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Mieter in Staßfurt-Nord sagen: Keiner kümmert sich um Flüchtlinge / Kulturen prallen aufeinander "Das geht so nicht weiter"

Von Franziska Richter 07.11.2014, 02:12

In Staßfurt-Nord tobt die Wut. Die Mieter in der Straße der Völkerfreundschaft sagen, dass sich keiner um die vielen Flüchtlinge, ihre neuen Nachbarn, kümmert. Zum anderen prallen hier Kulturen aufeinander, sodass etliche Mieter weggehen wollen.

Staßfurt l Als die Volksstimme im letzten Block in der Straße der Völkerfreundschaft in Staßfurt-Nord kommt, trifft sie auf eine Runde von zirka 15 wütenden Mietern. "Wir sind nicht ausländerfeindlich, kein bisschen, aber das geht zu weit", sagt Olaf Krolop, der wie einige andere Mieter ausziehen will. Die Araber, Syrer, Inder, Bosnier, Albaner, die hier wohnen, hätten einen Lebensstil, mit denen die werktätigen Mieter nicht zurechtkommen.

Die Mieter zählen auf: Es sei laut bis zum frühen Morgen, die Flüchtlingskinder spielen Fußball in der Wohnung und auf der Straße mit Steinen, die die Autos beschädigen, Türen werden geknallt, bis mitten in die Nacht spielen die Männer Karten, das Licht brennt die ganze Nacht, die Haustüren stehen nachts offen, sodass "das Viehzeug hereinkommt", gesammelter Sperrmüll steht im Flur, es riecht intensiv nach ausländischen Speisen, Gruppen von Männern stehen abends am Block und "machen den Töchtern und Frauen Angst", die Flüchtlinge gehen nachts spazieren und machen Lärm im Haus.

Der größte Aufreger ist der Müll, der sich vor dem Block türmte: "Hier werden ganze Säcke Müll einfach hingeschmissen", sagt Iris Rolle. "Aber die Flüchtlinge wissen ja auch nicht, wie sie es machen sollen. Es erklärt ihnen ja keiner. Ich habe deswegen beim Landkreis angerufen, aber da fühlte sich keiner zuständig."

"Dazu stecken sie hier Völker in einen Block, die sich ja in ihrer Heimat schon bekriegen", sagt Olaf Krolop. Da gäbe es Auseinandersetzungen zwischen den Flüchtlingen untereinander.

"Wir helfen, wo wir können, aber jetzt ist Schluss. Ich arbeite, aber kann vor Lärm in der Nacht nicht schlafen", sagt Olaf Krolop. Die Hilfsbereitschaft der Mieter gegenüber den Flüchtlingen ist bei einigen groß. Olaf Krolop hat schon das Klo einer indischen Familie repariert. Eine Mieterin gibt einer syrischen Familie mit drei Kindern seit drei Monaten Deutschunterricht. So ziemlich jeder Mieter wurde auf der Straße schon mit hingehaltenen Briefen konfrontiert: Die Flüchtlinge bekommen Schreiben auf Deutsch, verstehen kein Wort und suchen sich Hilfe beim Ausfüllen.

Im Zentrum der Solidarität in Nord steht eine bewundernswerte Frau, die nicht genannt werden will, weil sie wegen ihres Engagements auch noch ausgelacht wird: Sie kümmert sich seit März um die Ausländer und Flüchtlinge im Block. In den vergangenen Monaten war sie damit täglich den ganzen Tag lang beschäftigt. Sie tut das in ihrer Freizeit. Das ist weder eine hauptamtliche noch eine ehrenamtliche Stelle. Kein Verein, keine Einrichtung steht hinter ihr.

Sie kümmert sich um aktuell acht Familien, meldet die Kinder für Kita und Schule an, füllt Anträge und Formulare aus, organisiert und begleitet Arztbesuche, kauft den Kindern Kleidung und Spielzeug, fährt Möbel mit dem Transporter nach Nord. "Wegen der Möbel habe ich sogar Ärger bekommen. Ich soll die Entsorgung bezahlen, hieß es", sagt sie. Hintergrund: Der Salzlandkreis als Mieter der Flüchtlingswohnungen hat Kosten, wenn er die Möbel nach dem Auszug abholen lassen muss.

Die Empörung der Frau ist groß: "Die Leute werden einfach allein gelassen. Sie werden hier förmlich abgeladen, und es kümmert sich keiner. Sie verstehen kein Wort Deutsch." Der zuständige Mitarbeiter des Landkreises komme nur auf ihr energisches Fordern hin.

Das Problem ist jetzt: Es kommen immer mehr Flüchtlinge, und die Mieter haben keine Kapazitäten mehr, sich zu kümmern. "Ich kann nicht mehr", sagt die engagierte Frau. Bei jedem Anruf in der Kreisverwaltung habe sie den Eindruck zu stören und zu nerven. Es sei ein ständiger Kampf mit der Behörde. Die Hilfsbereitschaft der Mieter schlägt in Wut um: Gegen die Stadt und den Oberbürgermeister, den Salzlandkreis, die Wohnungs- und Baugesellschaft (Wobau)Staßfurt - alle würden die Mieter mit der schwierigen Aufgabe allein lassen.

Oberbürgermeister René Zok und der Chef der Wobau, Dieter Naumann, bestätigen: Sie sind nicht zuständig, sondern der Kreis. Zok will nächste Woche eine Flüchtlingsfamilie am Tierpark besuchen, kann die Probleme aber nur an den Landrat weiterleiten. Dieter Naumann erklärt, dass die Flüchtlinge "Mietfälle" wie alle anderen sind und appelliert an die "Solidarität" der deutschen Mieter.

Der Salzlandkreis teilt mit, dass es die Verwaltungsmitarbeiter wegen der vielen Flüchtlinge nicht mehr schaffen, sich intensiv um diese zu kümmern. Zurteit wird ein Konzept erarbeitet, wie die Flüchtlinge in Zukunft betreut werden sollen. "Die Behauptung, dass der Salzlandkreis sie zugewiesenen Flüchtlinge nicht begleiten würde, entspricht nicht den Tatsachen. Jedoch nehmen wir sehr gern die unterstützenden Hilfeleistungen von allen Bürgern an und danken allen, die sich bisher engagiert haben", heißt es aus der Pressestelle.

Wir werden weiter über das Thema berichten.