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  7. Bürgerinitiative macht mit Mahnwachen Druck gegen mögliche weitere Belastungen

Heute vor dem Staßfurter Rathaus und am 22. April vor dem Hecklinger Rathaus Bürgerinitiative macht mit Mahnwachen Druck gegen mögliche weitere Belastungen

Von René Kiel 07.04.2014, 03:27

Mit zwei Mahnwachen vor der heutigen Sitzung des Bauausschusses in Staßfurt sowie vor der Stadtratssitzung am 22. April in Hecklingen will die Bürgerinitiative "Bezahlbares Abwasser" vor einem möglichen Zwangsanschluss von Grundstücken an die zentrale Niederschlagsentsorgung warnen.

Staßfurt/Hecklingen l "Damit wollen wir den Volksvertretern sagen: Kümmert euch um unsere Probleme und setzt euch für uns ein", sagte der Vorsitzende der vor sieben Jahren gegründeten Bürgerinitiative "Bezahlbares Abwasser", Bernhard Pech, vor rund 120 Mitgliedern und Gästen einer Versammlung im Stadtsaal "Stern" in Hecklingen.

Dort kritisierte er die vom Wasser- und Abwasserzweckverband (WAZV) "Bode-Wipper" Staßfurt für das Gebiet des ehemaligen Abwasserzweckverbandes "Bodeniederung" in Auftrag gegebene Versickerungsstudie.

Denn dieses "0815-Guachten", das sich auf Kartenmaterial aus dem Jahr 1926 stütze und keinem Versickerungsversuch vor Ort zugrunde gelegt wurde, komme zu dem Schluss, dass 54 Prozent der Gesamtfläche in den Mitgliedsgemeinden schlecht beziehungsweise ungeeignet sein sollen für die Aufnahme von Regenwasser. "Lediglich vier Prozent sind als geeignet eingeschätzt worden", sagte Pech und fügte hinzu: "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass in den letzten Jahren Leute bei Gewittergüssen abgesoffen sind."

Der Chef der Bürgerinitiative befürchtet, dass dieses Gutachten zum Nachteil der Bürger verwendet werde. "Die ,Bodeniederung` ist der Testfall in Sachsen-Anhalt für die Durchsetzung des Anschluss- und Benutzungszwanges." Davon ist der Chef der Initiative fest überzeugt. Dann kämen auf die betroffenen Grundsbesitzer schnell mal Gebühren von rund 250 Euro pro Jahr je nach Grundstücksgröße zu. Pech: "Der Verband kann vier Jahre rückwirkend Gebühren erheben und das macht er auch."

Hinzu kämen die Kosten für den Anschluss an den Kanal. Damit seien dann auch alle privaten Investitionen zum Auffangen des Niederschlagswassers umsonst gewesen.

"Für unseren Verband ist auch die Erhebung von Herstellungsbeiträgen für die Schaffung der Niederschlagswasseranlage noch nicht vom Tisch", sagte der Vorsitzende der Bürgerinitiative. "Bisher mussten die Grundstücksbesitzer einen solchen Beitrag nur für die Schmutzwasserentsorgung bezahlen", so Pech.

Er rechnet damit, dass auf die Hauseigentümer dann ähnliche Kosten zukommen wie damals. Derzeit liege der Beitragssatz für den Anschluss an die Schmutzwasserentsorgungsanlage bei 3,74 Euro je Quadratmeter. Bezahlt werden müsse nur bis zur Kappungsgrenze von 1241 Quadratmeter. Das wären 4641 Euro. "Wenn der Bescheid kommt, sind sie verpflichtet, umgehend zu bezahlen. Sie können dann aber Widerspruch einlegen", sagte Pech. Diese Belastungen beträfen nicht nur die Grundstücksbesitzer, sondern würden adäquat auch auf die Mieter umgelegt.

Aber auch beim Schmutzwasser-Herstellungsbeitrag könnte noch einmal eine Nachzahlung auf die Hauseigentümer zukommen, egal wie lange die Baumaßnahme für den Hausanschluss zurück liegt, sagte Pech. "Denn Grundstücksbesitzer können derzeit so lange vom Verband veranlagt werden, bis eine rechtssichere Satzung vorliegt." Weil man damals die Tiefenbegrenzung nicht richtig umgesetzt habe, sei die erste Beitragssatzung des Abwasserzweckverbandes "Bodeniederung" aus dem Jahr 1995 laut jüngster Auffassung des Verwaltungsgerichts Magdeburg "weg", sagte Pech. Wenn das zum Tragen komme, werde der Verband alle Grundstücke, die die alte Kappungsgrenze von 723 Quadratmeter überschreiten bis zur neuen Kappungsgrenze von 1241 Quadratmeter noch einmal heranziehen. Da kämen dann schnell noch einmal bis zu 2000 Euro auf die Grundstücksbesitzer zu. "Das betrifft rund die Hälfte aller Grundstücke", sagte Pech.

Ähnlich war das vor ein paar Jahren. Da hatte das Verwaltungsgericht festgestellt, dass erst die Satzung des Verbandes "Bodeniederung" aus dem Jahr 2009 als erste überhaupt rechtskräftig geworden sei. Daraufhin hatte die Kommunalaufsicht des Salzlandkreises den WAZV und den Abwickler des AZV verdonnert, bis zum Entritt der Verjährungsfrist am 1. Januar 2013 für alle 4000 bis 5000 Grundstücke, die größer als 723 Quadratmeter und kleiner als 1241 Quadratmeter sind, den Beitrag neu zu berechnen. Das wurde erst durch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Magdeburg gestoppt.

Dessen Richter hatten am 11. September 2012 zwei Bescheide des AZV zur Erhebung von Anschlussbeiträgen aus dem Jahr 2005 und 2010 aufgehoben, die das Verwaltungsgericht vor neun Monaten noch für zulässig erklärt hatte. Anders als zuvor das Verwaltungsgericht sieht das OVG die Forderungen des Verbandes, die auf einer Beitragssatzung des AZV aus dem Jahr 1995 basieren, als verjährt an.

Wie Pech informierte, sei der Landtag gegenwärtig dabei, mit der geplanten Änderung des Kommunalabgabengesetzes endlich mal eine Verjährungsfrist einzuführen. Das Umweltministerium will 25 Jahre. "Wenn sich das durchsetzt, werden die Herstellungsbescheide rausgehen", zitierte Pech einen leitenden Mitarbeiter des WAZV.

"Deshalb muss von den Bürgern Druck gemacht werden", sagte der Chef der Bürgerinitiative. Das soll mit zwei Mahnwachen geschehen. Die erste soll vor der heute um 18.30 Uhr stattfindenden Sitzung des Bauausschusses im Rathaus stattfinden. Die zweite ist für den 22. April um 19 Uhr vor der Stadtratssitzung im Hecklinger Rathaus geplant.

Der Chef der Wählergemeinschaft Hecklingen, Klaus Riederer, sagte, wenn nach der Wahl erneut Manfred Mairose (CDU) und Gregor Butscher für die Stadt Hecklingen in den Verbandsversammlungen seien, werde man keinen Erfolg haben.

Der Chef der Wählergemeinschaft "Salzland", Hartmut Wiest, sagte, der stellvertretende Oberbürgermeister Hans-Georg Köpper trage im WAZV viele Entscheidungen mit, "die uns nicht gefallen." Die Parteien hätten kein Interesse daran, die Verbände stärker zu kontrollieren.