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Pferdeliebhaber und Züchter kommen zur Stutbucheintragung und traditionellem Fohlenbrennen auf den Heger Wie Tetanus den "Personalausweis" erhält

Von Andreas Pinkert 13.06.2014, 03:19

Gestern Vormittag sind Pferdebesitzer der Region zum Reitplatz auf dem Heger gepilgert. Bei der traditionellen Stutbucheintragung bekommen die dazugehörigen Fohlen aus diesem Jahr ihren Schenkelbrand verpasst, quasi ihren sichtbaren "Personalausweis." Mit dabei sind auch kleine Ponys mit großem Namen.

Calbe l Würdevoll tippelt das kleine Shetlandpony hinter seiner Mutter her und lässt dabei den Abstand zu ihr nicht zu groß werden. Gerade einmal zwei Monate alt ist der kleine Hengst, der in Reppichau das Licht der Welt erblickte. Damit ist für das Shetlandpony natürlich eine gewisse historische Verantwortung verbunden. Der kleine Ort zwischen Dessau und Köthen schrieb große Geschichte durch " Eike von Repgow". Der Gelehrte war der Verfasser des berühmten "Sachsenspiegels", dem ersten mittelalterlichen Rechtsbuch. So ist es nur eine logische Konsequenz, dass der kleine Hengst auf "Tetanus von Repgow" getauft wurde. Übrigens tragen auch die anderen Fohlen dieses Jahres vom Mini-Shetlandhof von Repgow diesen Zunamen.

Brandzeichen ist ein Kann, Mikrochip dagegen ein Muss

So exakt wie sich der Namenwahl gewidmet wird, sind auch die Zuchtkriterien im Hause von Repgow. "Wir legen bei unseren Minis Wert auf ein makelloses kompakt erscheinendes Exterieur mit korrektem Fundament, raumgreifenden Bewegungen und einem edlen Kopf. Sie sollen einen guten Charakter und ein ausgeglichenes Temperament haben", erklärt Züchterin Claudia Heenemann. Vollständige Papiere seien daher Grundvoraussetzung, die Stutbucheintrag und der Schenkelbrand Pflicht. Es ist ein Dokument, das die Pferde ein Leben lang begleitet, egal, ob sie in die Zucht gehen oder als Sportpferde eingesetzt werden. Ein Personalausweis, sozusagen.

So klar wie seiner Besitzerin scheint Tetanus der ganze Aufwand für sein amtliches Dokument allerdings nicht zu sein, schon gar nicht, als er von vier kräftigen Händen fachmännisch festgehalten wird. In der Zwischenzeit hat Jörg Harms vom Pferdezuchtverband Brandenburg-Anhalt ein glühendes Eisen vorbereitet das kurz in den linken Hinterschenkel der kleinen Fuchsschecke gedrückt wird. Ein kurzes Zischen, weißer Rauch und der Geruch nach verbranntem Haar: Tetanus bäumt sich kurz auf und hat es auch schon geschafft. Sofort schmiegt er sich wieder eng an seine Mutter. Der Zuchtverband akzeptiert die Fohlen ausschließlich in Begleitung der Mutter. Damit soll die falsche Vorspiegelung der Herkunft unterbunden werden. Pferdekenner wissen nämlich genau, dass eine Stute nur ihr eigenes Saugfohlen neben sich duldet.

Lange Diskussionen über das Schmerzempfinden

Doch damit noch nicht genug: Seit 2010 ist es vorgeschrieben, Fohlen mit einem elektronischen Transponder, dem sogenannten Chip, kennzeichnen zu lassen. Dazu wird das wenige Millimeter große Implantat in Sekundenbruchteilen intramuskulär unter die Haut auf der linken Seite des Pferdehalses gesetzt. Es trägt einen 15-stelligen Code, der mit Hilfe eines Lesegerätes abgelesen werden kann.

Der Chip ist Pflicht, das Brandzeichen ist für Pferdezüchter nur noch fakultativ. Dennoch wird es vom Großteil der anwesenden Züchter noch in Anspruch genommen. "Das ist seit Ewigkeiten bewährte Praxis", meint Torsten Breitmeier von der Reitsportabteilung der Turn- und Sportgemeinschaft (TSG) Calbe. Zwar könne er sich den kurzen Schmerz beim Fohlen vorstellen, "aber das ist nur ein ganz kurzer Moment".

Reitsportler hoffen auf mehr Besucher beim Ringreiten

Nachdem der Calbenser Kurt Mädge die Organisation aus Altersgründen abgab, führt Torsten Breitmeier die Veranstaltung, die vor rund drei Jahrzehnten in Trabitz gegründet, später im Hohendorfer Busch und auf den Saalewiesen weitergeführt wurde. Auch Breitmeier ließ an diesem Tag seine einmonatige Stute "Santana", ein Deutsches Sportpferd, mit Mutter Sommerhit eintragen. Weitere Calbenser waren neben Karl-Heinz Dame auch Birgit und Gerhart Denkert, die mit ihrem Stutenfohlen "Spörcken" und Stute "Sophia D" auf den Heger kamen. Weitere Pferdebesitzer reisten aus Barby, Pechau, Ranies, Plötzkau oder Kleinpaschleben an.

"Insgesamt sind fünf Fohlen und drei Stuten eingetragen worden", sagt Torsten Breitmeier. Das sei im Vergleich zu vergangenen Jahren ein deutlicher Rückgang. Froh sei er dagegen über die Unterstützung des Calbenser Ehepaars Kühnaß, die mit leckerem Kuchen, Kaffee und Kaltgetränken die Besucher auf dem Heger versorgten.

Weitaus mehr Besucher möchten die Mitglieder der Reitsportabteilung mit dem traditionellen Ringreiten und Hindernisfahren auf den Heger locken. Dafür sei Sonnabend, 13. September, fest im Kalender eingetragen.