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Im Ameos-Klinikum Schönebeck bisher 140 kranken Patienten Herzschrittmacher eingesetzt Kleiner Lebensretter im Taschenuhr-Format

Implantationen eines Defibrillators werden auch im Schönebecker
Ameos-Klinikum durchgeführt. Die Vorbereitungen vor so einer Operation
(OP) greifen Hand in Hand und sind reibungslos. 140 Schrittmacher wurden
bereits eingesetzt. Bei einer OP war die Volksstimme jetzt dabei.

Von Olaf Koch 11.08.2014, 03:25

Schönebeck l Leitender Oberarzt Alexander Vaisbord und Assistenzärztin Jessica Rohde sprechen noch einmal beruhigend mit dem Patienten. Der 62-jährige Mann, dessen Herz durch mehrere Infarkte geschädigt ist und einen langsamen Puls hat, soll heute das lebensrettende Gerät bekommen. Ein kleiner silberfarbener Defibrillator, der nur noch einen Hauch größer ist als eine Taschenuhr, aber Leben retten kann.

OP-Saal 2 des Schönebecker Ameos-Klinikums: Der rechte Arm des Mannes liegt fixiert auf einer Schiene, der Tropf läuft, er ist mehrfach verkabelt, so dass seine Vitalparameter und sein Herzrhythmus auf mehreren Monitoren zu verfolgen sind.

Das OP-Team besteht aus einem Anästhesisten, einer Anästhesiepflegekraft, zwei OP-Schwestern und einer Kardiotechnikerin. Der abgedeckte Patient, der Instrumententisch und die Umgebung der steril bekleideten Operateure und Assistenten stehen in der sogenannten Sterilzone. Sie ist umgeben von der "Springerzone", benannt nach einer bereitstehenden OP-Pflegekraft, deren Aufgabe es ist, den "sterilen" Kollegen zu assistieren.

Patient gleitet langsam ab in das "Land der Träume"

Um 8.40 Uhr beginnen Alexander Vaisbord und seine Assistentin, den Patienten steril abzudecken, gleichzeitig bekommt er eine leichte, schonende Schlafnarkose. Der Patient und die Ärzte sehen sich sozusagen erst nach der Operation wieder. Lediglich ein Bereich von 15x15 Zentimetern unterhalb des linken Schlüsselbeines bleibt von den dunkelblauen Tüchern frei. Eine örtliche Betäubung sorgt dafür, dass der Eingriff so schmerzarm wie möglich vorgenommen werden kann.

"Es geht los wie beim Zahnarzt. Sie spüren einen Pieks, dann nichts mehr", spricht Kardiologe Vaisbord mit dem älteren Mann, der schon leicht im "Land der Träume" angekommen ist. Zwei Minuten später prüft er die Schmerzempfindlichkeit. "Tut etwas weh? Merken Sie was?"

Der Patient, der wegen der dunkelblauen OP-Tücher ein eingeschränktes Sichtfeld hat, schüttelt ablehnend mit dem Kopf. Es kann losgehen. Mit seiner rechten Hand und völlig ruhig zieht Alexander Vaisbord den ersten Schnitt mit dem Skalpell über die oberen Hautschichten bis auf die Muskeln. Über die Kanüle wird dem Patienten in diesem Moment zusätzlich ein Schmerzmittel verabreicht.

Aus der Wunde tritt Blut aus. Nicht viel. Auch der nächste Handgriff würde beim Laien sicherlich leichte Überwindung erfordern und ist nichts für zarte Gemüter: Alexander Vaisbord fasst mit der rechten Hand in den Körper des Patienten und hebt die Hautschichten von den Muskeln leicht an. "Hier muss eine Tasche geschaffen werden. In der kommt später der Defibrillator rein", beschreibt der Arzt sein Vorgehen. Handwerk auf eine sehr spezielle Art.

Der Defibrillator ist ein kompliziertes elektronisches Gerät, das das Herz unaufhörlich Schlag für Schlag überwacht. Soll das Herz in ein bösartiges, lebensbedrohliches Herzrasen umschlagen, kann der Defibrillator das merken und einen lebensrettenden Impuls abgeben. Die modernen Geräte versuchen aber zuerst, das Problem auf "friedliche" Weise, durch Überstimulieren, zu lösen. Und wenn das nicht klappt, wird der Schock ausgelöst. Jeder Defibrillator beinhaltet eine Schrittmacherfunktion in sich und kann somit auch gegen langsamen Puls und Herzaussetzer entgegenwirken.

Die Patienten mit Herzmuskelschwäche verschiedener Art, anderen Herzmuskel-erkrankungen und seltenen Herzzellenmembran-Erkrankungen sind durch die bösartigen Herzrhythmusstörungen gefährdet und brauchen daher Schutz durch einen Defibrillator.

Inzwischen ist es 8.50 Uhr. Die großen im Quadrat über der Operationsfläche in der Decke angebrachten Neonleuchten werden ausgeschaltet. Aus gutem Grund: Eine OP-Schwester fährt das mobile Röntgengerät über den OP-Tisch heran. Über zwei Bilder kann Alexander Vaisbord nun sehen, was im Inneren des Körpers passiert. Es müssen nämlich die zwei Elektroden am Herzen an eine bestimmte Stelle befestigt werden.

Elektrode wird mit Draht bis zum Herzen vorgeschoben

Mit einem Draht wird die erste Elektrode bis zum schlagenden Herzen vorgeschoben. Ganz langsam mit Fingerspitzengefühl bewegt Alexander Vaisbord die erste Elektrode. Auf den Monitoren wird das Schwarz-Weiß-Bild des Röntgengerätes live übertragen. "Welches Signal?", fragt der Operateur. Die Kardiotechnikerin liest ihm aus dem Hintergrund die Werte vor. "10,5 - 10,6 - 10,8 - stabil." Die erste Elek-trode wird durch eine Schraube am Herzen befestigt.

Die Uhr zeigt gerade 9 Uhr, als Alexander Vaisbord die zweite Elektrode an einem langen Draht in den Körper des 62-Jährigen vorschiebt. Zehn Minuten später hat er dafür die richtige Stelle gefunden und das Messgerät platziert. Das schwierigste scheint geschafft zu sein. Alle im OP sind angespannt - nur einer nicht: der Patient. Er wirkt zufrieden, hat die Augen geschlossen. Der Anästhesist nickt beruhigend, was so viel heißen soll wie: Alles im grünen Bereich.

Drei Minuten später bekommt Alexander Vaisbord den Defibrillator gereicht. Die Elektroden werden befestigt. Man hört zwei kurze metallische Geräusche, die an ein Ratschen mit dem Schraubenschlüssel erinnern. Vaisbord hebt die Haut der geöffneten Wunde an und schiebt den Defibrillator vorsichtig in die vorbereitete Tasche. Die Kardiotechnikerin, die etwas abseits sitzt, bekommt über Funk die Werte des Defibrillators auf ihren Computer gesendet. Sie ruft sie laut in den OP-Saal, Alexander Vaisbord nimmt sie mit einem zufriedenen Kopfnicken zur Kenntnis. Korrekturen müssen nicht mehr vorgenommen werden.

Nach fast einer Stunde ist die Operation beendet

Das Licht im OP-Saal 2 geht wieder an. Ab 9.28 Uhr wird die offene Stelle im Brustbereich des Patienten wieder geschlossen. "Das zieht jetzt ein bisschen, nicht erschrecken", spricht Alexander Vaisbord mit dem älteren Herren. Stich für Stich befestigt der Arzt die beiden Wundseiten miteinander. Um 9.37 Uhr ist die OP beendet. "Es ist alles problemlos verlaufen", freut sich der Oberarzt nach der Operation. Auch dem noch leicht schläfrigen Patienten wird die erfreuliche Mitteilung gemacht. Er kann sich von nun an über ein ruhiges Leben freuen, nicht mehr geplagt von der Angst, dass sein Herz plötzlich stehen bleibt. Der kleine Lebensretter in seiner linken Brust übernimmt nun die Kontrolle.