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Hörst Schäfer und Henry Koch vom Radsportmuseum besuchen den Friedensfahrtteilnehmer Tarek Aboul-Zahab im Libanon.Von Olaf Koch Beirut-Reise: Mühlinger gehören nun zur Familie

05.01.2015, 01:19

Der ehemalige Teilnehmer der Friedensfahrt Tarek Aboul-Zahab feierte Ende des Jahres seinen 75. Geburtstag. Zu den Gratulanten gehörten zwei Mitglieder des Radsportmuseums Kleinmühlingen. Die libanesischen Gastgeber nahmen die deutschen Gäste in die Großfamilie auf.

Beirut/Kleinmühlingen l Wer ist "Täve" Schur? Als der Leiter des Radsportmuseums Kleinmühlingen, Horst Schäfer, den kleinen Fahrradladen in der Medhat Pacha Street in Beirut, der Hauptstadt von Libanon, betritt, wird der kleine Mann aus der Börde gefeiert wir ein großer Star. Aus der beschaulichen Idylle zwischen Rädern, Ketten und Fahrradöl wird ein Schauplatz, der an einen Prominentenauftritt erinnert.

Nicht ohne Grund wird Horst Schäfer so lautstark begrüßt: Er ist der Mann im Hintergrund, der dem erfolgreichen libanesischen Radrennsportler Tarek Aboul-Zahab ein Denkmal gesetzt hat - nämlich in Form eines Museums. Das steht gut 2800 Kilometer von den verwinkelten Straßen der Millionen-Metropole Beirut entfernt nur unweit der Saale im kleinen Dörfchen Kleinmühlingen. Hier haben Horst Schäfer und die Mitglieder des Vereines "Radfreizeit, Radsportgeschichte und Friedensfahrt" viel Interessantes zur Geschichte der legendären Friedensfahrt zusammengetragen. Das Haus ist einzigartig im Salzlandkreis, in Deutschland, Europa und der Welt.

Volksstimme-Artikel neben arabischen

Ausgangespunkt ist aber vor gut 50 Jahren das entfachte Feuer, als Tarek Aboul-Zahab in den 1960er Jahren mehrmals als Einzelstarter an der Friedensfahrt teilnimmt, später im internationalen Team. "Für mich als keiner Junge war dieser Sportler mit seinem Aussehen faszinierend", berichtet Horst Schäfer, als er im Fahrradgeschäft von Oussama Aboul-Zahab steht, dem Sohn des damaligen Radrennsportlers. Schaut sich Horst Schäfer in dem Geschäft, das gleichzeitig als Werkstatt dient, um, versteht er die Sympathie, die ihm dort entgegengebracht wird: An den Wänden hängen nicht nur Medaillen, Fotos und Zeitungsausschnitte des libanesischen Stars, sondern auch von dem Deutschen aus Bördeland. Artikel der Volksstimme kleben einträchtig neben Artikeln arabischsprachiger Zeitungen des Libanons. Nicht nur in Beirut, sondern auch im ganzen Land und darüber hinaus ist der Fahrradladen der Familie Aboul-Zahab eine bekannte Adresse.

Gemeinsame Sprache ist der Radrennsport

Nun steht Horst Schäfer dort mitten in den Räumen, mitten im Schmelztiegel des Vulkans, der vor mehr als 50 Jahren das erste Mal ausbrach. Jetzt ist er mittendrin und trifft Tarek Aboul-Zahab. Beide Männer begrüßen sich wie Freunde. Tarek Aboul-Zahab hat Horst Schäfer und Vereinsmitglied Henry Koch nach Beirut eingeladen. Der Grund ist der 75. Geburtstag des Libanesen.

Was die beiden Kleinmühlinger in Beirut in den sieben Tagen erleben, wird Horst Schäfer zum Abschluss kurz vor dem Rückflug nach Deutschland mit einem stummen, aber zufriedenen Kopfnicken zusammenfassen. Die Eindrücke der vergangenen Woche machen den ansonsten nie um eine Satz verlegenen Horst Schäfer sprachlos. "Es war fantastisch. Ich bin überwältigt von dieser Gastfreundschaft, von diesem Land und den Menschen."

Auch Tarek Aboul-Zahab ist glücklich. Bei jeder Zusammenkunft im dritten Stock seines großen Apartments holt der 75-Jährige immer mehr alte Fotos, Zeitungsausschnitte und Bücher hervor. Horst Schäfer und Tarek Aboul-Zahab sitzen zusammen wie zwei alte Freunde, die sich seit 50 Jahren nicht gesehen haben und tauschen sich über ihre Erlebnisse und Erinnerungen der Friedensfahrt auf dem Boden der DDR, von Polen und der Tschechoslowakei aus. Der eine spricht nur Deutsch und ein wenig Englisch, der andere Arabisch und Französisch. Doch eines eint beide - nämlich die Sprache des Sports und der Friedensfahrt.

Als Tarek Aboul-Zahab zu seiner Geburtstagsfeier einlädt, sitzt Horst Schäfer neben ihm. Es ist eine Ehre, die die anderen Mitglieder der libanesischen Großfamilie anerkennen. Viele seiner Geschwister sind gekommen, darunter ein Bruder aus Deutschland, ein anderer aus den USA und ein Sohn aus Frankreich. Am Ende zählen Horst Schäfer und Mitreisender Henry Koch gut 20 Gäste, die ausgelassen nach einem langen Mittagessen und einem sich anschließenden Kaffeetrinken unterhalten. Alkohol sucht man vergeblich. "Hier wird einem deutlich gezeigt, dass man auch ohne Bier oder Wein lustig sein kann", erklärt der Leiter des Museums "Course de la Paix".

Nur in einem kleinen Moment sehnen sich die deutschen Gäste nach einen Schnaps - als sie sich nach Petersilie-Salat, Hühnchen, Lamm, Reis und vegetarischen Spezialitäten sowie mehreren selbstgebackenen Kuchen den gefüllten Bauch reiben. "Jetzt ein schöner kalter Kräuterlikör", ist der Wunsch der Deutschen. Abhilfe schafft in diesem Augenblick nur ein Spaziergang durch das abendliche Beirut bei wohligen 20 Grad Celsius.

Nationalsportler aus dem Irak ist zu Besuch

Doch nicht nur aus Frankreich, Deutschand und den USA kommen Gäste zum Geburtstag zu Tarek Aboul-Zahab. Ein weiterer Besucher ist Marwan Saad Kadhim. Der 26-Jährige ist Radrennfahrer des irakischen Nationalteams. Nach Krieg und Folter flüchtete er mit seiner Familie vor Jahren nach Syrien. Dort hat sich das Leben nun wegen des dortigen Krieges weiter verschlechtert. "In meinem Land ist derzeit Winterpause", berichtete der junge Mann mit seinem einnehmenden Lächeln. Aus diesem Grund machte er sich auf den Weg nach Beirut - auch um den im Nahem Osten bekannten Aboul-Zahab in Beirut zu besuchen.

Der junge Iraker bekommt selbstredend einen Platz an der großen Geburtstagstafel. Die deutsche Friedensfahrtlegende "Täve" Schur kennt der Iraker nicht, wohl aber den Deutschen Horst Schäfer. Zum Beweis zeigt Marwan Saad Kadhim sein Smartphone. Dort lächelt Horst Schäfer aus den Pixeln des Fotos. Letzter ist gerührt. Mit dieser Bekundung sichert sich der irakische Nationalfahrer eine Einladung im Mai nach Kleinmühlingen, um sich das Friedensfahrtmuseum in Deutschland anzusehen.