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Der Staßfurter Thomas Bartel ist seit über 20 Jahren Fan der Rennpappe "Meine Trabis behalte ich so lange ich mir mein Essen kaufen kann"

Von Kathleen Radunsky-Neumann 11.11.2009, 05:55

Im November 1957 lief der erste Trabi in Zwickau vom Band, im März 1991 wurde der letzte gebaut. Heute, 20 Jahre nach dem Mauerfall, rückt die einstige Rennpappe wieder mehr in den Fokus der Öffentlichkeit. Ist der Trabant ein Sinnbild der DDR ? Über die Vor- und Nachteile des Kultautos sprach die Volksstimme mit einem Trabi-Fan.

Staßfurt / Schönebeck. Lässig legt Thomas Bartel seinen Arm über die Rückenlehne des Beifahrersitzes. Dass er nur wenig Beinfreiheit hat und mit dem Kopf fast an die Decke stößt, stört den 44-Jährigen nicht. Schließlich liebt er sein Auto so wie es ist. Das Herz des Staßfurters schlägt nicht etwa für einen hochwertigen, modernen Wagen. Im Gegenteil, Thomas Bartel ist verliebt in einen motorisierten Untersatz, der inzwischen 25 Jahre auf dem Buckel hat. Bartel ist Besitzer eines Trabant 601 in Kombiausstattung.

" Eigentlich ist er in einem Zustand wie ein Neuwagen ", sagt Bartel. Im März 2004 hat er sich dieses Schmuckstück gekauft. " Zufällig habe ich den Trabi bei einem Autohaus gesehen ", erinnert sich der Staßfurter. " Dann bin ich drei Tage lang um das Auto herumgegangen, bis meine Frau gesagt hat, dass ich ihn endlich kaufen soll ", berichtet der 44-Jährige. 601 Euro – ein symbolischer Wert – hat Bartel vor fünf Jahren für den Trabi, der 1984 gebaut wurde, bezahlt. Gerade einmal 16 000 Kilometer hatte der Wagen damals auf dem Tacho. Der Kaufpreis habe die Pappe zu einem Schnäppchen für den Familienvater gemacht. Schließlich haben Trabis derzeit, 20 Jahre nach dem Mauerfall, wieder Konjunktur. " Für weniger als 1000 Euro bekommt man etwas fahrbares ", schätzt Bartel den Markt ein. Schmuckstücke, so wie er es in seiner Garage hat, kosten heute bei weitem mehr.

Auch wenn der Trabi " billig " gekauft ist, so heißt das für Thomas Bartel noch lange nicht, dass er den fahrbaren Untersatz täglich nutzt. " Mit meinem Kombi fahre ich nur zu bestimmten Anlässen wie Trabitreffen ", sagt er mit einem Glänzen in den Augen. Für den alltäglichen Gebrauch muss der Stahlbetonbauer derzeit auf ein modernes Auto zurückgreifen. Doch das soll nicht immer so bleiben. Denn in der Doppelgarage des 44-Jährigen steht ein zweiter Trabant : " Den muss ich nur noch auf Vordermann bringen ".

Thomas Bartels Begeisterung kommt nicht von ungefähr. Seit 24 Jahren fährt er fast ausschließlich Trabant. " Meinen ersten Trabi habe ich mir 1985 für 4 500 Ostmark gekauft ", erinnert er sich. Damals war Bartel gerade 18 Jahre alt, sein neues Auto hingegen hatte schon 23 Jahre auf dem Buckel. Das war ihm egal. Schließlich musste jeder DDRBürger im Durchschnitt 14 Jahre auf einen Trabi warten. " Also habe ich ihn von privater Hand gekauft ", sagt der sympathische Mann.

Sechs Jahre lang gingen Bartel und sein erster eigener Trabi, der durch seine blaue Lackierung ein kleines Stück Individualität zeigte, durch Dick und Dünn. Dazu gehörten auch mehrere Familienreisen nach Ungarn. " Ich hatte nie eine Panne ", blickt Bartel zufrieden zurück. Und davon mal abgesehen : " Die Technik ist beherrschbar, so dass man fast alles selbst reparieren kann ", nennt der Staßfurter den großen Pluspunkt. Mit einem schelmischen Grinsen fügt er hinzu : " Hast du Hammer, Zange, Draht – kommst du bis nach Leningrad. " Ein Spruch, den noch heute die Rennpappenfans auf einschlägigen Trabitreffen verwenden.

" Ich habe immer alles dabei, was kaputt gehen kann ", erzählt der Vater eines Sohnes weiter. " Im schlimmsten Fall gibt der Motor seinen Geist auf ", doch selbst den könnte zumindest der Kenner recht einfach austauschen. " Wenn wir zu einem Treffen fahren, haben wir immer einen Ersatzmotor im Gepäck ", berichtet Bartel, der sich seit sieben Jahren in dem Schönebecker Trabiclub " Honnis Bester " engagiert. UnterdenGleichgesinnten wird dann über die Rennpappe philosophiert und bei Reparaturen geholfen.

Während andere Vereinskollegen ihre Trabis aufmotzen, in dem sie den Wagen tiefer legen, mit einem neuen Auspuff versehen oder die Scheiben tönen, sieht sich Bartel eher bei der Fraktion " Original ". " Für mich ist der Trabi ein technisches Kulturgut, das ich durch Pflege und Reparatur erhalten will. " Das soll aber nicht heißen, dass seine Rennpappe in der Garage einstaubt. In der Sommersaison stehen zahlreiche Ausfahrten zu Trabitreffen in der Region sowie in das sächsische Zwickau und Freital oder nach Anklam in Mecklenburg-Vorpommern an. Dass die 15 Vereinsmitglieder dann ihre Trabis nicht etwa auf einem Anhänger zu den Veranstaltungen transportieren, versteht sich von selbst. " Mein Trabi soll die Fahrt selber bestreiten ", sagt Bartel, der inzwischen seine vierte Rennpappe fährt.

" Meinen ersten habe ich im vergangenen Jahr verkauft ", erzählt er. Auf keinen Fall sollte der Trabi auf dem Schrott landen, obwohl Bartel ihn bereits kurz nach der Wende, als andere TÜV-Anforderungen kamen, ruhiggestellt hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte den Staßfurter das Trabifieber längst infiziert. " Der Trabi ist ein robustes, wartungsarmes Auto ", schwärmt Bartel und fügt hinzu : " Kleine Schwachstellen hat jedes Auto. " Also ließ er seine geliebte Pappe ersteinmal in der Garage stehen, " ich wollte ihn mir später wieder aufbauen ". Dazu kam es letztlich nicht.

Obwohl Bartel seinen ersten Trabi mit ein wenig Herzschmerz abgab, so ist er überzeugt, " man muss auch Realist sein ". Die Entscheidung fiel ihm offensichtlich nicht allzu schwer, da er die Rennpappe seines Bruders übernehmen konnte. " Jeder wollte in der Wendezeit einen Golf, aber ich blieb meinem Trabi treu ", erinnert sich der Staßfurter, der diesen motorisierten Untersatz 1994 schließlich verschrotten ließ. " Er war 15 Jahre alt und vieles war dem Rost zum Opfer gefallen ", beschreibt Bartel den Zustand des 1979 gebauten Wagens. " Ich hätte ihn komplett neu aufbauen müssen. " Zu der Zeit habe die junge Familie aber gerade ihr Haus gebaut, blickt Bartel zurück. Also hatte er Prioritäten setzen müssen – ein wirklicher Realist.

Nun folgte eine zweijährige Pause. Erst im Dezember 1996 erstand Bartel wieder einen fahrbaren Trabi, einen P 601 Baujahr 1988. Diesen Wagen nutzte Bartel genauso wie die Vorgänger als Alltagsauto. Doch trotz seiner intensiven Pflege war auch dieser Trabi nicht sicher vor dem Rost. " Mir war klar, dass ich einen Fachmann für die Schweißarbeiten brauche ", erinnert sich Bartel, der daraufhin im Dezember 2002 auf den Schönebecker Trabiclub aufmerksam wurde. Gemeinsam haben sie den Schlitten wieder auf Vordermann gebracht. " Seitdem bin ich in den Verein reingewachsen ", sagt der Staßfurter. " Wir sind eine eingeschworene Gruppe. " Momentan steht der P 601 zwar wieder in der Garage, einige Arbeiten sind noch zu erledigen. Dafür hat Bartel ja seinen Kombi, den er sich 2004 geleistet hat. " So lange ich mir Essen kaufen kann, behalte ich meine Trabis ", stellt Bartel klar.

" Ein bisschen verrückt muss man schon sein ", gibt er zu. Seinen Kombi, das Schmuckstück, will Bartel schonen. " Für den täglichen Straßengebrauch ist er mir zu schade. " Er wird nur dann aus der Garage geholt, wenn eine Ausfahrt zu einem Treffen ansteht. Bartel will nun den Winter nutzen, um seinen zweiten Trabi auf Vordermann zu bringen. Denn ewig will der 44-Jährige nicht auf sein " normales " Auto zurückgreifen müssen.