1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Eine alte Tradition lebt wieder auf

Nach langer Pause von 24 Jahren wird im Schönebecker Klinikum wieder eine Kinderkrankenschwester ausgebildet Eine alte Tradition lebt wieder auf

Von Ulrich Meinhard 20.05.2015, 03:27

Eine alte Tradition wird jetzt im Schönebecker Klinikum wiederbelebt: die Ausbildung von Kinderkrankenschwestern. Die 19-jährige Sarah Minet aus Staßfurt hat sich für diesen Beruf entschieden.

Schönebeck l Lange ist es her, dass in Schönebeck die bislang letzte Kinderkrankenschwester am hiesigen Krankenhaus ausgebildet worden ist. Die Verantwortlichen der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin müssten in ihren Unterlagen nachschauen, wenn sie ein Datum nennen wollten. Nun lebt die Tradition wieder auf. Mit Sarah Minet. 19 Lenze ist die Staßfurterin jung. Seit August vergangenen Jahres lernt sie am Schönebecker Ameos-Klinikum jenen Beruf, der hier lange nicht mehr ausgebildet wurde. Die korrekte und offizielle Berufsbezeichung ist Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin.

Kinder sind ehrliche Patienten

Warum gerade diesen Beruf? Wer Kinder mag, könnte doch auch Erzieherin werden? Die blonde junge Frau belächelt die Fragen. "Also, mit Kindern zu arbeiten, ist einfach toll. Und ihnen helfen zu können und dann zu sehen, wie sie gesund werden, ist wunderbar. Das könnte ich in einem Kindergarten nicht", hebt Sarah Minet hervor. Auf die Frage, was bei Kindern anders ist als bei erwachsenen Patienten, antworten die Auszubildende und die Chefärztin der Kinderklinik, Dr. Christina Gerstner, im Duo: Kinder sind nicht nachtragend. Kinder sind sehr ehrliche Patienten. Sie können sich in der Regel gut einschätzen.

Die Anforderungen an die dreijährige Ausbildung beschreibt Sarah Minet als "hoch, aber machbar". In ihrem Elternhaus ist sie von vielen Kindern umgeben. Dieses Miteinander habe wohl auch zu ihrem Berufswunsch beigetragen, überlegt sie. Während im Schönebecker Klinikum die praktische Ausbildung erfolgt, fährt Sarah zur theoretischen Wissensvermittlung zum Ausbildungszentrum für Gesundheitsfachberufe des Universitätsklinikum Magdeburg in die Landeshauptstadt.

Das Feld der praktischen Ausbildung ist ein weites. Wer meint, Sarah wäre tagaus und tagein nur in der Kinderklinik beschäftigt, irrt. In den vergangenen Wochen war sie in der Klinik für innere Erkrankungen in Bad Salzelmen eingesetzt, danach in einer integrativen Kindertagesstätte und in einer Kinderarztpraxis in Calbe. Alle Erfahrungswerte, die in punkto Kinderheilkunde und Kinderbetreuung vermittelt werden können, sind Bestandteil des Ausbildungsplanes. "Wir versuchen, sehr weit zu fächern", sagt Schönebecks Zentrale Praxisanleiterin Ingeburg von Damaros.

Aussichten auf Anstellung stehen sehr gut

Für Sarah war es von Vorteil, ein Freiwilliges Soziales Jahr am Schönebecker Klinikum absolviert zu haben. "So konnte ihr Berufswunsch weiter reifen. Und wir hatten Gelegenheit, sie besser kennenzulernen", wägt die Praxisanleiterin Ingeburg von Damaros ab. Sie möchte allen Schülern raten, es der Staßfurterin gleichzutun und zumindest ein Praktikum im Bereich des Wunschberufes zu leisten.

Die Aussichten für eine Anstellung im Schönebecker Krankenhaus dürften für Sarah sehr gut stehen. Zwar weiß sie selbst noch nicht genau, was in knapp drei Jahren sein wird und ob sie dann bleiben möchte, von Seiten der Klinikleitung kommen aber bereits positive Signale. "Wir brauchen Nachwuchs", macht Ingeburg von Damaros keinen Hehl aus der sich abzeichnenden Überalterung.

Darauf hebt auch der Regionale Pflegedirektor von Ameos, Witiko Nickel, ab, wenn er sagt: "Wir haben uns natürlich die Altersstruktur angesehen und überlegt, wo kriegen wir den Nachwuchs her. Natürlich können wir mit den Kinderarztpraxen konkurrieren, die suchen nämlich auch. Oder wir bilden eben selber aus."

Dazu hat sich Ameos in Schönebeck entschieden. Und das nach 24 Jahren Pause: Schwester Iris Rustenbeck hat damals, also 1990, ihren Berufsabschluss gemacht, wie sie auf Nachfrage versichert. Sie ist auch heute noch an Ort und Stelle tätig.

Warum ist so lange keine Kinderkrankenschwester ausgebildet worden? Dr. Christina Gerstner, Ingeburg von Damaros, Witiko Nickel und die beim Gespräch ebenfalls anwesende Pflegerische Krankenhausleitung Manuela Recklebe schauen sich fragend an. Witiko Nickel vermutet: "Es waren wohl genügend da." Jetzt hingegen, das zeigt ein Blick auf den Personalspiegel, stehen mehrere Pflegekräfte vor dem Eintritt in den Ruhestand. So wird Schönebeck also weiterhin Kinderkrankenschwestern ausbilden? Eine nicht so leicht zu beantwortende Frage, wie sich herausstellt. "Wir erwarten eine Gesetzesänderung", erläutert Ingeburg von Damaros. Deutschland, sagt sie, sei das einzige Land in der Europäischen Union, das noch Kinderkrankenschwestern ausbildet. Im Rahmen der europäischen Anpassungen in allen möglichen Bereichen, so auch bei Studium und Ausbildung, soll das bald schon nicht mehr möglich sein. Seitens der Politik wird eine generalistische Ausbildung angestrebt, die die Berufe des Altenpflegers, des Gesundheits- und Krankenpflegers sowie des Gesundheits- und Kinderkrankenpflegers in eine zusammenfasst und nach der Ausbildung dann eine Spezialisierung möglich macht. Die Schönebecker Ameos-Leute wollen diesem Ansinnen nicht folgen. "Wir setzen auf Kinderkrankenpflege mit der entsprechenden Ausbildung", sagt die Chefärztin. Die Ausbildung für die Gesundheits- und Krankenpflege beinhalte viele Wissensgebiete nicht, die bei der Ausbildung zur Kinderkrankenpflege eine Rolle spielen. Und Kinder seien keine kleinen Erwachsenen. So steht es erst einmal in den Sternen, ob Sarah auf absehbare Zeit wiederum die letzte Auszubildende ist, die den Beruf der Kinderkrankenschwester erlernt. Dem Schönebecker Klinikum liegen jedenfalls schon jetzt acht Bewerbungen für diesen Beruf vor.

Die letzte Frage dieses Gespräches gilt Sarah Minet. Möchte sie selbst einmal Kinder haben? "Ja", sagt sie.

Dann gilt es noch, ein Foto zu machen, am besten Sarah und Schwester Iris gemeinsam. Am besten bei der Arbeit. Für die knapp einjährige Emma, die auf Station wegen einer Erkältung behandelt wird, liegt die Einwilligung der Eltern für eine Veröffentlichung vor. Der Fotograf befürchtet, dass sich die Kleine erschrecken könnte angesichts des Blitzlichtes. Doch das Gegenteil ist der Fall. Emma freut sich über das mehrmalige Aufleuchten und lächelt vergnügt dazu. Und Sarah lächelt Emma an.