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Volksstimme-Serie: Josefine und Denis Radmer wollen das Kulturleben in Biere bereichern Oma Lisa ist Vorbild für den Lebenstraum

Von Tilman Treue 10.07.2014, 01:20

Sieben Dörfer, sieben junge Familien, ein Thema. Die Volksstimme stellt sieben Wochen lang immer am Donnerstag Familien vor, die gern in Bördeland leben, die sich für ihre Orte engagieren. Heute: Josefine und Denis Radmer aus Biere.

Biere l Ein paar Minuten sind seit der vereinbarten Zeit für das Interview bereits verstrichen, da kommen Josefine und Denis Radmer durch die Tür. Beide mit Autoschlüssel und Smartphone in ihren Händen. Die beiden, das glaubt man ungesehen, sind ständig auf Achse. Von Erschöpfung spürt man dennoch nichts, als sie beginnen, von sich zu erzählen.

Seit 2005 sind die beiden ein Paar und ihre Geschichte begann ziemlich ungewöhnlich. Er war Türsteher, sie Tänzerin und irgendwann auf der Suche nach einem Nebenjob, in diesem Fall: Handzettel austragen. So kamen sie sich näher und, der bisherige Höhepunkt, heirateten im Sommer 2013. Was sich möglicherweise liest wie aus einem billigen Groschenroman, erweist sich bei näherem Hinsehen als ein wahrer Glückstreffer, denn Josefine und Denis ticken in vielen Dingen gleich. Ihr wichtiges, gemeinsames Ziel: "Wir wollen etwas Kulturelles hier in Biere schaffen."

Für die 25-Jährige ist dies schon seit vielen Jahren buchstäblich Programm. Ihre Oma Lisa, nach der das heute von beiden geführte Eiscafé im Ortsteil benannt ist, gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Karneval-Clubs Biere, dessen Präsident seit 1996 ihr Vati Gerd Siebert ist. Von klein auf wurde Josefine in die ehrenamtliche Arbeit einbezogen, spezialisierte sich schließlich auf ihre große Liebe, das Tanzen. "Manchmal höre ich einen Titel und hab schon im Kopf, wie die Kostüme aussehen und wie man danach tanzen könnte", gesteht sie und ihre Begeisterung ist kaum zu bändigen. Fast schon ein bisschen verrückt, wenn diese Kalauerüberleitung in Richtung der Crazy Girls an dieser Stelle erlaubt ist.

Ganz stolz berichtet die Trägerin des Ehrenamtspreises des Salzlandkreises 2012 von "ihren" Mädels, deren Tanzauftritte dafür sorgen, dass der Ortsteil Biere deutschlandweit Erwähnung findet. "Es ist doch toll, dass wir jedes Wochenende unterwegs sein können", schwärmt sie von den zahllosen Anfragen. Und wieder blitzt sie auf, diese unheimliche Energie, die nicht nur sie sondern auch ihren Mann erfüllt. Ohne diese Kraft wäre ihr Engagement sicherlich nicht möglich, denn eigentlich hat die Biererin einen Vollzeitjob als Bankangestellte. "Ich mache das so gerne, ich merke gar nicht, dass wir im Grunde fast nie zu Hause sind", lacht sie und ihr Mann kommt dazu.

Das Gespräch mit den beiden, es ist von einer großen Lockerheit geprägt. Sie ergänzen sich, werfen eine Spitze, um sich im nächsten Augenblick liebevoll anzulächeln. Gesucht und gefunden, das passt ganz gut, denn auch Denis Radmer möchte etwas bewegen, für andere etwas tun. Der 39-Jährige hat eine Menge gesehen und erlebt, arbeitete sich vom Maurer durch verschiedene Berufe, ehe er sich mit einer Detektei und Sicherheitsfirma selbständig machte. Seinen Lebenstraum fand er jedoch im heutigen Werk II in Biere. "Ich habe mich in dieses Haus einfach verliebt", gesteht er unverblümt und seine Frau lächelt wissend. Als 2009 die Möglichkeit bestand, das große Objekt zu kaufen, war guter Rat teuer. "Josis Oma hat uns damals sehr unterstützt und uns mit Rat und Tat zur Seite gestanden", berichtet er von dem am Ende entscheidenden Punkt, den unsicheren Schritt zu wagen.

Die Entscheidung, sich in Biere nieder zu lassen und den Traum von der eigenen Gaststätte mit Leben zu erfüllen, trafen beide gemeinsam und zogen an einem Strang. "Für mich war das ja auch die Gelegenheit hier zu bleiben", sagt Josefine. Sie ist stolz darauf, sich trotz einer gewissen Zeit, die sie bei Denis in Gommern gewohnt hat, nie in ihrem "Weltdorf" Biere abgemeldet zu haben. Er ist ursprünglich übrigens Ranieser, hat aber nun in der Börde seine Heimat gefunden.

Schritt für Schritt bauten sich beide ihre Existenz auf, gingen lieber mal ein Stück zurück statt auf Risiko. "Das muss hier langsam wachsen", wissen beide und er ist sich sicher, dass sein Traum, der mittlerweile beider Traum geworden ist, in Biere in Erfüllung geht. Als nächstes Projekt schwebt Radmers übrigens ein "Musicalclub" für Kinder und Jugendliche im Ort vor. "Wir wollen die verschiedenen Talente nutzen", erklärt sie und zählt neben Singen und Tanzen auch den Requisitenbau und das Nähen von Kostümen auf.

Während sie das erzählen, schreitet die Zeit unaufhörlich voran und der nächste Termin sitzt den beiden schon im Nacken. Bei den Tänzern des Karneval-Clubs Biere geht es momentan übrigens recht ruhig zu. Erst nach den Sommerferien wird wieder geprobt, Kostüme probiert und noch mal geprobt. 40 Kinder trainiert Radmer gemeinsam mit den Crazy Girls derzeit. Sie nennt sie liebevoll "kleine Zicken", könnte aber doch auf keinen Fall ohne sie. Es ist ihr wichtig, sich für andere einzubringen. "Solange wie ich das kann, mache ich das auf jeden Fall", ist sie sich sicher.

Und als wenn das noch nicht genug wäre, hat die begeisterte Tänzerin vor einigen Jahren die Gesamtleitung für das Bierer Karnevalsprogramm übernommen. Auch das mit Hingabe und jeder Menge Energie. "Es macht mir Spaß, mich in die Köpfe der Leute hineinzuversetzen, zu überlegen, was gefällt ihnen." Eine Philosophie, mit der auch die Crazy Girls seit Jahren sehr gut fahren. Apropos fahren: Für Josefine und Denis Radmer ist die Zeit gekommen, sich wieder auf den Weg zu machen. Ihr Anker befindet sich aber zweifelsfrei in Bördeland.