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Umspannwerk Ab geht`s auf die Stromautobahn

Das Umspannwerk Förderstedt wurde auf den neuesten Stand gebracht.
Andreas Mötzing, Leiter des Regionalzentrums West von 50Hertz, zieht
gern den Vergleich mit einem Auto heran, um das schwierige Thema zu
erklären: "Man kann bei einem alten Auto immer wieder Teile ersetzen,
aber irgendwann muss ein neues her."

29.07.2014, 01:27

Förderstedt l Hintergrund ist der Wandel in der Energiebranche. Früher einmal war das Umspannwerk Förderstedt wichtig für die Kaliindustrie in Staßfurt. Diese expandierte Anfang des 20. Jahrhunderts und hatte einen hohen Energiebedarf. Damals gab es ein Kraftwerk dort, wo heute die Stadtwerke Staßfurt sind.

Um dem hohen Strombedarf in Staßfurt gerecht zu werden, mussten neue Anlagen wie das Umspannwerk Förderstedt her. Es wurde zirka 1922 erbaut und war ein wichtiges Bindeglied in der ersten Höchstspannungstrasse der Region, erklärt Thoralf Haft, Fachingenieur Auftragskoordinierung bei 50 Hertz. Der Förderstedter, der beim Regionalzentrum West von 50Hertz in Wolmirstedt angestellt ist, hat sich mit der Geschichte des Umspannwerks befasst. "Das Umspannwerk Förderstedt ist der älteste Standort, den 50Hertz hat", erläutert er.

Später verschwand das Kraftwerk bei den Stadtwerken, der Strom kam aus einem anderen Kraftwerk. "Nach der Wende verlor Förderstedt an Bedeutung, es drohte sogar der Rückbau", sagt Andreas Mötzing.

Mit dem Aufkommen erneuerbarer Energien konnte das Unternehmen 50Hertz dem Umspannwerk Förderstedt eine neue, tragende Bedeutung geben. Dass der Salzlandkreis Vorreiter ist, was den "grünen Strom" betrifft, zeigen die vielen Windparks, Photovoltaikanlagen und Biogasanlagen. Diese neue Art der Energieproduktion ändert die Art und Weise der Stromversorgung grundlegend: "In Zukunft wird der Strom nicht mehr zentral aus einigen wenigen Kraftwerken Deutschlands kommen, sondern dezentral aus vielen Stationen - vom Bauern mit der Biogasanlage, vom Häuslebauer mit Solardach und den vielen Windparks", sagt Andreas Mötzing.

Allerdings: Die grünen Energielieferanten produzieren schon jetzt zu viel Strom, und an anderen Orten, etwa in energieintensiven deutschen Ballungs- oder Industriezentrum, kann Sonne und Wind nicht per Knopfdruck angefordert werden. Deswegen muss ein gutes Übertragungsnetz her.

"Förderstedt ist unser ältester Standort."

Am besten wird Strom über weite Strecken mit hoher Spannung transportiert. Im Umspannwerk Förderstedt passiert genau das: Der Strom von Windpark, Photovoltaikanlage und Biogasanlage kommt, nach Umwandlung zum Beispiel im Trafohäuschen, als Hochspannung (110-kV; kV steht für Kilovolt) an und wird in die Höchstspannung von früher 220-kV und sozusagen fertig gemacht für die weite Reise auf der "Stromautobahn".

Diese 220-kV reichen jetzt nicht mehr aus. "Die Erhöhung der Kapazität war hier dringend notwendig, das System war an seiner Leistungsgrenze angelangt", macht Andreas Mötzing deutlich. Deshalb wurde in Förderstedt über Jahre eine neue Anlage neben der alten im Umspannwerk aufgebaut, dazu neue Leitungen und Masten. Mit dieser Modernisierung können die Systeme den Strom jetzt mit einer Höchstspannung von 380-kV statt der 220-kV abtransportieren. So kann der Strom mit noch weniger Verlusten in ganz Deutschland und Europa verteilt werden. Diese Modernisierung führt das Unternehmen auch an anderen Standorten in Deutschland durch.

"Grob kann man sagen, dass wir viel Strom, auch in den Süden der Bundesrepublik Deutschland, transportieren, wo eine starke Industrie einen hohen Strombedarf hat", erklärt Thoralf Haft. Der Strom aus Förderstedt geht dabei meistens, vereinfacht gesagt, in Gegenden, wo gerade nur "ein laues Lüftchen ums Windrad weht" und es an Strom fehlt. Andersherum kommt über das Umspannwerk Förderstedt aber auch Strom aus anderen Regionen Deutschland an, wenn die Windräder hier still stehen.

Der Bau der neuen Anlage in Förderstedt musste parallel zum Betrieb der alten erfolgen, sonst hätte die Hälfte der Haushalte und Firmen in Sachsen-Anhalt über die jahrelange Bauzeit keinen Strom gehabt. Ein wichtiger Schritt passiert heute: Die neue 380-kV-Anlage, die den Strom jetzt in noch höherer Spannung zum Transport fertig macht, wird heute eingeschaltet.

Dabei wird kein Schalter umgelegt, "nur ein Mausklick ist das heutzutage", erklärt Thoralf Haft. Nach zwei Wochen, in denen die Mitarbeiter prüfen, ob alles richtig funktioniert, wird die alte Anlage ausgeschaltet. Danach wird diese komplett abgebaut.

Das Hochspannungsnetz verläuft von Förderstedt aus nach Wolmirstedt, dort ist auch das Regionalzentrum West von 50Hertz ansässig. Ragow im Spreewald ist eine weitere Gegenstation. Die Leitungen, die über Masten vom Förderstedter Umspannwerk abgehen und über den Acker in die Ferne laufen, sind sozusagen die "Fahrbahnen" und "Gegenfahrbahnen" auf der "Stromautobahn" nach Wolmirstedt und nach Ragow. Dort sind dann Stationen, die den Strom wiederum weiter verteilen, unter anderem nach Perleberg, Helmstedt oder Preilack und bei Bedarf ins Ausland nach Dänemark oder Polen.