 2. Februar. An diesem Mittwoch wird die 62-Jährige in den Ruhestand gehen. Neben ihren persönlichen Dingen wie Fotorahmen vom Schreibtisch wird sie zudem 20 Jahre Berufserfahrung im Gepäck haben.

"Ich weiß gar nicht, wo die Zeit geblieben ist"

Seit 1991 ist Ursula Rothe im Amt des Landrates tätig. Zuvor hatte die gebürtige Nienburgerin unter anderem elf Jahre im Zementwerk Bernburg gearbeitet und war sechs Jahre freiberuflich als Puppenspielerin unterwegs. "Dann kam die Wende und ich stand da", erinnert sich die lebensfrohe Frau. Wie ein Glücksfall sei es für die heute 62-Jährige gewesen, als sie die Ausschreibung "Amtsleiter für Schulverwaltung, Kultur und Sport" – damals noch für den Altkreis Bernburg – entdeckt hatte. Vor allem das kulturelle Leben sowie das Sozialwesen hatten es der sympathischen Frau angetan. "Das hat mir immer viel Spaß bereitet", begründet sie ihre damalige Bewerbung.

"Den Posten habe ich aber nicht bekommen", sagt sie heute kühl. Die Ausschreibung sei nur proforma gewesen, die Stellenbesetzung politisch entschieden. Doch Ursula Rothe, die sichtlich kein Kind von Traurigkeit ist, musste der verpassten Jobchance nicht lange nachtrauern. "Daraufhin habe ich das Angebot erhalten, persönliche Mitarbeiterin des Landrates zu werden", erinnert sich die Bernburgerin, die Möglichkeit beim Schopfe nehmend. Fast wäre ihr erster Arbeitstag sogar ein Aprilscherz geworden, zuzutrauen wäre es der Dame, die immerzu ein Lächeln im Gesicht trägt. "Der 1. war ein Sonntag, deshalb habe ich am 2. April 1991 begonnen." Und mit einem Anflug von Wehmut: "Ich weiß gar nicht, wo die Zeit geblieben ist."

In den vergangenen 20 Jahren hat Ursula Rothe, die den Großteil ihrer Arbeitszeit im Altkreis Bernburg gewirkt hat, drei Landräte erlebt. Als sich Ulrich Gerstner (SPD) 2007 zur Wahl des Landrates im neu gebildeten Salzlandkreis stellte, hoffte die parteilose Ursula Rothe auf einen Sieg ihres Vorgesetzen. "Schließlich kann sich jeder Landrat seine eigenen Mitarbeiter suchen", nennt sie den simplen Beweggrund. Seither gibt Ursula Rothe dem rund 1400 Quadratkilometer großen Salzlandkreis eine Stimme. Doch gerade dieser Fakt, dass man die Pressesprecherin als Entscheider statt als Nachrichtenübermittler missverstehen könnte, fiel der 62-Jährigen nicht immer leicht. Schon allein deshalb steht sie loyal hinter ihrem Chef, schließlich trägt sie seine Entscheidungen und die der Verwaltung nach außen. "Es ist manchmal schwer, emotionslos zu sagen, was man in seinem Innersten selbst nicht unbedingt mitträgt." In solchen Angelegenheiten sei es die Einsicht in die Notwendigkeit, die ihr helfe.

"Die berufliche Vielfalt wird mir fehlen"

Und trotzdem gibt es da so einige Fälle, die der erfahrenen Pressefrau einfach an Herz und Nieren gehen. "Die toten Zwillinge in Plötzkau", fallen ihr als erstes ein. Die Kinder wurden am Morgen des 18. Oktober 2004 tot in ihren Betten gefunden. Sie waren erstickt worden. "Grundsätzlich weil es sich hier um Kinder handelte, fiel es mir persönlich schwer", sagt sie mit leicht belegter Stimme. Hier sei es wichtig, genau abzuklären, welche Informationen schließlich an die Öffentlichkeit gelangen.

"Ich stehe nicht in allen Gesetzen drin, deshalb muss ich das mit den Verantwortlichen genau klären." Das bedeutet, als persönliche Mitarbeiterin des Landrates "den Kontakt zu allen, sowohl in der Verwaltung als auch nach außen zu halten". Vor allem die enge Zusammenarbeit mit den Amtsleitern und Verwaltungsmitarbeitern liege ihr in ihrer Position am Herzen. "Wenn sie mir nicht die nötigen Informationen geben, kann ich auch den Medien keine entsprechende Auskunft erteilen", verrät sie nicht unbedingt ein Geheimnis.

Gleichwohl weiß die erfahrene Pressesprecherin, dass die Kommunikation nach außen ein gewisses Maß an Fingerspitzengefühl verlangt. "Ich musste erst einmal lernen, für die Medien zu schreiben", gibt Ursula Rothe daher zu. "Denn", und an der Stelle nutzt sie den vielgehörten und doch passenden Vergleich, "ich bin zur Pressesprecherin geworden so wie die Jungfrau zum Kinde gekommen ist."

Und was wird die 62-Jährige bald vermissen, wenn sie ihr Leben weitab der Landkreispolitik genießt? "Die berufliche Vielfalt wird mir fehlen, auf den Stress werde ich wiederum gern verzichten." Dass der agilen Bernburgerin daheim nicht die Decke auf den Kopf fallen wird, davon ist sie überzeugt. "Ich habe noch einen Haufen Bücher." Und mit einem Lächeln auf den Lippen fügt sie schnell hinzu: "Mein Lebenspartner ist schon eine Weile zuhause, der wartet auf mich." Und vorausschauend wie sie ist: "Der Garten, den ich mir wohlwissend angelegt habe, wird sicher auch viel Zeit benötigen." Nicht zu vergessen sei außerdem die Tochter, die in der Schweiz lebt. "Um die Enkel will ich mich nun kümmern", platzt es nahezu heraus, aus der stolzen Oma.

Bisher ist ihr Gegenpol zum stressigen Job die Kultur in der Freizeit gewesen. "Ich bin Klassikfan, aber auch Jazz und Dixie sagen mir zu", berichtet sie. Und der Operettensommer auf dem Bierer Berg in Schönebeck steht bei der Bernburgerin schon immer auf dem Programm. Ihr Plan für die kommenden Jahre macht schnell deutlich, Ursula Rothe ist "kein reiner Schreibtischtäter", wie sie es selbst ausdrückt. Immer auf Achse und offen für Neues, so lässt sie sich beschreiben.

Doch dieses immerzu Erreichbarsein, wie man es heutzutage über Handy, Blackberry und Co. immer sein sollte, das ist nicht unbedingt das, was die 62-Jährige positiv sieht. Vor 20 Jahren, als man sich überhaupt schon freute, über einen Festnetzanschluss zu verfügen, sei es schließlich auch gegangen.

Andererseits sei die Kommunikation heute gerade bei Katastrophen schnell, dank der modernen Technik. Insbesondere die Katastrophen wie der Erdrutsch bei Nachterstedt werden Ursula Rothe in Erinnerung bleiben. Aber auch Geschehnisse wie das Busunglück auf der Autobahn bei Könnern 2007, bei dem 13 Menschen starben und 22 verletzt wurden, sind die nervenaufreibenden Momente in ihrem Beruf. Ebenso gehören diverse Gasexpolsionen in großen Industriewerken im Landkreis dazu. "Immer dann, wenn ein großes Medieninteresse erwartet wird, werde ich gerufen", erklärt Ursula Rothe den Alarmierungsplan, an den sich die Rettungsleitstelle bei einem Katastropheneinsatz hält. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie sich Ursula Rothe in den Strukturen und dem Vorgehen der Landkreisverwaltung auskennt, auskennen muss.

"Ich musste lernen, für die Medien zu schreiben"

Am 2. Februar wird die 62-Jährige zum letzten Mal von diesem Wissen Gebrauch machen. Ihre Nachfolgerin ist Ingrid Schildhauer. Die 56-Jährige war zuvor jahrelang im Rechnungsprüfungsamt tätig. "Ich freue mich auf die neue Herausforderung", sagt die Bernburgerin. Persönliche Mitarbeiterin und Pressesprecherin, das bildet für sie eine "interessante Arbeit".

Seit dem 15. November wird Ingrid Schildhauer von Ursula Rothe eingearbeitet. Ist sie gewappnet für den Job? "Es wird sich nachher im Ernstfall zeigen", sagt sie vorsichtig, aber zuversichtlich. "Wenn ich meiner Nachfolgerin die 20 Jahre Erfahrung einfach überstülpen könnte, das wäre toll", antwortet Ursula Rothe. "Letzten Endes muss sie allein durchkommen."