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20 Jahre Gedenkstätte für NS- " Euthanasie " -Opfer / Staatssekretär Rüdiger Erben : "Erinnerungskultur wird hier ernst genommen"

22.09.2009, 04:58

Bernburg ( MZ / cv ). Beinahe 15 000 Kranke und behinderte Menschen aus deutschen Pfl egeeinrichtungen, sowie KZ-Gefangene sind zwischen dem 21. November 1940 und dem 30. Juli 1943 in Bernburg in der heutigen " Euthanasie " -Gedenkstätte im Namen der nationalsozialistischen Rassenlehre ermordet worden. Mit einer Festveranstaltung wurde Ende der vergangenen Woche der zwanzigste Jahrestag der Gedenkstätte begangen. Zu der Veranstaltung war neben Vertretern anderer Gedenkstätten auch der frühere ärztliche Leiter des Fachkrankenhauses, Professor Bernburger Helmut Späte, gekommen, der maßgeblich am Aufbau des Erinnerungsortes beteiligt war.

" Erinnerungskultur wird hier in Bernburg ernst genommen ", sagte Innenstaatssekretär Rüdiger Erben ( SPD ). Er würdigte die Arbeit der Gedenkstättenmitarbeiter und ihrer Leiterin, Dr. Ute Hoffmann. Eine solche Stätte sei die beste Form der Immunisierung gegen Rechtsextremismus, so der Staatssekretär weiter.

Auf dem Gelände der damaligen Landesheil- und Pfl egeanstalt Bernburg sind Reste der Vernichtungsanlage bis heute erhalten. Seit 1989 gibt es eine öffentlich zugängliche Gedenkstätte. Die Bernburger Gasmordanstalt ist neben Pirna und Brandenburg eine von insgesamt drei auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Insgesamt gab es sechs Anstalten, die die von den Nazis als " Sonderbehandlung " bezeichnete Vergasung aufgrund körperlicher oder geistiger Gebrechen von Menschen systematisch betrieben.

" Und wir waren in der DDR die Ersten, die eine Gedenkstätte eröffnet haben ", sagte Ute Hoffmann, die seit 20 Jahren die Einrichtung leitet. Die Historikerin sieht neben der Erinnerungskultur einer solchen Stätte vor allem deren Pflicht darin, " Hinterbliebenen ein bisschen innere Ruhe zu geben ". Auch habe eine Gedenkstätte die Aufgabe, die Menschen an grundsätzliche Fragen des Zusammenlebens und des Umgangs miteinander zu erinnern. Hoffmann dankte in ihrer Rede vor allem ihren Mitarbeitern und denjenigen, die am Aufbau der Gedenkstätte beteiligt waren.

Im Rückblick habe sich sehr viel getan. Neben der Rekonstruktion der Vernichtungsanlage im Keller ist eine wichtige Aufgabe die Aufarbeitung der Geschichte der Gasmordanstalt selbst. " Gut 95 Prozent aller Opfer sind mittlerweile namentlich erfasst. Die Datenbank ist riesig ", sagte die 48-jährige Historikerin und fügte hinzu : " Als wir hier anfi ngen, gab es nichts. Kein Archiv, keine Bibliothek. " Mittlerweile gibt es die zweite Dauerausstellung, eine Sonderausstellung ist laut Hoffmann in Arbeit, war aber zum Jubiläum noch nicht reif zur Präsentation. Die Straße, in der die Gedenkstätte liegt, ist nach der kommunistischen Aktivistin jüdischer Herkunft Olga Benario-Prestes benannt, die 1936 von Brasilien an die Nationalsozialisten ausgeliefert wurde, obwohl sie schwanger war. Sie bekam ihr Kind im Frauengefängnis in Berlin-Moabit. 1938 wurde die Tochter an den Vater übergeben, Olga Benario wurde ins Konzentrationslager Ravensbrück abtransportiert. Von dort kam sie 1942 mit einem Transport nach Bernburg und wurde dort vergast.