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Als junger Mann erweckte damaliger Dachdecker das Mauertürmchen aus marodem Dasein Günter Zenker hat ein (inniges) Verhältnis: 50 Jahre Engagement für das "Prinzeßchen"

Von Thomas Linßner 17.11.2011, 05:22

Seit einem halben Jahrhundert ist der heute 77-jährige Günter Zenker guter Geist des malerischen Mauertürmchens "Prinzeßchen". Dafür dankten ihm jetzt Vertreter der Stadtverwaltung Barby.

Barby l "Schwanger war ich, als ich für unsere beiden Kühe Futter alleine mähen musste. Günter war ja bei seinem Prinzeßchen." Treffender kann Käte Zenker (76) das "Verhältnis" ihres Gatten zu dem alten Mauertürmchen nicht beschreiben. Der setzte im Frühsommer 1961 Prioritäten: Die Sanierung des historischen Turms ging vor, der zur Tausendjahrfeier im Juni fertig sein musste.

Das "Prinzeßchen", nach dem seit wenigen Monaten auch die benachbarte Grundschule benannt ist, war Günter Zenkers ganz persönliche Herausforderung. "Dahin habe ich auch schon mal Material von meinem Vater umgeleitet", grinst der 77-Jährige.

Damals arbeitete er im Dachdeckerbetrieb seines Vaters Otto. Der hatte dessen Begeisterung für "olle Türme und Gebäude" schon Anfang der 50er Jahre erkannt, als der Filius noch Lehrling war. "Mein Vater hat mich 1951 ins Schloss geschickt, um das Mansard-Dach zu reparieren", weiß Günter Zenker noch genau. Das Barockschloss war zu jenem Zeitpunkt Kaserne der Sowjetarmee, die auch das Mauertürmchen einverleibt hatte.

Dorthin muss der damals 17-Jährige bereits sehnsüchtig hingeschielt haben, wohl wissend, dass es tabu ist.

1945 hatte eine schlechte Zeit für das "Prinzeßchen" begonnen. Fenster und Dielung wurden kurz nach dem Krieg herausgerissen, weil man "Schätze" darunter vermutete.

Das "Prinzeßchen" ist frei

In Vorbereitung der Tausendjahrfeier 1961 machte sich Bürgermeisterin Maria Krause dann Gedanken. Es war 1959, als sie sagte: "Das \'Prinzeßchen\' wird frei, die Freunde ziehen ab. Was machen wir jetzt damit?" (Mit "Freunde" war die Rote Armee gemeint, weil Russen diffamierend, "Sowjets" ein Terminus des Klassenfeindes war, Anmerkung d. Red.)

Kreisdenkmalspfleger Otto Held winkte skeptisch ab. In nicht mal zwei Jahren eine Ruine wieder auferstehen lassen? Doch Günter Zenker, der 25-Jährige, nahm die Herausforderung mit jugendlichem Schwung an: "Das schaffen wir, wenn ihr mir helft."

Und so kam es. Im Finalstadium musste Ehefrau Käte die Kühe selbst melken, wenn der Gatte auf den Zinnen herum turnte. Er bekam nach Kräften Unterstützung vom Rat der Stadt, hatte aber den "Hut auf". Ihm zur Seite stellte man erfahrene Handwerker, die aber in Sachen Denkmalspflege unsensibel waren.

Eines Tages wusste Günter Zenker nicht, ob er lachen oder weinen sollte: Maler Kussi H. verwirklichte seine ganz persönliche Kunstvorstellung an einer der vier geschnitzten Balkenkopf-Masken, die die vier Jahreszeiten symbolisieren. "Der hatte dem Winter rote Backen und rote Lippen angemalt", stöhnt Zenker. Eben so, wie man heitere Holzfiguren im Kindergarten oder am Kettenkarussell verschönert. Um bei den Herren der Denkmalspflege einen Herzinfarkt zu vermeiden, musste Kussi den jahrhundertealten Kopf ganz schnell wieder entfärben.

Pünktlich zum Stadtjubiläum wurde das "Prinzeßchen" fertig. Ein Foto zeigt den jungen Zenker zusammen mit Bürgermeisterin Maria Krause und Kultur-Stadträtin Annemarie Müller bei der Übergabe. Die erste Ausstellung widmete sich der Geschichte Barbys.

Seitdem ließ das "Prinzeßchen" Günter Zenker nicht mehr los. Auch die im Oktober 1961 geborene Tochter Katharina wird später sagen, "damit groß geworden zu sein".

Die große Galeriezeit begann Mitte der 70er Jahre unter den Fittichen des Kulturbundes. Zenker lud zum Teil namhafte nationale wie ausländische Gegenwartskünstler ein, die dort ausstellten. Besondere Aufmerksamkeit erregte dann wieder eine historische Schau. Zenker war es gelungen, Zeichnungen des Carl Spielwerg in Herrnhut ausfindig zu machen. Der Theologiestudent des Barbyer Pädagogikums zeichnete von 1797 bis 1804 Stadt und Umfeld. Da es aus präfotografischen Zeiten nur sehr wenige Darstellungen der Stadt gibt, ein bemerkenswerter Fund.

"Jetzt ist aber Schluss ..."

Mitte der 1990er Jahre zeichneten sich erneut erheblich bauliche Mängel ab, die in einer Generalsanierung 2001 behoben wurden. Seitdem ist das "Prinzeßchen" wieder Galerie. Und wieder kümmert sich Günter Zenker zusammen mit seiner Tochter Katharina darum.

"Jetzt ist aber Schluss, ich komme mit meiner Hüfte kaum noch die Treppe hoch", sagt der 77-Jährige heute. Katharina wird sein Werk fortführen. Die 50-Jährige bestätigt das.

Eine Sache steht für sie fest: Dass die Ausstellungen fortgeführt werden. Eine andere nicht: Dass Vater Günter sich dort nicht mehr blicken lässt ...