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Der Sachverständige Christoph Schulz zeigt in Pömmelte auf, was möglich ist Zwei neue Glocken für die Johanniskirche

Von Thomas Linßner 28.01.2015, 02:12

Die evangelische Kirchengemeinde Pömmelte hat ein ehrgeiziges Ziel: Vom Turm der St. Johanniskirche sollen wieder zwei Bronzeglocken erklingen. Kostenpunkt mit Installation: rund 30000 Euro. Christoph Schulz, Glockensachverständiger der Kirchenprovinz Sachsen, zeigte Möglichkeiten auf.

Pömmelte l "Verstummt die Kirchenglocke in Pömmelte?", fragte Dieter Kohle ein bisschen provozierend schon im vergangenen Sommer. Der Vorsitzende des Gemeindekirchenrates hatte dabei die Aussage von Christoph Schulz im Hinterkopf.

Der hatte im Juli 2014 festgestellt: Die Eisenhartgussglocke könne jederzeit zerrosten, aber auch noch eine Generation halten. Im Gegensatz zu Stahl- und Bronzeglocken sei das bei diesem klingenden "Notbehelf" ein normaler Prozess. Wie Schulz sagte, wisse man nie, wieviele Lunker sich im Eisenguss befinden. (Lunker ist ein Begriff aus der Metallurgie und bezeichnet Hohlräume. Sie treten beim Vergießen von Schmelzen einzeln oder gehäuft auf.) Der Sachverständige zeigte in der Kulturbaracke des Heimatvereins "Kleines Ende" einem interessierten Publikum per Video-Projektor Möglichkeiten auf, wie die beiden Pömmelter Glocken dereinst aussehen könnten. Denn wie so oft im Leben hängt es vom Geld ab, ob und wann so eine Investition erfolgen kann. Der Neinstedter riet: "Sie können ja beide Glocken in Auftrag geben, aber erstmal nur eine aufhängen." Denn Montage und Anpassung im Turm verursachen schließlich auch Kosten. Die Gemeinde plant laut Christoph Schulz eine 450 und eine 300 Kilogramm schwere Bronze anzuschaffen. (Vor einem halben Jahr war die Rede von 480 Kilogramm, 940 mm Durchmesser, und 270 Kilogramm, 780 mm Durchmesser.) Die alte, fast 800 Kilogramm schwere Eisenhartgussglocke würde dann demontiert werden.

"Früher nahmen sich die Leute Zeit, um das Beste zur Ehre Gottes zu schaffen."

Wie Dieter Kohle sagte, hoffe man auf die Spendenfreudigkeit der Pömmelter, egal ob sie Mitglied in der Kirchengemeinde sind oder nicht. "Jeder Haushalt hat einen Überweisungsträger bekommen, mit dem auf das Konto eingezahlt werden kann", informierte der ehemalige Ordnungsamtsleiter der Stadt Barby.

Zu den Aufgaben von Christoph Schulz zählt, die Kirchengemeinden bei Glockenfragen zu beraten. Es gehe darum, Konzepte für die Restaurierung oder für Neugüsse der Instrumente zu entwickeln oder Abnahmegutachten zu erstellen. Für etwa 3000 Glocken sei er in der Kirchenprovinz zuständig. Die älteste des Landes erklingt im Merseburger Dom, die im Jahr 1040 gegossen wurde.

Wie er in Pömmelte ausführte, werden Glocken traditionell freitags um 15 Uhr gegossen, was an die Sterbestunde Jesu Christi erinnern soll. Aus "pragmatischen Gründen" sei in den sieben Gießereien des Landes der Gusstermin heutzutage allerdings auf 13 Uhr vorverlegt worden. Was etwas mit der 40-Stunden-Woche der Former zu tun habe ...

In einem Nebensatz machte Schulz eine Bemerkung, die aufhorchen ließ: Heutige Anfertigungen können denen aus alter Zeit nicht das Wasser reichen. Warum? Wo uns doch heute alle möglichen modernen technischen Hilfsmittel zur Verfügung stehen ...

Christoph Schulz: "Früher nahmen sich die Leute Zeit und hatten Langmut, um das Beste zur Ehre Gottes zu schaffen".

Die Frage von Pfarrer Björn Teichert, ob man beim Guss dabei sein kann, beantwortete Schulz mit ja.

Morgens in aller Frühe werde dann der Schmelzofen angefeuert, damit die Glockenspeise, die aus 78 Prozent Kupfer und 22 Prozent Zinn besteht, schmilzt. Hat die Bronze eine Temperatur von zirka 1100 Grad erreicht, kann der Guss beginnen. Die gegossenen Glocken müssen in der ausgehobenen Grube noch einige Tage auskühlen, bis sie aus ihrem Mantel befreit werden können. Dann wird mit der Stimmgabel geprüft, ob der Guss gelungen ist.

Pömmeltes erste Glocken wurden 1871 in der Johanniskirche aufgehängt. Das klangvolle Geläut war allerdings nur 46 Jahre lang zu hören: 1917 wurde die größere der beiden Bronzen für den Krieg geopfert. Bis 1922 schwang nur eine Glocke im Inneren des Johannisturmes. Als Ersatz wurde 1922 dann die Eisenhartgussglocke installiert. Im Laufe des Zweiten Weltkriegs ging die verbliebene kleine Bronzeglocke den selben Weg wie ihre große Schwester 1917. Seither läutet nur noch die Eisenglocke. Sie dient auch dem stündlichen Uhrenschlag.