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Schackstedter Bürgermeister will Geschichte von einem anonymen Soldaten in Erinnerung halten : "Vielleicht hat die Mutter viele Jahre gewartet?"

Von Katharina Thormann 14.07.2009, 05:02

Schackstedt ( mz ). Moos bedeckt das Holzkreuz. Viele Jahre der Witterung liegen hinter der grausamen Geschichte, die sich einst in der Gemeinde Schackstedt zugetragen hat und an die ein Grab mit dem darauf angebrachten Helm auf dem Friedhof erinnern soll. Nur wenige Stunden trennte die Schackstedter vom Einrücken amerikanischer Soldaten im April 1945. Da passierte etwas Schreckliches in dem sonst so beschaulichen Dorf. An besagtem Tag, kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges, wurde ein deutscher Soldat an der Schackstedter Kirchenmauer erschossen.

Als Fahnenfüchter von den eigenen Truppen gefangen genommen, kam der damals 18-Jährige – so wird es von Erzählungen überliefert – vor ein Standgericht, das ihn zum Tod verurteilte. Drei Schüsse wurden auf den jungen Mann abgefeuert, der in den letzten Kriegstagen nach Hause f üchten wollte.

Zu seiner Familie kehrte er nicht zurück. Sein kurzes Leben endete in Schackstedt.

" Woher er kam, wissen wir auch jetzt, viele Jahrzehnte später nicht ", sagt Bürgermeister Dieter Wöhlbier. Mehrmals habe er versucht, Kontakt mit der zuständigen Behörde für Kriegsgräberfürsorge in Magdeburg aufzunehmen – alles ohne Erfolg. " Vielleicht hat die Mutter viele Jahre auf ihren Sohn gewartet. Doch die Recherchen ergaben nichts ", berichtet der Schackstedter Bürgermeister.

Zunächst an der Kirche notdürftig verscharrt, wurde er nach dem Krieg auf den Friedhof der Gemeinde umgebettet und er an der äußersten Ecke begraben. " Viele Schackstedter pfegten das Grab, auch meine Schwiegermutter ", so Wöhlbier. Als Ersatzgrab für ihren in Stalingrad gefallenen Bruder nutze sie die Grabstätte als persönlichen Trauerort.

Von Anfang an habe sie sich dennoch über den Helm geärgert, der auf dem Kreuz angebracht war. Nicht nur, dass der Kopfschutz eigentlich ein Feuerwehrhelm aus Plastik war - als Stahlhelmersatz -, er hätte auch nicht zum tragischen Umstand gepasst, da er nicht als Soldat fel, sondern ermordet wurde, gibt Wöhlbier die Meinung seiner Schwiegermutter wieder.

Deshalb baute sie ihn eines Nachts heimlich ab. Nicht mehr ertragen habe sie das schreckliche Symbol des Kopfschutzes, der an den Krieg erinnerte. " Später wurde aber ein neuer Helm angebracht ", zeigt Wöhlbier auf den Ersatz, der auf das Holzkreuz geschraubt wurde. Auch heute wird das besagte Grab noch von der Gemeinde gepfegt. Manchmal steht auch ein frischer Blumenstrauß auf der Ruhestätte. " Wer ihn dorthin stellt, weiß keiner ", so Wöhlbier.

" Für die jüngeren Generationen droht die Geschichte des Soldaten aber in Vergessenheit zu geraten ", sorgt sich Wöhlbier. Und damit das nicht passiert, plant der Bürgermeister, sehr bald schon ein neues Kreuz anbringen zu lassen. Und auch eine Gedenktafel Stelle mit den Einschusslöchern an der Kirchenmauer könne er sich vorstellen, " um auf die schlechte Zeit und die damalige Verrohung der Menschen aufmerksam zu machen ".