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Unverrottbare Antiquität Welche Geschichten eine alte Bierflasche im Elbeforst erzählt

Bei Schachtarbeiten findet man sie zuweilen, die Relikte einstiger
Braukunst. Manchmal geht es aber auch ohne Bagger: Im Wald hinter der
Barbyer Elbbrücke wurde eine Glasflasche gefunden, die so einiges zu
erzählen hat.

Von Thomas Linßner 14.04.2015, 03:26

Barby/Magdeburg l Hin und wieder findet man sie, die unverwitterbaren und antiquierten Zeugnisse heimischer Braukunst. So wurde nebenstehend abgebildete Flasche östlich der Barbyer Elbbrücke im Wald gefunden. Importierte sie ein energisches Hochwasser oder ließ sie ein durstiger Waldarbeiter liegen? Vermutlich kann man im ersten Moment Letzteres annehmen, da die Diamant-Brauerei in Magdeburg beheimatet war und die Elbe bekanntlich nach Norden fließt. Gegen den Strom geht also nicht.

Bei Wikipedia erfahren wir die Geschichte des Traditionshauses: 1841 gründeten die Brüder Albert und Hermann Wernecke in ihrem Elternhaus, dem Bayerischen Hof an der Berliner Straße, die Brauerei A. .H. Wernecke. 1843 musste, auf Grund der stetig steigenden Nachfrage, ein größeres Gelände in der Neustadt dazugekauft werden. Im Gründungsjahr wurden 1383 Hektoliter Bier produziert, 1853 bereits 10000 und 1870 waren es dann 70000 Hektoliter.

"Stadt und Land trinkt Diamant"

Da die Brauerei mittlerweile alle notwendigen Maschinen, Anlagen und Gebäude und auch eine eigene, 40 PS starke Dampfmaschine besaß, wurde beschlossen, die Firma in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln.

Der plötzliche Tod Hermann Werneckes und eine lange Krankheit seines Bruders Albert beschleunigten diesen Beschluss.

1876 ging die Leitung an Gustav Wernecke, Sohn des verstorbenen Hermann Wernecke, über. Durch dessen Engagement besaß die Brauerei in den 1880er Jahren als eine der wenigen ein eigenes Eishaus, einen Brunnen, leistungsstarke Dampfmaschinen und eine eigene Mälzerei. Sogar eine Werkseisenbahn verkehrte auf dem Betriebsgelände.

1937 wurde der Diamant als patentrechtlich geschütztes Markenzeichen in Verbindung mit der Marke Diamantbier eingeführt. Weit über die Grenzen Magdeburgs bekannt wurde auch der Werbeslogan "Stadt und Land trinkt Diamant!".

Durch den Zweiten Weltkrieg waren 1945 rund 70 Prozent der baulichen Anlagen stark beschädigt und 30 Prozent zerstört. Trotzdem wurden bereits ein Jahr später wieder 79000 Hektoliter Bier gebraut.

1947 wurde die Brauerei "Volkseigener Betrieb" (VEB) und firmierte nun als VEB Diamant-Brauerei Magdeburg-Neustadt.

Am 17. Januar 1991 wurde die Diamant-Brauerei 100-prozentige Tochter der ehemaligen Ersten Kulmbacher Aktienbrauerei. Bis 1994 braute man auf dem Firmengelände in der Neuen Neustadt Bier. Ende der 1990er Jahre verschwand die Marke vom Markt.

2005 wurde die "Interessengemeinschaft Diamant-Brauerei Magdeburg" als Verein gegründet mit dem Ziel, in einem Museumsraum an die Geschichte der Diamantbrauerei zu erinnern.

Vor-VEB-Produkt im Elbewald

Die abgebildete Flasche ist noch ein Vor-VEB-Produkt und damit über 67 Jahre alt. Ihr Schriftzug "Unverkäuflich" lässt darauf schließen, dass es sich um sogenannten Haustrunk handelte, also ein Deputat für Mitarbeiter. Die Abgabe von Freibier an Brauereibeschäftigte ist auch heute noch in Deutschland gang und gäbe. Diese Vergütung wird "Haustrunk" oder auch Deputat genannt und liegt zwischen 40 und 100 Litern pro Monat.

Die Brauereien bestanden in früheren Zeiten darauf, dass dieser Haustrunk auf dem Betriebsgelände konsumiert wurde, um dadurch einen privaten Weiterverkauf auszuschließen.

Was bei der Flasche im Wald offensichtlich nicht der Fall war. Die wird wohl ein Mitarbeiter für ein Picknick an der Elbe heraus geschmuggelt oder an einen Waldarbeiter verkauft habe.

In Barby wurde Bier bis nach der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert gebraut. Eine kurze Blütezeit erreichte die Brauerei noch einmal, als Gottfried Conrad die Amtsbrauerei übernahm. Auch sein Bier wurde weit versandt. An manchen Tagen gingen mehr als 60 Tonnen (Fässer) auf der Elbe in Richtung Hamburg. Das berichtet die Barbyer Chronik von Engelmann/Ulrich.

1875 errichtete Franz Conrad in der Schulstraße eine Dampfbrauerei, später erwarb er dann das gleichnamige Hotel an der "Caféecke". Sein Bier konnte man auch in der Brauerei kaufen: 1,5 Liter kosteten 20 Pfennig. Im Sommer verdünnten es die Käufer mit Wasser zu einem Dünnbier, das in der Erntezeit gern getrunken wurde.

Eine größere wirtschaftliche Bedeutung erlangte die Bierbrauerei aber nicht mehr. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde sie ganz eingestellt. Conrad konzentrierte sich auf das Betreiben seines Hotels und seiner Gaststätte in der Innenstadt von Barby.