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Bürger schimpfen über "grausigen" Baumschnitt / Stadt erklärt Linden zu Ausnahmefällen Warum sehen die Bäume so aus?

Von Franziska Richter 28.06.2014, 03:22

Manche Bäume in Staßfurt und Neundorf sehen aus, als seien sie einem Gruselfilm entsprungen. Bürger regen sich massiv über diesen Baumschnitt auf. Die Stadt nimmt nun Stellung zu dieser radikalen Art der Baumpflege und muss dabei auch Fehler einräumen.

Staßfurt/Neundorf l Vor einer guten Woche haben sich einige Leser über den Baumschnitt beschwert. Gisela Nohr berichtete aus Neundorf, dass die Bäume in der Elisabethstraße radikal beschnitten wurden. Auch die Staßfurter Charlottenstraße bezeichnen die Bürger als "grausiges Bild".

In Neundorf wiederum hatte sich Sandra Böttcher über den Baumschnitt direkt vor ihrem Haus in der Friedrichstraße beschwert. Hier sehen die Bäume nicht mehr nur grausig aus, hier wurden durch den Verschnitt auch Vögel bei der Brut gestört, sagt die Leserin.

Ende der vergangenen Woche war dort eine von der Stadt beauftragte Firma angerückt. Ein Taubennest wurde komplett freigeschnitten (Foto oben). "Am Sonntag dann waren die beiden Taubenkinder weg, sicher von einer Eule gefressen", bedauert Sandra Böttcher. "Meine Tochter hat geweint, als die Tauben weg waren", erzählt sie. Jeden Tag war das Mädchen vor das Haus gelaufen, um nach den Küken zu schauen.

"Ich finde das ganz schlimm", sagt Sandra Böttcher. "Die Bäume sehen fürchterlich aus. Was ist denn mit dem Naturschutz? Jedes Kind lernt doch in der Schule, dass man Bäume im Sommer nicht verschneidet."

Oberbürgermeister René Zok reagiert nun auf die mehrmaligen Beschwerden der Bürger: Bei den Bäumen in Neundorf und Staßfurt handelt es sich um Linden, auf die die Regelung, nicht im Sommer zu verschneiden, nicht zutrifft. "Ganz besonders Linden neigen dazu, innerhalb kurzer Zeit meterlange sogenannte Wasserreiser zu bilden", so Zok. Wasserreiser sind Äste, die sich schon ganz unten am Stamm bilden und quer nach allen Seiten auswachsen, weil die Bäume an der Krone zu wenig Licht bekommen.

"Das hat dazu geführt, dass betroffene Anwohner ihre Fenster nicht mehr öffnen konnten, Fassaden beschädigt wurden, Freileitungen eingeschränkt und die Gehwege teils nicht mehr passierbar waren", erklärt Zok (Fotos unten links). Er berichtet, dass die betroffenen Anwohner "massiv" gefordert hätten, dieses Astwerk zu entfernen.

Um zu vermeiden, dass Fußgänger auf dem Gehweg stolpern oder sich verletzten und dass Vermögenswerte wie die Häuser Schaden nehmen, ist die Stadtverwaltung dem Wunsch der Bürger nachgekommen und beauftragte eine externe Firma, das Problem zu lösen. Der "augenscheinlich radikale Schnitt", wie Zok formuliert, verhindert auch die "Wasserreiser" im nächsten Jahr. Die Fachliteratur erlaubt das Beschneiden der Linden im Sommer und empfiehlt sogar die Zeit von Mitte Mai bis Ende Juli für den ersten Schnitt. Die Schnittwunden können so den Sommer über heilen.

Die beauftragte Firma hatte die Anweisung, die Arbeiten an einem Baum sofort einzustellen, falls Nester gefunden werden. Denn dann greift wieder der Naturschutz. "Auf Nachfrage hat die Firma diese Arbeitsweise bestätigt", so Zok. Allerdings: Sandra Böttcher hat die Firma beim Schneiden des Baumes vor der Haustür beobachtet. "Sie haben ganz akribisch um das Nest herumgeschnitten. Natürlich müssen sie das Nest gesehen haben."

Der Oberbürgermeister räumt auch ein, dass das Vorgehen in Neundorf und Staßfurt nicht ideal war: "Die Stadt Staßfurt würde Baumpflegearbeiten gerne langfristig planen, um allen Belangen gerecht zu werden." Den Baumschnitt in eine Zeit zu verlagern, wenn gerade keine Vögel brüten, wäre sinnvoller gewesen, sei aber nicht immer möglich.

Der Stadt mangele es dazu an Finanzmitteln, erklärt Zok. Die Verwaltung könne derzeit nur mit "Gefahrenabwehrmaßnahmen" einschreiten. Also erst dann, wenn die Bäume schon so wuchern, dass sie eine Gefahr für die Anwohner sind. "Weiter muss die Stadt Staßfurt auch die haushaltsrechtlichen Bestimmungen beachten, die nur sehr schwer mit den Hauptschnittzeiten des Naturschutzes vereinbar sind", so Zok, der alle Bürger um Verständnis bittet.