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Schlees Werk "Wachsende Bläue" erlebt Uraufführung beim Passionskonzert der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie Trostvoller Blick auf der Dinge Ende

Von Daniel Wrüske 23.03.2011, 05:33

Zum sechsten Mal gestalteten die Musiker der Mitteldeutschen Kammerphilharmonie mit ihrem Generalmusikdirektor Christian Simonis ein Passionskonzert in der Salzelmener Johannis-Kirche in Schönebeck. Neben Musik von Joseph Haydn, Anton Bruckner und Paul Hindemith stand dabei auch die Uraufführung des Werkes "Wachsende Bläue" von Thomas Daniel Schlee auf dem Programm. Der Konzertabend bot eindrucksvoll dargestelle Musik rund um die Themen Klage, Trauer, Tod und Passion.

Schönebeck. Die Passionskonzerte nehmen in den Jahresprogrammen der Mitteldeutschen Kammerphil- harmonie (MKP) einen besonderen Platz ein. In diesem Jahr reicherten Generalmusikdirektor Christian Simonis und seine Musiker das Programm mit einer Premiere an.

Der 1957 geborene, österreichische Komponist Thomas Daniel Schlee schrieb sein Opus 76 "Wachsende Bläue" für zwei Violinen und Streichensemble. Es erlebte durch die MKP sowie die Solisten Farhad Billimoria und Juliane Behrens (Violine) seine Uraufführung. Äußerer Anlass für das Auftragswerk, so sagt Orchesterchef Christian Simonis, war die Zusammenarbeit des Ensembles mit dem zeitgenössischen Komponisten 2010. Schlee habe den Auftrag gern angenommen, umfasst sein Oeuvre doch eine Vielzahl von Werken geistlichen Sujets.

Der Abschied im vielfältigsten Sinn wird für Schlee Grundlage der Komposition. Inspiration fand er im Gedicht "Abschied von Cythera" des 2010 verstorbenen Lyrikers Franz Richter. Die Verse drehen das Idealbild der Insel Kythera, in der Antike Symbol für Jugend, Lebensfreude und Liebe, um. "Was nehmen wir mit?" – diese Frage stellt Franz Richter in seinem Gedicht zweimal. Der Blick weitet sich, reflektiert das eigene Ich angesichts des bevorstehenden Todes. Das Blau des Meeres und des Himmels kommen zusammen.

Thomas Daniel Schlee findet in seinem gut 15-minütigen Opus 76 eindrucksvolle musikalische Ausdrucksweisen. Er malt die Bewegung auf dem Meer in Rhythmus und schwellender Dynamik nach. Manchmal tänzerische Abschnitte, wie Erinnerungen an die Kindheit, werden jäh unterbrochen durch Taktwechsel und dicht gewebte, sphärische Klänge. Kaum ist eine Tonart auszumachen, die Richtung ist ungewiss.

Solisten und Orchester spielen in absoluten Lagen, die Soloviolinen manchmal in kaum noch hörbaren, hohen Frequenzen. Erneute Aufschwünge enden in gezupften, fast percussiv klingenden Akkorden, ein fernes Glissandi-Flimmern folgt.

Die Musiker der MKP spielten unter dem Dirigat Christian Simonis hochkonzentriert und loteten klangliche Abgründe im besten Wortsinn aus. Ihnen gelang es, die Farben zum Klingen zu bringen, mal warm, mal schroff, ohne dass der Ensembleklang aus dem Gleichgewicht geriet.

"Wachsende Bläue" fordert zwar zwei Violinsolisten, doch alle neun Musiker wirkten als Solisten in ihren Stimmen. Absolute Möglichkeiten für klangliche Verdichtungen oder Eruptionen.

Zum Werkende hin setzen sich Akkordschläge durch, folgen immer schneller aufeinander, ähneln Glockenmotiven. Das Stück schließt in einem A-Dur-nahen doch unaufgelöst wirkenden Klang, Ausdruck des Trostes, "dass es ein Hinübergehen ist, kein Ende", wie Thomas Daniel Schlee schreibt.

Eine Zuversicht, die am Ende des Konzertes auch Anton Bruckners Adagio aus dem Streichquintett F-Dur in der Orchesterversion verheißt. Der warme langsame Satz bildete den Kontrapunkt zur eingangs gespielten "Lamentatione"-Sinfonie Joseph Haydns, mit ihrem dramatischen Kopfsatz und einem Adagio, in denen immer wieder Choralmotive zitiert sind, oder zu Paul Hindemiths Trauermusik mit Uta Schiffmüller als Solistin (Viola). Hindemiths Musik rührt tief mit ihren harmonischen Wendungen, ihrer elegischen Solostimme, mit leisesten Tönen und schmerzvollsten Ausbrüchen. Die klein besetzte Philharmonie verstand alles bestens zu interpretieren.

So hatte das gesamte Konzert einen inneren Verlauf, der ganz dem Inhalt der Passion entspricht, dass hinter allem Leid das Fest Ostern steht, das von der Auferstehung Christi kündet – in Worte gefasst in den von den Pfarrern Dr. Thomas Thorak und Matthias Porzelle vorgetragenen Meditationstexten.