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Verband sagt schwieriges Jahr voraus / Landwirte sind Hauptbetroffene / Ursachen liegen vielfältig begründet Bauern kämpfen gegen viele Wasserfronten

Von Daniel Wrüske 23.02.2011, 08:20

Dräng- und Oberflächenwasser bleibt das größte Problem für die Landwirte im Salzland. Das wurde jetzt auch bei einem Verbandstag in Könnern deutlich. Wie vielfältig die Situation ist, vor der Bauern stehen können, zeigt das Beispiel der Agrargenossenschaft Calbe. Die Landwirte fordern, dass alle Beteiligten stärker zusammenarbeiten.

Schönebeck. Rund 10 000 Hektar Fläche Land sind nach Einschätzung des Bauernverbandes Salzland durch Vernässung beeinflusst. "Auf bereits bestellten Flächen leiden die Pflanzen unter der Überflutung, und bei der Aussaat im Frühjahr ist mit weiteren Schwierigkeiten zu rechnen", sagt Verbandsvorsitzender Matthias Saudhof. Aus seiner Sicht komme auf die Landwirte im Salzland ein schwieriges Jahr zu.

Längst hat man erkannt, dass der Vernässung nicht kurzfristig zu begegnen ist und es zu Ausfällen kommen wird. So spart Saudhof nicht mit Kritik. Die richtet sich vor allem an die Verantwortungsträger in den Kommunen und den zuständigen Unterhaltungsverbänden. "Im südlichen Salzland klappt die Zusammenarbeit, im nördlichen Bereich ist sie eher katastrophal." Vor allem im Zusammenhang mit der Unterhaltung von Gräben seien Verbände, wie Untere Bode in Borne, überfordert. "Die Bauern sind mit Kosten an der Unterhaltung beteiligt, doch hier passiert nichts", sagt Saudhof. Er sieht das Problem fehlender Meliorationsmaßnahmen. "Früher gab es dafür Experten, heute scheint der Begriff in Vergessenheit geraten zu sein." Stattdessen versuche man, den Landwirten selbst die Schuld für die nassen Flächen in die Schuhe zu schieben und bezichtige sie der Überpflügung. "Die Bauern kennen ihr Land, sind eng mit der Natur verbunden: Ich kenne keinen Bauern, der einen Graben zupflügt." Saudhof fordert, dass man das Grabensystem erneuert und ausbaut.

Probleme mit Grabensystemen

Der Fall der Agrargenossenschaft Calbe zeigt, wie vielfältig die Ursachen liegen können. 3500 Hektar Land bewirtschaftet der Betrieb zwischen Calbe, Glöthe und Förderstedt. Rund 80 stehen davon unter Wasser, so die Einschätzung von Hansjoachim Gerber, Vorstandsvorsitzender der Agrargenossenschaft. "Das Saatgut ist gekauft und zum Teil im Boden, Winterweizen und Raps sind gesät. Wir müssen die Pacht für die Flächen und die jetzt mögliche Bearbeitung zahlen. Alles das kostet Geld", sagt Hansjoachim Gerber. Er rechnet bisher mit zusätzlichen Kosten von rund 100 000 Euro. Ungewiss sei, wann man mit dem Anbau von Zwiebeln und Zuckerrüben als Hauptkulturen beginnen könne.

Im Förderstedter Bereich macht die Unterhaltung der Gräben zu schaffen. Das Problem zieht sich bis nach Löderburg und Staßfurt. Hier ist der Marbegraben zugewuchert. In Löderburg und Lust ansässige Bauern machten erst kürzlich Landtagsabgeordneten und Landwirt Johann Hauser (FDP), der sich in Magdeburg für die wassergeschädigten Regionen einsetzt, auf die Situation aufmerksam. "Die Marbe nimmt das Wasser nicht auf. Durchlässe sind nicht gereinigt, das Wasser kann nicht in die Bode abfließen", erklärt Hansjoachim Gerber.

Der zuständige Unterhaltungsverband Untere Bode in Borne hält sich auf Volksstimmeanfrage bedeckt. Gestern habe man mit Unterhaltungsmaßnahmen begonnen, so Geschäftsführerin Martina Ritterhaus, dazu sei aber Stillschweigen vereinbart worden. "Ich werde mich dazu öffentlich nicht weiter äußern", so die Aussage der Verbandschefin.

Wasser drückt in Haushalte zurück

Diese Haltung ärgert natürlich auch die Bauern, die sich oft vor vollendete Tatsachen gestellt sehen. Hansjoachim Gerber sagt, dass die Unterhaltungsverbände aus den Gemeinden bestehen würden, in denen die Bauern lebten und arbeiten. "Die Zusammenarbeit muss hier enger werden."

Vor einem anderen Problem steht die Agrargenossenschaft in ihrem Heimatort Calbe. Das Bollenfeld am Hänsgenhoch steht unter Wasser. Die Stadt hat in Zusammenarbeit mit dem Abwasserzweckverband (AZV) Saalemündung einen Graben zugeschüttet. Das Wasser, das sich hier von den Feldern sammelt, läuft über die Kanalisation direkt in das AZV-Klärwerk: Das Grabensystem mündet im Kanalsystem. Um die anfallenden Massen zu regulieren, hat man den Graben mit Schotter verschlossen, an einem Schieber regeln die Beteiligten, was in der Kläranlage an zusätzlichem Wasser ankommt. Den Bauern geht das zu langsam, obwohl der Durchfluss bereits teilweise wieder geöffnet wurde. Das Wasser will einfach nicht von den Feldern weichen. Die Stadt hat mit den AZV und Landwirten nach Lösungen gesucht, ein zweiter Graben wäre eine Variante. Gespräche dazu laufen. In die Kläranlage kann das Wasser nicht. "Das würde die Prozesse völlig durcheinander bringen", bestätigt Michael Tecklenburg, Verbandgeschäftsführer des AZV Saalemündung.

Land soll Ausbau der Gräben fördern

Seine ausführliche Begründung klingt bürokratisch, zeigt aber, dass man das Problem lediglich verlagern würde. "Unsere Hauptaufgabe ist die Abwasserbeseitigung im Rahmen der Daseinsvorsorgepflicht, die die Kommune zu erfüllen hat." Das Oberflächenwasser der Felder gehöre nicht dazu. Die Kläranlage, die für 120 000 Einwohner ausgerichtet ist, sei im Normalbetrieb schon bestens ausgelastet. Calbe, Barby und Nienburg hängen am Netz. Rund 2,3 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr fallen an. "Wenn das Wasser der Felder dazu kommt, hat nicht nur die Anlage Probleme", erklärt Michael Tecklenburg mit den Hinweis darauf, dass entstehende Kosten auf die Leute umgelegt werden müssten. Gravierender sei jedoch, dass das Wasser in die nahegelegenen Haushalte, beispielsweise am Hänsgenhoch, durch die Kanalisation zurückgedrückt werden würde, ließe man das Nass von den Feldern mit einem mal in die Anlage. "Tritt dieser Fall ein, werden wir unserer eigentlichen Aufgabe, die Entsorgung privater Abwässer, nicht mehr gerecht."

In Calbe setzt man jetzt alle Erwartungen in die Arbeitsgruppe mit allen Beteiligten und Bürgermeister Dieter Tischmeyer und hofft, dass schnell ein Weg gefunden wird, die Fläche zu entwässern.

Hansjoachim Gerber spricht ingesamt von einem "grundsätzlichen Problem" und nimmt damit die Argumentation des Bauernverbandstages auf. Denn die Landwirte müssten Pacht und Steuern für die Flächen zahlen. Für die Bewirtschaftung der Gräben fielen Beiträge an. Es könnte immer nur unterhalten, nicht aber das Kanalsystem erweitert werden, weil dazu viele Genehmigungen erforderlich seien, nicht zuletzt diejenigen, die Naturschutzauflagen berücksichtigen. "Das ist alles wichtig und richtig, aber deshalb darf man den Landwirten nicht die Existenz abgraben", so der Calbenser Argrargenossenschaftschef. Grundsätzlich plädieren die Bauern dafür, dass die Umlagen, die sie an die Unterhaltungsverbände zahlen, nicht allein den Großteil der finanziellen Ausstattung dieser Verbände ausmachen. Denn soll ein Grabensystem grundlegend saniert oder sogar erweitert werden, geht das nur über großangelegte Projekte des Landes. Deshalb fordern die Landwirte von der Regierung in Magdeburg, nicht nur Arbeitsgruppen zu bilden, um Ursachen der Wasserprobleme zu finden, sondern auch ganz praktisch Geld in den Ausbau von Gräben zu stecken. Für die Bauern ist auch das eine Form des Hochwasserschutzes.