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Der 19-jährige Student Nicolas reagiert schockiert auf die Vorfälle in seiner französischen Heimat "Ich dachte immer, Paris sei sicher"

Von Massimo Rogacki 09.01.2015, 01:05

Nach den Anschlägen auf die Redaktion des französischen Satiremagazins "Charlie Hebdo" herrscht weltweit Bestürzung. Nicolas Frayssinet, ein 19-jähriger französischer Freiwilligendienstleistender am Dr.-Carl-Hermann-Gymnasium in Schönebeck, ist ebenso schockiert.

Schönebeck l "Fassungslos" sei er nach den Anschlägen gewesen, sagt Nicolas Frayssinet. Der 19-Jährige absolviert ein Freiwilliges Soziales Jahr in Deutschland. Sein Gastspiel gibt der Franzose am Dr.-Carl-Hermann-Gymnasium in Schönebeck. Dort sei der Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" auch Thema gewesen, sowohl im Unterricht, als auch auf den Fluren habe man über das, was kurz zuvor in Frankreich passiert war, gesprochen.

Fassungslosigkeit ist auch das weltweit vorherrschende Gefühl nach dem grausamen Attentat. Überall, nicht nur in Frankreich, gehen Menschen auf die Straße, solidarisieren sich mit den Opfern. Nicolas kennt das 11. Arrondisement, in dem die Schüsse am Mittwoch gefallen sind, nicht so genau.

Weltweit Fassungslosigkeit

Seine Universität "Sciences Po" - er studiert im dritten Jahr Politikwissenschaft - liegt in der Nähe der Station Saint-Germain des Prés, nicht einmal vier Kilometer von der Unglücksstelle entfernt. "Ich dachte immer, Paris sei sicher", sagt der 19-Jährige. "Klar, seit 9/11 wissen wir, dass es überall passieren kann. Aber ich dachte, dass die Regierung alle Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat." Von den Vorfällen hat er erst am Mittwochabend gegen 19 Uhr erfahren. Er habe noch nicht einmal mit seinen Eltern gesprochen. "Ich habe noch keine Antwort von ihnen auf meine E-Mail bekommen. Ich habe zuhause leider kein Internet", sagt er mit etwas zerknirschtem Gesichtsausdruck.

Wie die Reaktion seiner Eltern ausfällt, lässt sich allerdings leicht vorhersehen, so Nicolas. "Meine Eltern verurteilen solche Dinge. Ich bin in einer sehr liberal denkenden Familie groß geworden." Die Familie wohnt in La Boissière-École, einer 70 Kilometer westlich von Paris gelegenen 1000-Seelen-Gemeinde. Als Politikwissenschaftler weiß Nicolas natürlich, dass die Themen Migration und Asylpolitik in Frankreich seit einiger Zeit immer schärfer diskutiert werden.

Bevor er vielleicht einmal in der Politik aktiv werden möchte, wolle er zunächst das gesamte politische Spektrum studieren. Der rechts- populistische Front National, der bei den letztjährigen Senatswahlen in Frankreich massive Gewinne erzielen konnte, gehört nicht zu seinen Favoriten.

Eine ausländerfeindliche Politik, die sich gegen Muslime richtet, lehne er ab, sagt der älter als 19 wirkende Student mit den wachen Augen. Einige seiner Kommilitonen seien auch Muslime, so Frayssinet. "Sie tun alles, um eine Vorstellung vom Islam zu vermitteln, die nichts mit radikalen Islamisten gemein hat." Nicola plädiert insbesondere für Pluralismus: "In westlichen Gesellschaften muss es Toleranz , Meinungs- und Pressefreiheit geben." Der Franzose ist das beste Beispiel dafür, wie das Interesse für eine Kultur die Integration befördern kann.

In beinahe fließendem Deutsch legt er seine Gedanken dar, dabei ist er seit September erst am Carl-Hermann-Gymnasium. "Ich habe vorher in der Schule Deutsch gelernt, mache hier aber sehr große Fortschritte." Eine Auslandserfahrung während des Studiums werde an seiner Universität als sehr wichtig erachtet. Auch deshalb ist er jetzt in Schönebeck. Er werde trotzdem während seiner Zeit in Deutschland die Entwicklung in Frankreich genau verfolgen, so der 19-Jährige.

Solidaritätsbekundungen allerorts

Man merkt auch Nicolas an, dass er das Geschehene erst verdauen muss, auf die Reaktionen von Politik und Medien ist er neugierig. Das Mitgefühl und die Solidaritätsbekundungen auf den Straßen von Berlin oder Paris oder in den Sozialen Medien und Netzwerken imponieren ihm. In den nächsten Tagen möchte sich Nicolas darüber endlich intensiver mit seinen Eltern und seinen Freunden in der Heimat und im fernen Paris austauschen. Per Telefon oder über die sozialen Medien - vorausgesetzt er findet einen Internetzugang.