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Wie eine professionell gestaltete Spaß-Einladung für Glaubwürdigkeit sorgte Der Klaus aus Barby lädt zu seinem 60. Geburtstag die "Rolling Stones" ein

Von Thomas Linßner 10.03.2012, 05:22

"Auf dem Barbyer Marktplatz spielen die Rolling Stones." So steht es auf der Geburtstagseinladung des Barbyers Klaus Trappe, der heute 60 wird. Wie er aus dieser Nummer wieder rauskommt, beschreibt nachfolgender Beitrag.

Barby l "1962 gründeten sie sich: The Rolling Stones. Die Band zählt zu den langlebigsten und erfolgreichsten der Rockgeschichte!", beginnt der RTL 89.0-Radiomoderator. Es folgen weitere Daten: "64 Alben und über 300 ausgekoppelte Singles machen sie zur erfolgreichsten Band der Welt." Der das sagt, ist kein geringerer als Stevie T., der besonders bei den 20- bis 30-jährigen Hörern des Landes schwer angesagt ist. Und dann folgt etwas Ungeheuerliches: "Hier ist deine Einladung zum geilsten Konzert in 2012: The Rolling Stones am 10. März auf dem Marktplatz in ... Barby."

Also heute.

Einem Teil der kundigen Leser wird jetzt vor Verblüffung der Unterkiefer herunterklappen, ein anderer guckt auf den Kalender, ob der 1. April vorgezogen wurde. Womanizer Mick Jagger und Knautschgesicht Keith Richards in Barby?

Naja, wenn schon Welt-Bands wie "Manfred Man", "Slade", "Ten Years After" oder Roger Chapman im "Rautenkranz" auftraten, warum dann nicht auch die Stones?!

Die Band, bei der man 32 Millionen Treffer im Internet landet, feiert 2012 ihr 50-jähriges Bestehen, Klaus Trappe wird fast zeitgleich 60.

Trotzdem!

Die Ansage von Stevie T. ging nicht über das Radio, sondern wurde auf einer CD manifestiert. Ein Silberling, den Klaus Trappe aus der Barbyer Bahnhofstraße an seine Freunde und Verwandten als Einladung verschickte. Der ehemalige Rohrnetzmeister der EMS feiert heute seine sechste Null.

Also ein Spaß?

"Ja, weil ich immer noch so ein großer Stonesfan bin", feixt Trappe. Diesem unorthodoxen Typen traut man auch kurz vor der Rente noch die abgefahrensten Ideen zu.

Wie den Originalen aus England.

"Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ein Teil meiner Gäste der Einladungs-CD Glauben schenkt. Die denken wirklich, die Stones kommen heute auf den Markt", sagt Klaus ein bisschen peinlich berührt. Wahrscheinlich wegen der vielen Star-Auftritte im "Rautenkranz". Wer da nicht ganz so dicht dran sei, halte das für möglich.

"Nach der dritten oder vierten Kopie hast du nicht mehr viel gehört"

Vor allem die professionelle, im Studio produzierte Ansage von Stevie T. verleiht dieser suspekten Geschichte Glaubwürdigkeit. Das T. im Namen des Moderators steht übrigens für "Trappe". Stephan ist der Sohn von Klaus.

Womit die familiäre Mittäterschaft geklärt ist.

Klaus Trappe ist ein typischer Vertreter jener DDR-Generation, die in den 60er Jahren von Rock und Beat geprägt wurde. Während man im Osten krampfhaft den infantilen "Lipsi" gegen wilden Rock\'n\'Roll in Stellung brachte, orientierte sich der Nachwuchs fast ausschließlich an Beatles, Stones, Hendrix Co.

Es war die Zeit der Kofferradios. Die Postpubertierenden schleppten schuhkartongroße Radioempfänger mit sich herum, um ja keinen Beatsong zu verpassen. Natürlich auch, um ein bisschen anzugeben. Alte Leute, also die 50- und 60-Jährigen, schüttelten befremdet die Köpfe. "Ich kann mich noch an Norbert Weise erinnern, wie er mit seiner Kofferheule an der Caféecke stand und mit der langen Antenne den Passanten bald die Augen auspiekste", lacht Klaus Trappe. Auf solche Leute hatte die Staatsmacht ein Auge. Die nicht Russisch lernten, sondern Beatmusik auf der Straße hörten.

"Ich denke, Genossen, mit der Monotonie des Je-Je-Je, und wie das alles heißt, ja, sollte man doch wirklich Schluss machen!" SED-Staats- und Parteichef Walter Ulbricht hatte nichts gegen junge Leute - solange sie kurz frisiert in frisch gebügelten blauen FDJ-Hemden für den Arbeiter- und Bauernstaat demonstrierten.

Klaus Trappe besaß wie einige seiner Schulkumpel ein Tonbandgerät. Damit wurden Titel aus dem Radio mitgeschnitten oder von anderen Tonbändern kopiert. "Nach der dritten oder vierten Kopie hast du nicht mehr viel gehört", erklärt Trappe. Auch sein Vater Heinrich hatte ein Tonbandgerät, was generationsübergreifend unüblich war. "Der hat immer Marschmusik aufgenommen. Mit meinem Zeug konnte er nichts anfangen", lächelt der 60-Jährige.

Umgekehrt war es genauso. Marschmusik für einen 68er? Auch in der DDR unmöglich.

So haben sich die Zeiten geändert. Heute begeistert sich Klaus noch immer für "seine" Rolling Stones. Der gut halb so alte Sohn Stevie auch.

"Vielleicht ist die Gesellschaft kulturell toleranter geworden". Wahrscheinlich liegts aber auch am Schub, den die Stones Co. damals auslösten", sinniert Klaus.

So wird es wohl sein. In diesem Sinne: I Can\'t Get No Satisfaction.