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Menschen aus Aschersleben, dem Salzlandkreis und darüberhinaus unterstützen die " Aktion Knochenmarkspende Sachsen-Anhalt " in Magdeburg Gummihammer-Mann auf Versilberungstour

Von Dennis Lotzmann 08.01.2010, 05:53

Der Mann ist in und rund um Aschersleben schon legendär : Jürgen Grzega. Mindestens einmal im Jahr kramt der Ressortchef des Ordnungsamtes seinen Gummihammer und die Blechtonne hervor, um Fundsachen aus dem städtischen Fundbüro, für die sich keine Eigentümer fanden, meistbietend zu versteigern : Fahrräder, Mobiltelefone, allerlei Schmuck, ja sogar Taschen mit unbekanntem Inhalt und Regenschirme zuhauf. Die Stadt unterstützt damit die Aktion Knochenmark im Land.

Aschersleben. All das, was schusselige Zeitgenossen binnen Jahresfrist vergessen haben oder schlichtweg loswerden wollten, versilbert der 60-jährige Ordnungsamtschef. Ein solides Fahrrad gefällig für den Stadtverkehr ? Mit minimalem Glück ist bei der alljährlichen Auktion, die längst zum festen Programm des Weihnachtsmarktes in Aschersleben gehört, allemal ein Schnäppchen zu finden. Ein Stadtrad ebenso wie ein solides Mountainbike. Mitunter mit einigen Blessuren zwar, aber für wenig Geld.

Das Versteigern von Fundstücken ist eine Idee, die Stadtverwaltungen mit angeschlossenem Fundbüro seit vielen Jahren praktizieren.

So auch in Aschersleben. Dort aber werden mit dem Erlös keine Haushaltslöcher gestopft oder städtische Einrichtungen unterstützt, sondern die " Aktion Knochenmarkspende Sachsen-Anhalt e. V. " in Magdeburg. Ein Verein, dessen Mitstreiter seit 14 Jahren dafür kämpfen, die weltweit vernetzte Datei mit potenziellen Knochenmarkund Stammzellspendern zu vergrößern.

Ein Ziel, das viel Geld kostet und dem sich immer mehr Unterstützer verbunden fühlen. So sorgen Firmen wie die Wergona-Schokoladenfabrik in Wernigerode, das E-Center in Aschersleben, der dortige Filmpalast sowie viele kleine Händler und der Zoo-Förderverein mit Zugabepreisen und Freikarten dafür, dass Grzegas Versilberungstour mit Gummihammer und Blechtonne zugunsten der Leukämiekranken zum maximalen Erfolg wird. Und damit nicht genug : Auch Enrico Matusiack von der örtlichen Filiale der Sparda-Bank ist dem Gedanken längst treu verbunden – er sorgt im Auftrag seiner Bank dafür, dass die Auktionssumme Jahr für Jahr ordentlich aufgestockt wird.

Dabei hatte vor neun Jahren alles mit einer ganz einfachen Idee begonnen : Als Bitterfeld im Jahr 2000 zum Sachsen-Anhalt-Tag einlud, stand die Frage im Raum, wie der Verein von Professor Marcell Heim auf ebenso einfache wie kreative Weise und mit Einbeziehung der Öffentlichkeit unterstützt werden könnte. Die Antwort auf diese Frage fand sich in Holzplatten, einer spendablen Farbdosen-Fabrik und jeder Menge Graffitisprayer.

Die ließen ihrer Kreativität freien Lauf und gestalteten jene Tafeln, die schließlich meistbietend und zugunsten von Marcell Heims Verein versteigert wurden. Eine Idee, die dank engagierter Bieter insgesamt 2 249 Mark einbrachte und zugleich den Grundstein legte für weitere derartige Auktionen.

Denn Geld benötigen Professor Heim und seine Mitstreiter stets dringend. Schließlich ist ihr Verein, den sie Anfang 1996 gegründet haben, auf Zuwachs angelegt : Immer mehr Freiwillige sollen darin mit ihren grundsätzlichen Gewebemerkmalen registriert werden, um im Falle des Falles einem Leukämiekranken irgendwo auf der Welt mit einer Knochenmarkspende zu retten. Doch der Aufbau eines solchen Registers kostet Geld – rund 50 Euro pro typisierten ( getesteten ) Freiwilligen.

Der Grundstein zum Aufbau jener regionalen Datenbank und der späteren Vereinsgründung wurde vor genau 14 Jahren in Magdeburg gelegt. Damals – im Herbst des Jahres 1995 – waren es die schier verzweifelten Eltern eines fünfjährigen Jungen, die sich an den Chef der Klinik für Transfusionsmedizin der Universität Magdeburg wendeten. Ob es nicht doch noch eine Chance zur Rettung ihres leukämiekranken Nico gebe ?

Ein Fünkchen Hoffnung vielleicht, meinte Professor Heim und initiierte jene Aktion, die am 17. Dezember 1995 nicht nur in Sachsen-Anhalt für Schlagzeilen sorgte : 21 000 Sachsen-Anhalter ließen sich damals im Rahmen der Aktion " Nico " typisieren, wollten dem Jungen helfen und sorgten ganz nebenbei auch dafür, dass die damals größte regionale Knochenmark-Spenderdatei in den östlichen Bundesländern entstand.

Nico selbst hat den Kampf gegen die heimtückische Krankheit leider dennoch verloren. Es ist aber gewissermaßen sein Vermächtnis, dass jene Datenbank entstand und seither – auch mit Unterstützung von Nicos Eltern als Vereinsmitglieder – Schritt für Schritt ausgebaut wurde. " Aktuell zählen wir 35 014 Freiwillige in unserem Register ", bilanziert Marcell Heim nach 14 Jahren und garniert diese durchaus imposante Zahl mit einer weiteren : Immerhin 205 Freiwillige aus jener Magdeburger Datei seien seither als Spender in alle Welt vermittelt worden. Kranke in Australien und Neuseeland, in Kanada und den USA und natürlich in Europa und Deutschland bekamen so eine Überlebenschance.

So schön sich diese Bilanz liest, so schwer sei der weitere Ausbau des Spenderregisters, erinnert Heim, der für sein unablässiges Engagement im Jahr 1998 auch mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt wurde. Freiwillige zu finden, sei ein Aspekt. Die finanziellen Mittel für jene Typisierungen, bei denen zunächst nur die groben Gewebemerkmale der Freiwilligen erfasst werden, der andere : " Unser Problem ist die Tatsache, dass die Spenderdatei für Jedermann ist und ihr Aufbau im ersten Schritt auf keinen Kranken direkt zugeschnitten ist ", skizziert der Universitätsprofessor und Vereinschef. " Deshalb übernimmt auch keine Krankenkasse die Kosten in Höhe von 50 Euro pro Basis-Typisierung. "

Ein Problem, bei dessen Lösung Jürgen Grzega und die Helfer vor und hinter den Kulissen der jährlichen Auktionen ansetzen wollen. Was einst als bloße Versteigerung von Graffiti begann, hat später seine Fortsetzung in weiteren Auktionen gefunden. Weihnachtsplätzchen – gebacken von Zeitungslesern – wurden für Leukämiekranke ebenso meistbietend versteigert, wie seit einigen Jahren jene Fundstücke.

Der Fundus wird dabei stets mit allerlei Zugaben versüßt : Während sich Heinz-Jürgen Waldhör von der Wergona-Schokoladenfabrik in Wernigerode immer spendabel zeigt, rollt Katrin Wuttke vom E-Center in Aschersleben seit Jahren kistenweise Obst auf die Auktionsbühne. Zudem steuern die Kinobetreiber aus Aschersleben gern Freikarten bei, geben Händler Gutscheine – beispielsweise für den Besuch beim Friseur. Sie alle eint dabei ein Ziel : Möglichst viel Geld in die Kasse des Magdeburger Vereins zu bringen. Ein Ziel, dem sich seit vielen Jahren zudem die örtliche Filiale der Sparda-Bank verpflichtet sieht : Auch in diesem Jahr stockte der Aschersleber Filialchef Enrico Matusiack die Auktionssumme von 1 000 Euro um 2 500 Euro auf und setzte einmal mehr ein Zeichen. Denn schon im vorigen Jahr ließen er und seine Halberstädter Kollegin Silvia Mattner sich nicht lange bitten : Sie finanzierten in der Stadtverwaltung Halberstadt eine Typisierung für drei Leukämiekranke in Sachsen-Anhalt. Mittlerweile – nach neun Auktionen – können sie alle auf eine rundum gute Bilanz blicken : Mit der jüngsten Auktion wuchs die Gesamtsumme, die für den Verein " Aktion Knochenmarkspende " binnen neun Jahren zusammengetragen wurde, auf rund 26 000 Euro. Eine Summe, mit denen rein rechnerisch 520 freiwillige Lebensretter Eingang in die Spenderdatei finden konnten. " Das ist ein tolles Ergebnis, für das wir alle uns gern weiter ins Zeug legen ", lacht Auktionator Grzega und hebt den Gummihammer : " Im nächsten Jahr gibt es garantiert die nächste, die zehnte Versteigerung – zum Ersten, zum Zweiten und zum Dritten. "