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Schönebecker erinnern sich an die Anschläge vom 11. September 2001 Pfarrer Matthias Porzelle: "Zuerst dachte ich an einen Pilotenfehler"

10.09.2011, 04:27

Die Welt gedenkt am Sonntag zum zehnten Mal der Opfer der Anschläge vom 11. September auf das World Trade Center in New York. Obwohl die Ereignisse 6000 Kilometer weit entfernt waren, schien die ganze Welt betroffen. Volksstimme fragte nach, welche Erinnerungen die Menschen an diesen folgenreichen Tag haben, der für viele eine historische Brandmarke darstellt. Vier Menschen erinnern sich an jenen Dienstag vor zehn Jahren, als Amerika von Terroristen angegriffen wurde.

Von Sandro Schroeder

Schönebeck. Artur Garz kann sich noch genau an den 11. September 2001 erinnern. Der 79-Jährige saß mit seiner Frau und Freunden beim Kaffee, als im Fernsehen die ersten Bilder live übertragen wurden. "Mein erstes Gefühl war eigentlich nur der Schock, den die Bilder hervorriefen. Erst später kam der Gedanke, dass es auch in Deutschland hätte passieren können", erinnert er sich. Er verfolgte dann den ganzen Tag die Nachrichten. "Präsident George W. Bush hatte schon damals keinen guten Eindruck beim Umgang mit den Ereignissen hinterlassen." Weil er den Zweiten Weltkrieg erlebt hat, war er von Anfang an kritisch gegenüber dem "Krieg gegen den Terror". Rückblickend sagt er: "Der Krieg, der folgte, hat viel zu viele Menschenleben gekostet. Auch Deutschland sollte seine Soldaten aus der Region endlich abziehen. Geändert hat sich, ausgenommen von Bin Laden, nichts - die Organisation existiert immer noch."

Elke Jedamski arbeitete an jenem Tag im Hospiz in Dortmund, als ein Patient sie über die Geschehnisse in New York informierte. "Ich konnte während der Arbeit an nichts anderes denken. Dieser Schock und das Gefühl der Hilfslosigkeit ließen mich den ganzen Tag nicht los", beschreibt die 51-Jährige ihre Gefühle. Als der amerikanische Präsident den Krieg erklärte, hatte sie ein flaues Gefühl. Für den Krieg findet sie heute keine Worte, gebessert hat sich ihrer Meinung nach nichts. "Ich fühle mich in Deutschland sicher und nicht bedroht, auch wenn theoretisch ein Anschlag möglich ist."

Henning Schulte, Vorsitzender des Fliegerclubs Schönebeck, war am 11. September bei einer Tagung. Erst am Abend sah er die Bilder der Anschläge im Fernsehen. "Über eine Stunde haben wir nach der Tagung damals gebraucht, um überhaupt zu realisieren, dass die Anschläge echt waren", erinnert sich Schulte. "Die Tat an sich kam überraschend, aber dass Flugzeuge Waffen sind, wissen wir schon lange. Auch dass sie missbraucht werden könnten, war allen bewusst." Seitdem hat sich in der Fliegerei einiges geändert, auch in Schönebeck: "Alle Piloten, die motorisierte Maschinen fliegen dürfen, müssen sich einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen, Fragen zu Vorstrafen und Wohnorten beantworten. Außerdem werden auch kleine Flugplätze wie Schönebeck in einer Risikoanalyse überprüft. Der bürokratische Aufwand hat sich vervielfacht." Die Anschläge hätten der gesamten westlichen Welt klar gemacht, dass sie "nicht wie in einer Käseglocke vor allem geschützt ist", sagt der Vorsitzende. "Der Terrorismus kann mit allen Mitteln jedes Ziel erreichen. Die Reaktion der Amerikaner war prinzipiell richtig, auf Gewalt auch zu reagieren. Die Art und Weise ist aber überzogen und zweifelhaft. Was passiert nach dem Abzug der Truppen im Irak?"

Matthias Porzelle, Pfarrer einer evangelischen Gemeinde in Bördeland, begann seinen Pfarrdienst einen Monat vor den Anschlägen. Er war auf einem seiner ersten Termine bei einem Geburtstag zu Besuch, als dort im Fernsehen die ersten Bilder der Anschläge gezeigt wurden. "Zuerst dachte ich, dass es sich um einen Pilotenfehler handelte. Die Möglichkeit eines Anschlages hatte ich gar nicht bedacht, erst beim zweiten Flugzeug kam mir der Gedanke", erinnert sich der 39-Jährige. "Meine Ordination fünf Tage später fand trotz der Ereignisse statt, wenn auch unter dem Eindruck der Anschläge, auch meine Predigt war in diesem Zusammenhang zu sehen", sagt der Pfarrer. Damals erinnerte er daran, dass jeden Tag deutlich mehr Menschen, beispielsweise in Afrika, sterben, ohne große Meldungen und Fernsehberichte. "Niemand sollte anderen die Lebensrechte absprechen, weder der Islam noch das Christentum sehen das vor. Wir müssen unsere Prinzipien nicht aufgeben, müssen aber die Rechte anderer achten", erinnert der Pfarrer an die reine Menschlichkeit.