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Heimatfotorätsel zeigt Motiv aus Brumby / Leser teilen uns Erinnerungen mit / Käufer für Schloss gesucht / Abrissdatum der Türme unklar Wer küsst das Dornröschenschloss wach?

Von Franziska Richter 01.11.2014, 02:18

Echte Neuigkeiten brachte das Heimatfotorätsel in dieser Woche zutage. Unter anderem ist das Schloss in Brumby zu sehen. Es wird ein Käufer gesucht, der das Gebäude "aus seinem Dorn- röschenschlaf erweckt", heißt es.

Brumby l Für die Brumbyer war das Rätsel ganz leicht zu erkennen. Das Foto zeigt links das alte Schloss, die einstige Schlossmauer, rechts daneben das ehemalige Gut Zencker.

Aber vorweg: Es wird gemunkelt, die Wohnungsgesellschaft Förderstedt, die das Schloss verwaltet, wolle die beiden letzten Mieter des Schlosses, ein älteres Ehepaar, aus dem Gebäude heraus haben und das Schloss endgültig sich selbst überlassen. Dieter Naumann, Geschäftsführer des Wohnungsgesellschaft Förderstedt, weist diese Gerüchte vehement zurück: "Wir könnten die Meter niemals herauswerfen, sie haben doch Bestandsschutz." Es gebe keinerlei solcher Pläne.

Dennoch ist das Gebäude ein Sorgenkind. "Derzeit haben wir keine konkreten Planungen für das Schloss. Wir haben erfolglos versucht den `alten Schlossherren` zu finden", erklärt Dieter Naumann. Auch die Idee des Seniorenbeirats, das Schloss zum Pflegeheim umzuwandeln, erwies sich als "unwirtschaftlich".

Daher würde die Wohnungsgesellschaft potenziellen Käufern des Schlosses positiv gegenüber stehen. Diese könnten das Gebäude wieder richtig schön herrichten, vorausgesetzt die Mieter können bleiben. Aktiv habe die Wohnungsgesellschaft noch nicht nach Käufern gesucht, aber "wir haben ein offenes Ohr für gute Ideen", sagt Naumann und fügt hinzu: "Im Prinzip wartet das Schloss auf einen Prinzen, der es aus seinem Dorn- röschenschlaf erweckt."

Was die Vergangenheit des Schlosses angeht, ließen uns unsere Leser an ihrem Wissen und ihren Erlebnissen teilhaben. Eine schöne Geschichte schickt uns Wanda Bestian: "Ich wurde am 31. Oktober 1946 im Schloss geboren. Auf dem Foto sieht man sogar das Fenster meines Geburtszimmers", verweist sie auf das Fenster unten links. "Mein Leben lang wohnte und wohne ich noch in Brumby. Hier lernte ich meinen Mann kennen. Hier weinte und lachte, tanzte und verbrachte ich die schönsten Stunden meines Lebens."

Die Brumbyerin würde ihre Heimat niemals missen wollen: "Brumby ist für mich ein wunderschönes Fleckchen Erde. Hier hatte ich eine tolle Kindheit. Meine Kinder sind auch in Brumby sesshaft geblieben. Somit habe ich alles, was ich um mich brauche, um glücklich zu bleiben!"

An ihre Kindheit im Schloss erinnert sich Wanda Bestian gern: "Wir rodelten als Kinder auf dem gegenüberliegenden Kantorberg. Wenn der Schnee kräftig gefallen war und die Rodelbahn gut abgefahren wurde, konnte man bis in die Schlossstraße runter zur Kinderkrippe rodeln. Heißa, hat das Spaß gemacht!" Auch Margot Demann aus Brumby berichtet, dass sie 1952 bis 1958 im Schloss gewohnt hat. Richtig geschaut hat natürlich auch Heinz Sprengel aus Calbe.

Den heutigen Anblick des Schlosses empfindet Wanda Bestian als "verfallen und heruntergekommen". Gisela Behlau aus Brumby sieht das ähnlich: "Heute wohnt nur noch ein Ehepaar dort. Der Rest zerfällt."

Pfarrer Gottfried Eggebrecht, der sich gern mit der Ortsgeschichte beschäftigt, fragt bei der Gelegenheit: "Mich würde interessieren, ob es noch Zeitzeugen vom Abriss der Schlosstürme gibt. Wer hat das damals miterlebt? Gibt es Fotos und Dokumente?"

Zum Abriss der Türme kann Frank Kurowski aus Brumby auf die Heimathefte "Der Bote vom Wartenberg" von Helmut Köhlitz verweisen. Dort steht: "Beim Abbruch des Turmes am ehemaligen Schloss wurden in den Wintermonaten 1968/69 von den dort beschäftigten Bauarbeitern ein Schreiben und zwei Münzen gefunden. Es ist somit anzunehmen, dass der Turm im Jahre 1856/57 gebaut worden ist." Frank Kurowski meint sich zu erinnern, dass die Schönebecker Verwaltung, damals für Brumby zuständig, den Abriss veranlasst hat. "Auch die ersten zwei Etagen des Schlosses wurden in den 70er Jahren abgebaut", sagt er.

"Die Mauer vor dem Schloss wurde nach dem Zweiten Weltkrieg abgerissen. Die Leute haben sich die Steine geholt, um damit Lauben zu bauen", erklärt Pfarrer Gottfried Eggebrecht. Aber zum Verschwinden der Mauer und der Türme gibt es wieder verschiedene Auffassungen: "Die Reste der Mauer wurde Anfang der 60er Jahre und der markante Turm Ende der 70 Jahre abgerissen", schreiben Lena Reckleben und ihre Familie aus Brumby.

Zwischen Zenckers Hof und dem Gebäude ganz rechts war die Gastwirtschaft "Zum alten Schloss". In Zenckers Hof war "bis zur Wende die Kita untergebracht", weiß Frank Kurowski, der selbst als Kind in die Kita gegangen ist. Im Garten daneben war der Spielplatz.

Über das ehemalige Gut der Familie Zencker kann Sabine Ulrich aus Brumby berichten: "Meine Großmutter Elisabeth Zencker war eines von sechs Kindern und lebte bis zu ihrer Hochzeit, die etwa 1907 war, auf diesem Hof, in diesem Haus. Meine Großmutter starb kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Ich selbst bin 1959 geboren und lebe seit 1998 in Brumby. Aufgrund dieser Aufnahme habe ich nun eine Vorstellung davon, wie die Straße und das Wohnhaus ausgesehen haben mögen, als meine Großmutter dort täglich ein- und ausging."

Bis zur Wende gehörte das Schloss der Familie von Trotha, informiert Pfarrer Gottfried Eggebrecht. Lena Reckleben und ihre Familie aus Brumby ergänzen: "Mit der Enteignung 1946 ging das Anwesen in Volkseigentum über und wurde als Wohngrundstück mit neun kommunale Wohnungen genutzt. Die Nebengebäude wurden zu Abstellräumen und Kohlenlager ausgebaut." Die Familie schreibt uns auch, dass die Nachkommen der Adelsfamilie zu DDR-Zeiten das Anwesen besichtigt hätten, mit der kommunalen Nutzung einverstanden waren und "keine Ansprüche auf Rückübertragung gestellt haben".

Familie Reckleben schreibt weiter: "Zum Schloss gehörte die historische Wallanlage, die ehemalige Ruine der Wasserburg. Hier standen die alten Grabplatten derer von Steinäcker, die jetzt in der Kirche sind. Hier gibt es auch eine Empore der Steinäckers." Außerdem wollte man Anfang der 90er Jahre im Schloss eine Heimatstube einrichten, leider erfolglos, "obwohl zwei Sponsoren die Fenster und eine Tür einbauen ließen", so Lena Reckleben.

Pfarrer Gottfried Eggebrecht hat für uns einen Blick in die Chronik von Lehrer Wilhelm Koch (1938) geworfen. Dort steht: "Ursprüngliche Besitzer sollen die Tempelherren gewesen sein (Ruine im Wall). Anschließend sind Besitzer bis ins 14. Jahrhundert nachweisbar: Hans Cöhn, Hans Rodensleben, Hans Schörting. Letzterer wurde 1403 durch Erzbischof Albrecht zu Magdeburg von den Abgaben befreit. 1645 erhielt es der Obrist (Kriegsrat und Oberst) Otto Johann von Steinäcker, der im Dienst des Schwedenkönigs stand.

Friedrich Wilhelm von Steinäcker, der um 1800 lebte, erweiterte das Schloss um den Turm. Am 10. Januar 1903 starb der Rittmeister Freiherr Bruno von Steinäcker als letzter männlicher Erbe. Seine Mutter lebte noch bis 1905 auf dem Schloss. Mit ihrem Tod fiel es an die Schwester Brunos, Ehrengard von Trotha, geborene von Steinäcker, Gemahlin des Kammerherren Gustolf von Trotha auf Hecklingen. 1905 bis 1919 war das Schloss unbewohnt. 1919 zog Admiral a.D. Günther von Krosigk als Mieter ein, bis zu seinem Tod 1938. Dann stand es wieder leer, vermutlich bis Kriegsende. Nach dem Krieg wurden meines Erachtens dort Flüchtlingsfamilien untergebracht." Auch Frank Kurowski erinnert sich, dass viele große Flüchtlingsfamilien nach dem Krieg im Schloss wohnten.

Die Glücksfee hat Frank Kurowski gezogen. Er kann sich seinen Gewinn bei uns abholen.